Samstag, 24. Oktober 2015

Wandel durch Annäherung?

Aus dem gestrigen Polit-Barometer erfuhr ich, dass mehr als die Hälfte der Deutschen durch die Flüchtlinge und Asylanten einen gesellschaftlichen Wandel erwarten. Das Ergebnis erscheint mir ein wenig diffus. Die Erwartungen sind ja (ohne Befürchtungen) logisch. Wenn aber mehr als 50 Prozent der Deutschen sich vor diesem Wandel durch die Fremden fürchteten, sollten die Alarmglocken schrillen.

Der gesellschaftliche Wandel ist ja nicht singulär an diesem Thema fest zu machen. Ist es nicht so, dass unsere Gesellschaft auch ohne "das Fremde" im permanenten Wandel begriffen ist? Kassandra-Schreie bewirkten da ja auch kaum etwas?

Nehmen wir allein die elektronische Revolution, die Tele-Kommunikation, das Internet und die damit einher gehenden Überwachungs- und Ausspäh-Möglichkeiten. Trotz aller Warnungen werden Smart-Phones  exzessiv genutzt, wird in Facebook orgiastisch gepostet und getwittert, was das Zeug hält.Oder die Energie-Politik mit oder ohne Atom-Ausstieg

Was wirklich gefürchtet werden muss, ist, dass geschulte Agitatoren und Machtmenschen aus einer Minderheit heraus mit diesen Multiplikations-Mitteln allein Angst vor  nur diesem möglichen Faktor des Wandels schüren.

Als Egon Bahr mitten im Kalten Krieg tantramäßig seinen "Wandel durch Annäherung" forderte, wurde er als verkappter Kommunist diskriminiert. Wie die Mauer dann doch fiel, heimste einer den Titel "Vereinigungs-Kanzler" ein, der aus der Opposition noch gegen den Wandel gewettert hatte.

Wir haben die Wiedervereinigung geschafft, obwohl alle unsere Nachbarn sich das Scheitern beim Meistern dieser Titanen-Aufgabe gewünscht hätten. Deshalb hat die Kanzlerin als Betroffene und hautnahe Zeitzeugin auch das gute Recht zu sagen "wir schaffen das!".

Wenn sich jetzt so viele junge Ostdeutsche unter die alten Stasi-Sturschädel mischen, weil sie irgendwie nicht in dieser Republik angekommen sind und andere dafür verantwortlich machen, dann ist dies ein Beleg dafür, dass manche Menschen es eben lieber haben, wenn Diktatoren ihnen das selbständige Denken abnehmen.

Mag ja sein, dass dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Kameradschaft in der untergegangenen DDR auch heute noch nachgetrauert wird. Aber eben nur, wenn der Kamerad und Nachbar nicht auch als IM gearbeitet hat...

Wer sagt denn, dass (außer den nicht zu verniedlichen Gefahren für die innere Sicherheit in Zeiten des Terrors) nicht auch der Einfluss anders empfindender und denkender Menschen unsere wandelbare Gesellschaft  voran bringen könnte?

Voraussetzung für den Wandel, ist tatsächlich die Annäherung. Als ich noch aktiv in der Sport-Politik war, habe ich jedenfalls niemanden getroffen, der sich über die auf einmal ausgelöste Medaillen-Flut der 90er Jahre beschwert hätte.

Damals haben wir 16 Millionen neue Bundesbürger willkommen geheißen. Diese Willkommens-Kultur stünde uns Wiedervereinigten auch jetzt gut an. Vor allem sollten wir die anderen darüber nicht vergessen, die ebenfalls  und schon lange Zeit vorher zum Aufstieg der Bundesrepublik beigetragen haben

Als die "Zweitbeste" gestern aus der Stadt kam, gab es hier in unserer unmittelbaren griechischen Nachbarschaft eine angemeldete Demonstration. Eigentlich war es ein Demonstratiönchen:
Zwei Kinder trugen je eine griechische und eine deutsche Fahne, hinter denen sich ein kanppes Dutzend Erwachsene aufgemacht hatten.

Da wir Deutsche ja so ein ordnungsliebendes Volk sind, hatte auch diese kleine Gruppen Polizei-Begleitung, beim Verkünden ihrer simplen Forderung.

"Lasst nicht an uns aus, was unsere Politiker verbockt haben!"

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