Dienstag, 14. Dezember 2010

Brahma-Pizza und Krautwickel

Aus meinem Glaserker habe ich einen Rundumblick auf die Futterplätze meines Multikulti-Menschenzoos:
Im Westen - keine 50 Meter entfernt - gibt es Brahma-Pizza im Bollywood-Stil. Wer lieber Klassik-Pizza Italian Style mag, bekommt sie bei mir unten im Haus bei "adesso". Diese Filiale der rührigen Homeservice-Kette wird allerdings von einem freundlichen jungen Mann aus Dalmatien mit viel Geschick geführt. Ohne Lieferzeit sind die stadardisiert belegten Teigplatten übrigens sehr wohlschmeckend und ersparen meiner Frau und mir das Kochen, wenn wir in seltenen Fällen von unseren weltweiten kulinarischen Kochexperimenten zu erschöpft sind.
Meist erliegen wir aber den geschmacklichen Fernweh-Träumen der unmittelbaren Nachbarschaft, denn nur hundert Meter entfernt animiert der Aladin Market unsere Sinne für die arabischen und afrikanischen Aromen und Geschmäcker. Der Chef ist Algerier und umgibt sich mit "Homies" aus Tunesien oder der Türkei, die ihm liefern oder in seiner Fleischabteilung die besten Lamm- oder Hühnerteile parieren, die es in München gibt. Man muss sich nur reintrauen in diesen vollgestopften, engen Laden, dann versinkt man tatsächlich in 1001 Reizen. Spitzenqualität bei Gemüse, Datteln , Backwerk zu überraschend niedrigen Preisen locken vor allem die internationale islamische Studentenschaft über den Ring. Was zu bemerkenswerten Erlebnissen führt.
Neulich stand ich hinter einer jungen Perserin an der Kasse, die sich kenntnisreich nach verschiedenen Produkten erkundigte. Die Verkehrssprache war Deutsch, das die Dame aus dem Iran trotz ihrer Jugend akzent- und fehlerfrei sprach, während Aladin wegen seines rudimentären Vokabulars zwar keine Antwort schuldig blieb. - aber auf arabisch einen jungen Mann simultan um Übersetzungen bitten musste, der ihm gerade das süße Dattelgebäck aus Tunesien geliefert hatte...
Wenn ich vom "aladin" aus über die nächste Kreuzung  nach Osten gehe, bin ich kulinarisch bereits in Asien. Der "China Market"  ist zwar genauso vollgestopft, vermittelt aber eher keine sehnsuchtsvollen Erinnerungsschübe, sondern Heißhunger auf nachzukochende Wok-Spezialtäten. Selbst wenn ich mittlerweile vermeide, hungrig dorthin zu gehen, kaufe ich jedesmal zuviel. Aus Angst irgendetwas zu verpassen? China ist doch so weit weg, und das Warenangebot so authentisch!
Auch dort kaufen ansonsten zu 90 Prozent die Landsleute der Besitzerfamilie ein; im großen Stil auch Restaurants oder vielköpfige Wohngemeinschaften. Neulich stand beim Zahlen ein älterer Chinese neben mir, der offenbar kein Vertrauen in hiesige Banken hat, aber wohl in diese von Vorurteilen geprägte Nachbarschaft. Denn zur Begleichung seines überschaubaren Einkaufs zog der kleine Mann gelassen das dickste Bündel von 100-Euro-Scheinen aus seiner Tasche, das ich in natura je zu Gesicht bekommen habe...

Schaffen wir uns ab - Herr Sarazin - weil wir eine derartige Nachbarschaft nicht nur selbstverständlich zulassen, sondern auch von ihr sinnlich profitieren? Wenn unsere jungen Leute vor lauter egoistischer Jagd nach dem Geld das Heiraten und Familiegründen vergessen, darf man sich nicht wundern, dass in unserem Viertel die meisten Frauen, die einen Kinderwagen schieben, den neudeutschen "Migrationshintergrund" haben. Vielleicht ist es tatsächlich eher um unser traditionell deutsches Wertebewusstsein schlechter bestellt als bei denen, die aus der Ferne kommen und unser Land trotzdem zu dem ihren machen, weil sie es für das Paradies halten?
Von Abschaffen kann übrigens gar nicht die Rede sein, wenn ich sehe, was jeden Tag bei unserem urbayrischen Metzger auf der gegenüber liegenden Ecke unserer Kreuzung los ist. Die Internationale der Brotzeithungrigen gibt sich hier alltäglich morgens und mittags ein Stelldichein, und weil die Parkplätze so rar sind, kommt es oft über Stunden mitten im schweren Verkehr zu einem geordneten Chaos der wildesten Parkvergehen.
Neulich war es einmal besonders dreist. Ein Montagewagen einer Telefongesellschaft hatte bereits, den Radweg zugeparkt, und aus der Einbahnstraße versuchte ein Möbelwagen rückwärts samt frisch erworbener Brotzeit  und roter Ampel wieder in die Hauptstraße zurückzukommen. Was nicht ging, weil sich ein BMW-Mitarbeiterleasing-Sportwagen warnblinkend genau diagonal auf die Ecke gestellt hatte. Aber dann kam endlich ein Streifenwagen. Weil nur noch eine Lücke auf dem Bürgersteig frei war, postierte es sich dorthin. Der Einsatz rechtfertigte das ja wohl.
Der Einsatz? Die junge Beifahrerin mit dem blonden Pferdeschwanz unter der Dienstmütze hatte zwar einen Block mit Stift in der Hand als sie ausstieg. Aber anstatt Knöllchen zu verteilen, verschwand sie wippenden Zopfes mit der Einkaufsliste ebenfalls im Metzgerladen...

Morgen lest Ihr über: Amerikanische Verhältnisse

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