Sonntag, 24. März 2013

Sorry für die Toten

Als mein Sohn so um die vier Jahre alt war, entspann sich einmal folgender Dialog zwischen uns.
Ich sagte: "Wenn du mir versprichst, dass  du brav bist, darfst du mitkommen."
Darauf er: "Schade, dann kann ich leider nicht mitkommen."
Ich : "Wieso?"
Er: "Weil ich nicht versprechen kann, dass ich brav bin. Was man verspricht, muss man doch halten."

Eine merkwürdig kindliche Konsequenz dachte ich damals: Er bringt nicht den Willen auf, sich mal für ein paar Stunden anständig aufzuführen, aber er hält sein Ehrenwort für derart ehern und unumstößlich, dass er lieber auf eine gemeinsame Unternehmung verzichtet...

Heute nach bald dreißig Jahren weiß ich, dass das damals bereits ein Hinweis auf seinen besonderen Charakter war: Der eher weiche, bisweilen nervig trödelnde Faulpelz wurde immer dann hart wie Granit, wenn er im Recht war und jemand dieses Recht beugen wollte - ob in der Schule oder im familiären Umfeld. Für diese Sturheit oder besser Unbeugsamkeit nahm er Zurücksetzungen, anstrengende Umwege und auch Demütigungen in Kauf. Das änderte nichts daran, dass er jedes Versprechen - auch jene, Ziele zu erreichen - auf seine Weise gehalten hat. Das mit seiner Diplomarbeit wird also wohl auch noch irgendwann klappen.

Ich komme auf diese Eigenschaft zu sprechen, weil ich mir einst in ähnlicher Naivität wünschte, dieser unbeugsame und konsequente Wille zur Gerechtigkeit möge zum Rüstzeug von Menschen gehören, die politische Ämter anstreben. Heute, da ich miterleben muss, wie selbst eine moppelige, freiheitliche Justizministerin unter Koalitionsdruck zum ideologischen Schlangenmenschen mutiert, ist mir natürlich längst klar, das sämtlicher Ethos bereits bei Eintritt - gleichgültig in welche - Partei  in einem gepanzerten Teil der Seele eingelagert werden muss. Sonst reüssiert man eben nicht, und kann auch kein hohes Amt bekleiden. Eine moralische Instanz ist dann allenfalls die historische Interpretation.

Barak Obama,  dem ja sein Friedensnobelpreis bereits auf Versprechungen hin verliehen wurde, hat bis heute das Straflager Guantanamo nicht aufgelöst. Das sollte ja eine seiner ersten Amtshandlungen sein. Im zweiten Amtseid hat er wieder geschworen, die Rechte seiner Mitbürger zu schützen, aber das hindert ihn nicht daran, auch US-Bürger bei Drohnenangriffen ohne Gerichtsverhandlung hinrichten zu lassen. "The Land of  the Feee" klingt seither ein wenig falsch, was aber den Sympathien für den ersten Präsidenten mit afroamerikanischem Hintergrund auch in seiner zweiten Amtsperiode keinen Abbruch tut.

Nun war er an den vergangenen Tagen zu Gast bei einem Amtskollegen, der Unbeugsam auf Angriff gestriegelt ist, und so kürzlich gerade mal auch mit Ach und Krach seine Wiederwahl erreicht hat. Einer der wieder Mauern baut, anstatt sie einzureißen und die längst überkommene Angst vor einem Atomkrieg wieder herauf beschwört. Obama hat Netanjahu dabei  auch geschworen, die Freundschaft  der USA mit Israel quasi um jeden Preis zu verteidigen. Der Blick richtet sich bei solchen Versprechungen in Richtung Iran, dem man ja unterstellt, Atomwaffen haben zu wollen oder bereits zu haben.

Wenn diese Erkenntnis so gesichert ist wie damals bei George W. Bushs Irak-Krieg gegen Saddams "Arms of Mass Destruction", wird es für die übrige Welt wohl bald wieder mal zu Kolateralschäden kommen...

Gut, wenn man da wenigstens die linke Flanke beruhigt. so hat Obama Netanjahu dazu bewegt, sich bei der Türkei, dem NATO-Partner, für die Toten bei der Enterung des zivilen Schiffes mit Gaza-Hilfslieferungen vor zwei Jahren zu entschuldigen. Schon ist das Verhältnis zwischen beiden Staaten wieder verbessert.

Die Entschuldigungen für die bei Bombardements aus Versehen getöteten afghanischen Zivilpersonen waren da aber nicht so wirkungsvoll. Man wird - wenn alle Schutztruppen abgezogen worden sind - feststellen, dass der ganze Blutzoll am Hindukusch wieder nichts bewirkt hat, außer vermehrt Hass und Instabilität zu erzeugen.

Vielleicht sollten die Schutzmächte in Zukunft nur noch Truppen mitnehmen, die versprechen, brav zu sein. Und wenn sie das nicht versprechen können, sollten sie zumindest so tapfer sein, daheim zu bleiben.

Sorry für die Toten!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen