Mittwoch, 27. Oktober 2021

Unsterbliches glauben

Bei Tintoretto lebt Lazarus offenbar noch
und gibt zu Mutmaßung Anlass, dass es eher
um die Genesung eines Todkranken
und weniger um die Erweckung eines Toten
gegangen sein mag - also eher: Nimm dein Bett und wandle!
Aber der Lazarus-Legenden sind da eben viele...
Bild-Quelle: kunst-fuer-alle.de

Zitat aus der "Auferweckung des Lazarus", wie sie Luther in der Übersetzung der Bibel überliefert hat.
Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. 

Je länger gläubige Christen am Leben sind, desto öfter hören sie diesen Spruch am offenen Grab eines ihnen nahestehenden, verstorbenen Menschen. Als Agnostiker hat mich stets dieser fabelhafte Konjunktiv beeindruckt, den die Pfarrer heute richtiger Weise meist mit der unumstößlichen Feststellung "ob er gleich stirbt" vortragen.
Ich gehe nicht mehr auf Beerdigungen und suche auch später keine Gräber mehr auf. Unsterblichkeit wird Gläubigen in beinahe allen Religionen zugesagt. Sogar im nordischen Ur-Denken der Wikinger gelangten ein Kämpfer oder eine Schild-Maid nur dann in die Walhalla zu Odin, wenn sie im Kampf mit blutigem Schwert in der Hand nieder gestreckt wurden.

Dass der Mensch am Leben hängt und ums Überleben kämpft, ist in der Ur-Matrix unserer Gehirne verankert. Das wird als gesundes Denken betrachtet. Selbst die, die ihr Leben in der Misere fristen müssen, erfahren wohl eine Erleichterung in der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Aber stellen sich möglicher Weise der Frage nicht, wie das aussehen wird. Geht nur die Seele auf Wanderschaft oder feiert man auf Ewigkeit ein Gelage mit Odin bei Met und Schweinehaxen? Und was mag die Unsterblichkeit des Menschen bei der jetzt schon krassen Überbevölkerung unseres Planeten anrichten?
Aber es 
ist dabei ja nie von einem Ganzkörper-Transfer ins Jenseits die Rede, sondern von der nicht stofflichen Seelen-Wanderung ins Paradies - oder wenn es ganz schlecht läuft eben in die Hölle. Auch das fiele ganz schön ins Gewicht, denn auch andere Aggregatszustände bringen ja Gewicht auf die Waage...

Duncan MacDougall 1866 - 1920
Quelle auch unten: Wikipedia
Die durchschnittliche Seele habe ein Gewicht von 21 Gramm verkündete 1902 der amerikanische Arzt Duncan MacDougall nach einem Experiment der Psychostasie an seinen verstorbenen Patientin. In jüngster Gegenwart wiesen  jedoch Experimente unter Hypnose darauf hin, dass lebende Probanden in dieser  "loslösenden" Situation schon knapp ein halbes Kilo Körpergewicht abnahmen.
Beide Experimente gaben jedoch zeitversetzt keinen Hinweis auf die Verortung der Seele im Körper des Menschen. Überwiegend wird das Gehirn als Sitz der Seele vermutet, weil von dort ja die Botenstoffe für den übrigen Organismus ausgeschüttet wird. Die eher ethische Annahme, sie sei eine Herzensangelegenheit wurde seit der ersten Herz-Transplantation millionenfach zumindest korrumpiert.

Die "Auferstehung des Lazarus", von dessen Akt seiner Heilung ja der Begriff Lazarett abgeleitet wurde, gibt nur dann noch Rätsel auf, wenn die Erfolge der modernen Medizin samt ihrer Leben erhaltenden Apparaturen einfach ignoriert werden.

Wieso Stress so häufig den Seelen-Frieden überlagert, zum Tode und posthumen Gewichtsverlust führen kann, strukturierte ein anderer Lazarus mit seinem auch heute noch angewendeten Stressmodell:
Der Psychologe Richard Lazarus veröffentlichte es 1986.
Der Anlass, Unsterbliches zu glauben, sorgt hier in Bayern mit den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen kommenden Montag und Dienstag für ein verlängertes Wochenende. Da haben dann wenigstens auch Normalsterbliche etwas von. 

Übrigens: Ganz in der Tradition besucht meine Frau auch heuer wieder mit ihren Geschwistern in der Dämmerung an das geschmückte Familiengrab und zündet ewige Lichter an...


Quelle: t-online.de










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