Dienstag, 20. Januar 2015

Die Frage nach der Zeit

Ginge es im richtigen Leben ab wie in unseren  Feierabend-Krimis im Fernsehen, müsste ich mir ernsthafte Sorgen um meine Teilhabe an der Wirklichkeit machen.

Nicht nur, dass Orte, die ich wegen ihrer friedlichen Schönheit einst geschätzt habe, dort zu Mörder-Metropolen werden, sondern vor allem, weil ich Schwierigkeiten hätte, die permanente Frage nach der Zeit zu beantworten. Und das, obwohl ich mich noch aktuell mitten in ihr zu befinden hoffte...

Nehmen wir an, ich hätte eines über die Rübe bekommen und würde beim Erwachen gefragt: "Welchen Tag haben wir heute?"

Ich könnte die Frage auch bei vollem Bewusstsein nur selten richtig beantworten. Wenn ich wissen wollte, welchen Tag wir gerade haben, schaute ich auf mein Smartphone, oder auf die Zeitung, denn es ist mir wurscht. Das Privileg des Alters ist nämlich, dass man einfach so in den Tag hinein lebt.

Weil das so ist, hätte ich auch Schwierigkeiten, ein Alibi zu präzisieren, geriete ich unter Verdacht.
Der Komissar könnte mich fragen, wo ich am 34 Juni um 81Uhr72 gewesen wäre, und ich müsste ihn genauso hilflos anschauen, als wolle er eine korrekte Zeit abfragen.

Mein Alltag ist nicht eintönig, aber er läuft mittlerweile nach einem Rhythmus ab, der so festgefahren ist, dass ein Tag sich kaum von einem anderen unterscheidet - mit Ausnahme des Abendessens.

Fragt mich also der Herr Komissar oder die Frau Komissarin, was ich am bewussten Abend gegessen hätte, würde ich nach dem Wochentag fragen und dann könnte ich beispielsweise antworten - da meistens ich koche - "Dienstag ist unser vegetarischer Tag und vor vierzehn Tagen habe ich einen Auberginen-Auflauf gemacht. Da können sie meine Frau fragen."

Schwerer Fehler! Die "Zweitbeste" geht mit der Zeit noch wurstiger um als ich - selbst an den vegetarischen Tagen...

"Leider ist mein Mann schon ein wenig vertrottelt. Da haben wir  Lauch-Risotto gegessen, und wenn ich mich recht erinnere, ist er noch rüber zum Tunesier, um eine frische Stange Porree zu holen."

Gegenfrage: "Wie lang hat das denn gedauert?"

Zweitbeste: "Die quatschen wegen der Übung immer mindesten zehn Minuten auf Französisch."

Komissar (ironisch): "Ist Ihnen klar 'Monsieur Obelix', dass wir das Alibi überprüfen werden?"

Ich:"Ach glauben sie der doch kein Wort. Das Lauch-Risotto gab es am vergangenen Dienstag. Meine Frau hat's mit der Zeit nicht so."

In der Grünen Minna auf dem Weg zum Präsidium fangen wir heftig an zu streiten, was wann war.

Sie: "An dem Tag mit dem Lauch-Risotto hat es doch diesen Anschlag gegeben."

Ich: "Eigentlich gibt es doch täglich einen Anschlag. Aber die Sache in Belgien war an unserem Geflügel-Tag, und da habe ich eine chinesischen Hühner-Suppe gekocht."

Sie: "Mann! Wir müssen endlich aufhören, unser Leben am Speiseplan zu orientieren. Jetzt weiß ich's.. Es war der Tag mit der Anti-PEGIDA-Demonstration, die verboten wurde."

Ich: "Die PEGIDA-Demonstration selbst wurde ja auch untergesagt. Ein Sieg des Terrors über unsere Grundrechte."

Wir konnten dann noch so oft sagen: "Wir waren es nicht Herr Komissar! Das müssen sie uns glauben!"

Weil der "Zweitbesten" noch "einfiel", dass es am Abend des Mordes bei uns doch ganz sicher Couscous gegeben hätte, wurden wir wegen gemeinschaftlich begangenes Mordes an unserem tunesischen Gemüsehändler verknackt. Denn genau an einem viel zu trockenen Hirse-Gericht sei dieser nämlich erstickt.

Als man mir an einem Dienstag-Morgen im Knast Haferbrei servierte, wachte ich glücklicher Weise auf.

Um 10Uhr26 am 20.1.2015... Und das war ganz sicher ein Dienstag!

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