Samstag, 23. November 2013

Die Post geht ab

Wenn wir vom Mikro-Kosmos unserer Kreuzung ausgehen, ist die Welt der analogen Kommunikation noch in Ordnung. Gegenüber direkt neben der Bäckerei stehen zwei Briefkästen: einer für Empfänger im Bereich der Stadt, der andere für auswärts.

Da es die zweitbeste aller Ehefrauen mit e-mails nicht so hat und daher noch viel "Schneckenpost" mit Sonderbriefmarken verschickt, hätten wir es also sehr bequem, weil wir immer einen stattlichen Vorrat Briefmarken haben. Wohlgemerkt hätten wir. Da es aber der Post AG gefällt, bald schon im Halbjahres-Rhythmus die Kosten für einen Standardbrief nur um Cents zu  erhöhen, kleben wir dann entweder zuviel drauf oder müssen doch zur Post, um Marken für die Ergänzungsbeträge zu kaufen...

Aber wo ist die denn? Gestern musste ich als ausschließlicher e-mail-Schreiber ausnahmsweise etwas zur Bekämpfung der galoppierenden Altersarmut per Einschreiben verschicken. Wie immer wusste die Zweitbeste natürlich bescheid. Wir mussten bei der Kälte das Auto nehmen. vier Blocks und drei Querstraßen entfernt hielt sie vor einem Schreibwaren-Geschäft mit zudekorierten Schaufenstern und nicht einem Hinweis, dass hier Post-Dienste angeboten werden.

"Woher weißt du das?"
"Das wüsstest du, wenn du auch mal zum Tengelmann einkaufen gingst!"
"?"
Tatsächlich ist dieses Schreibwaren-Geschäft innen mit allen Schikanen zum Versenden von Post, Päckchen und Paketen ausgestattet. Und zwischen allerlei buntem Kriegsspielzeug kann einer sogar, das zu Verschickende fotokopieren...

Da der Blogger "post-analog" offenbar noch in der Steinzeit sendet, aber das Gesicht nicht endgültig verlieren möchte, stößt er nur ein fragendes "McPaper?" aus. Schallendes Gelächter.

Wieder daheim vor dem Glashaus trifft er auf den Briefträger. Einen ordentlich in Post-Uniform gekleideten und ein mit großen gelben Taschen bestücktes, gelbes Rad neben sich herschiebend. Man kennt sich schon von diversen Begegnungen und dem Kampf gegen Werbung als Postwurf-Sendung; ein Postler mit türkisch-preußischen Tugenden und immer höflich.
"Von welchem Postamt holen Sie denn eigentlich ihre Post."
"Nix Postamt - Depot!", dann stopft er unverdrossen auch in alle Briefschlitze auf denen "Keine Werbung bitte!" steht, einen gefühlten Doppelzentner buntester Post zwischen diverse Gratis-Stadtteil-Zeitungen.
Letzere sind daran schuld, dass ich das Zeug nicht einfach unbesehen in dem im Eingang stehenden Container entsorgen kann. Weil nämlich  die Zweitbeste auf deren Lektüre scharf ist. Ich weiß zwar nicht, wie sie das auch noch konsumiert, weil sie mit dem Finger unter jeder Druckzeile ja für die Abenzeitung allein schon fast einen Tag braucht, aber im Erklären eines Ehe-Krieges ist sie eben noch so schnell wie eh und je.

Ja, und dann erfahre ich aus einer ARD-Panorama-Sendung, dass um das Zustellen von Post und postähnlichen Sendungen ein unglaublicher Mindestlohn-Krieg entbrannt ist. Der soll vor allem von Behörden und Gemeinden entfacht worden sein, die Unternehmen beschäftigen, bei denen die Austräger nicht nur die von ihnen aus zu tragende Post selbst vorsortieren müssen, sondern pro Stück auch nur 8 Cent Lohn bekommen. Das ist so wenig, dass die Austräger zusätzlich HartzIV beantragen müsssen. Was darauf hinausläuft, dass wir Steuerzahler diese Schurken-Unternehmen quasi auch noch subventionieren.

Gestern lief dann auch noch mit prophetischem Instinkt im Free-TV - wie das im Neu-Deutsch heißt - The Postman mit Kevin Kostner. In dem überlangen Epos mit US-Moral wie sie unsere spionierende Schutzmacht gerne hätte, streift ein Schurke mit der Uniform eines toten Briefträgers auch dessen professionellen  Ethos über und retten so eine post-apokalyptische Rest-Menschheit vor der Tyrannei.

Hoffentlich steckt dereinst  in einer von der Bundespost übrig gebliebenen Uniform noch genug Ethos, wenn es denn bei uns so weit wäre....


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