Freitag, 25. November 2022

Vom Schreiben mit der Hand

 Mein gerade eingeschulter Enkel geht leidenschaftlich gern zur Schule und hat die ersten, kleineren Tests mit Bravour absolviert. Die Leidenschaft rührt auch daraus, dass er seinen Lehrer so toll findet. Hausaufgaben sind keine Last sondern eine Lust. Vor allem wenn es ums Schreiben von Buchstaben geht.

Quelle: kita.de

Das reflektiert leider zwei Erlebnisse, die ich kürzlich mit meiner Handschrift hatte: Bei einem Telefonat im Halbdunklen musste ich mir ein paar Notizen zum Weiterleiten machen. Und dann kam auch noch meine neue Bankkarte. Also ehrlich! Ich konnte meine eigenen Notizen nicht mehr lesen, obwohl ich mal eine einigermaßen schöne Handschrift hatte. Mir bot sich auf dem Notizzettel ein Kraut und Rüben aus mit Großbuchstaben vermischten minimierten Worten. Und meine Unterschrift auf der Rückseite der Karte hatte mit meiner tausendfach geleisteten Signatur überhaupt nichts mehr zu tun, weil sie einfach nicht mehr auf den schmalen Streifen passte.

Im ersten Schreck glaubte ich, dass mich vielleicht ein stiller Schlaganfall erwischt hätte. Deshalb tauchte ich zur Beruhigung bewusst mal in die Geschichte meiner Handschrift ein. Als ABC-Schütze bekam ich nie gute Noten fürs Schönschreiben, und es dauerte bis nach der Pubertät mit der Richtungsentscheidung, wohin sich die Worte einheitlich neigen sollten. Mal neigten sich mein Geschreibsel maniriert klein und extrem schräg nach rechts, dann fand ich es für kurze Zeit ganz toll, wenn sie sich provokant nach links gegen die Gunst meiner Lehrkräfte lehnten.

Wer kann denn heute noch Steno
oder arbeitet als Stenotypistin?
Quelle: dreamstime.com
Kaum war meine Schrift gerade, gefestigt und gut leserlich, begann eine neue Herausforderung auf den Pressekonferenzen. Weil ich im Gegensatz zu den meisten meiner Kollegen nie Stenographie gelernt hatte, musste es eben mit meiner Langschrift schnell gehen. Bei Diktaten in der Schule hatte ich immer mit der Langsamkeit zu kämpfen gehabt. Aber nun zählte die wörtliche Rede - vor allem bei spontanen Interviews. Also verkürzte ich meine Langschrift, indem ich nur Zitate aber die mit verkürzten, doch noch erkennbaren Worten festhielt. Oft war das wegen meines guten Gedächtnisses präziser als das Stenogramm meiner Kollegen. Aber meine Handschrift war einmal mehr versaut.

Als ich dann meinen Mitarbeitern Anweisungen schrieb, tat ich das in einer sehr schnellen Blockschrift in Großbuchstaben. Das war ja auch die Zeit, in der ich täglich zig Unterschriften leisten musste und die Kugelkopf-Schreibmaschinen erst gegen Schreib-Automaten und schließlich durch PCs abgelöst wurden.

Heute erinnern vielleicht nur
noch Briefmarken an
das gute alte Telex mit Lochstreifen.
Quelle. dreamstime.com
Dazu kamen als Segen winzige Tonbänder mit digitalisierten Aufzeichnungen für die Interviews. Telex, Fernschreiber, Telekopierer gerieten im Verlauf von nur wenigen Jahren durch das immer schnellere Internet in Vergessenheit.

Es sind wohl seit drei Jahrzehnten die e-mails, die meiner Schrift als einst leidenschaftlicher Briefschreiber letztendlich den Garaus gemacht haben und nicht der "silent stroke". Meiner "Gemeinde" schreibe ich auch seit langem - immerhin zeichnerisch verschönerte - mails, während meine Frau weiter unermüdlich handgeschriebene Weihnachtskarten auch in meinem Namen verschickt...


Dabei kann dann schon mal so eine digitale Weihnachts-Karte
 wie die im vergangenen Jahr auf den letzten Klick ins Netz geraten


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