Freitag, 8. Januar 2016

Ist ja zum Schießen!

Wenn die Willkommens-Kultur von jungen Adepten der Mittelmeer-Nationen, denen einst das Gastrecht heilig war, mit sexueller Gewalt und Räubereien vergolten wird, dann ist das vor allem ein Zeichen, wie sehr die Welt bereits zerrüttet ist.

In der Zeit, in der Savonarola in Florenz seinen Scheiterhaufen-Terror ausübte, sollen Geschichtsquellen zufolge ja die orgiastischsten Feste gefeiert worden sein, wenn die Pest nicht gerade für Stillstand gesorgt hat. Ihr mögt mich für hypersensibel halten, aber ich habe in den ersten Tagen des Jahres auch durch Bilder den Eindruck gewonnen, als steuerten wir alle auf ein Purgatorium zu.

Die Gespräche waren gespenstisch. Menschen, von denen ich es nicht erwartet hatte, bedienten sich auf einmal populistischer Parolen und Forderungen, denen sie noch ein paar Wochen zuvor empört eine Abfuhr erteilt haben. Ich musste da an die Erzählungen meines Vaters denken. Bei den bürgerlichen Diners im heranrauschenden Hitlerwahn, wechselten viele liberal gestimmte Freunde in der Reichshauptstadt plötzlich ihre weißen Smoking-Hemden gegen das Braun der NSDAP. Sie waren jung, hatten Familie und wollten ihre Elite-Jobs gerne behalten...

Diese Ausrede gibt es diesmal nicht. Wir sind bis an die Zähne mit vielfältiger Information bewaffnet, die beim Nachdenken ein zumindest individuelles Stimmungsbild ergäbe. Aber viele schwimmen lieber im Mainstream.

Traditionell verbringen wir die letzten Stunden des Jahres im viele Jahrzehnte bestehenden Freundeskreis. Die wunderschöne Wohnung liegt wie eine Aussichtsplattform über der Theresien-Wiese, über der immer am meisten Raketen-Radau entsteht, Kurz nach 11 Uhr piepsten viele Smartphones und übermittelten die Terror-Warnung für München. Keiner von uns ging hinunter.
Also sahen wir aus den Fenstern zu, wie die Menschen jubelnd im donnernd blitzenden Nebel verschwanden. Keiner wäre in der Lage gewesen, die Böller von losgehenden Sprengstoff-Westen zu unterscheiden. Aber es war glücklicher Weise alles ein falscher Alarm.

Nicht so in Köln und Hamburg, wo Frauen eingekreist und sexuell belästigt wurden. Ich war nicht dabei, deshalb gestatte ich mir nicht, in die allfälligen Diskussionen einzusteigen. Aber was ich auf den Smartphone-Videoschnipseln gesehen habe, war Savonarola pur.

Mir tat der Hohn und Spott leid, der über der vor kurzem selbst Gewaltopfer gewesenen Bürgermeisterin Reker ausgegossen wurde. Ihr "Armlängen-Tipp" manifestiert doch geradezu die Hilflosigkeit der Frauen gegenüber sexueller Gewalt in unserer ach so tollen Gesellschaft...

Aber die weltweite Gewalt-Spirale dreht sich ja in einer Geschwindigkeit, die kein Verharren im Entsetzen mehr zulässt. Die Saudi-Regierung, der wir so gerne Waffen liefern, ließ nach mittelalterlichem Brauch ihrer Gesetze 47 Staatsfeinde mit dem Schwert hinrichten, was dem Nahost-Friedensprozess wohl endgültig den Garaus gemacht hat.

Als ob das in den ersten Tagen von 2016 noch nicht genug war, verkündete US-Präsident Obama in einer sehr rührend mit Opfern und Hinterbliebenen bestückten Presse-Konferenz, die Maßnahmen, die er im Alleingang seines letzten Amtsjahres gegen die Waffen-Lobby seines Landes ergreifen werde.

Keine Stunde später versammelten sich überall in den Staaten Tausende, um gegen diese Vorhaben zu demonstrieren. Was, wenn so ein "Shitstorm" auch in Köln und Hamburg der Auslöser war. Dann gnade uns der Gott (oder die Götter) um dessen (deren) Willen all die Gewalt ausgebrochen sein soll.

In Texas, wo das offene Tragen von Waffen seit Jahresbeginn wieder erlaubt ist, sprach eine Frau etwa im Alter der Meinigen mit stolz vom pinkfarbenen T-Shirt gespannter Brust in das Mikrofon eines Nachrichten-Senders:
"Wenn Russland unser verfassungsmäßiges Recht auf das Tragen von Waffen hätte, wäre Putin schon längst abgeknallt worden".


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen