Mittwoch, 5. April 2017

Obergrenzen

Bis ich zu nah an die Doping-Szene geraten bin, habe ich Menschen, die keine Obergrenzen kennen, sehr bewundert. Das Streben nach Unerreichtem oder vermeintlich Unerreichbarem hat ja auch etwas Heldenhaftes. - Bis einer anfängt, das Tun zu hinterfragen oder gar zu analysieren.

Es liegt in der Natur des Menschen, sich stets verbessern zu wollen und sich nicht mit etwas zufrieden zu geben. Aber irgendwann stellen sich natürliche Grenzen in den Weg. Da trennt sich charakterlich die Spreu vom Weizen.

Da ich fast ausschließlich zurück blicke - und kaum noch voraus oder nach oben, weiß ich, dass ich meine Obergrenze zu früh erreicht habe, während die paar meiner übrig gebliebenen Freunde immer noch irgendwelche Ziele vor Augen haben, um ihr Ego zu füttern.

Am Wochenende haben wir formidabel auf der Garten-Terrasse meines Freundes Ludwig gegessen. Wir hatten uns seit Anfang Januar nicht mehr gesehen, weil das Ehepaar in seinen Siebzigern, um der hiesigen Kälte zu entgehen, zwei Monate beim Golfen in Übersee verbracht hat:

Traum-Villa mit eigenem Boot und Bootssteg. Sie kamen aus dem Schwärmen gar nicht heraus, obwohl ihre Villa hier auch zu den schönsten gehört, die ich kenne. Und auch sonst sind die zwei mit tollen Kindern, Schwiegertöchtern und einer Enkel-Schaar gesegnet, der zum Essen  der Ordnung halber fast Startnummern umgehängt werden müssten. Es fehlt an nichts.

Und doch wurmte Ludwig vor allem, dass seine Nachbarschaft in den USA so viel reicher schien als er es sei. Meinen Einwand, dass er das in der Relation sehen müsse, und wir Merkel hätten und die dafür zur Strafe Trump, ließ er nicht gelten. Die Absurdität des schnellen, vielen Geldes in unserem Land  verglich er mit den riesigen Alt-Vermögen in den USA.

Ludwig hat sich schon immer nach oben orientiert und wird das bis zum letzten Atemzug vermutlich weiter tun. Er könne es sich zum Beispiel schön vorstellen, wenn in Unterpaffenhofen sein Privat-Jet stünde, damit er bei Reisen "nicht mehr anstehen müsse"...

Es ist zwar verrückt, aber ich sehe durchaus einen Bezug zwischen Reichtum und dem Wunsch nach Unsterblichkeit - also einem Leben ohne Obergrenze.

Was veranlasst denn sonst einen vermeintlichen Milliardär über "Pussygrabbing" zu schwadronieren, während er für das mächtigste Amt der Erde kandidierte? Was veranlasst meinen Lieblings-Obergrenzen-Politiker, den Seehofer Horst, nach einem seine Fitness beweisenden  Medizin-Check solchen Geistesgrößen wie Söder. Dobrindt oder Scheuer weiterhin den Zutritt auf den freistaatlichen Thron zu verwehren?

Böse, wer da an Alters-Starrsinn denkt, wo es doch nur die Gewissheit ist, dass Obergrenzen ausschließlich für andere Sterbliche gelten
Mit freundlicher Genehmigung der Salzburger Nachrichten

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