Donnerstag, 2. Mai 2024

Katechismus des Kalifats

Quelle: RND
Houellebecq ist als Autor deutlich
erfolgreicher, denn als Sympathie-Träger
Kaum einer wird sich noch an die Skandale erinnern, die der französische Kult-Schriftsteller  Michel Houellebecq vor bald zehn Jahren provoziert hat. Nicht zum ersten Mal, aber dafür in eine Zielrichtung, in der die Empörung und der Erfolg des Buches quasi Garantie war. Was Salman Rushdie mit seinen "The Satanic Verses" in seinem subtil verklausulierten Roman 1988 begann und was ihm die weltweite Fatwa, den Tötungsauftrag der Ayatollahs, einbrachte, toppte Houellebecq mit dem Erscheinen seines Buches "Unterwerfung" (Soumission).

Quelle: Stern
Die Fatwa gegen ihn ist nicht
aufgehoben. Bislang holten
sich die Ayatollahs "nur" sein rechtes Auge

Vorweg meine ganz persönliche Einschätzung als gelernter Buchhändler, die mich - Stand heute - umdenken lässt. Der auf Réunion geborene Michel Thomas firmiert als Schriftsteller unter dem Familiennamen seiner Großmutter und ahnt bald, dass er nur durch provokante Themen zu Bestsellern kommt. Er ist gut darin, ernste Anliegen unserer Zeit in Orgien der Gewalt, angereichert mit detailliert geschilderter Sexualität anzureichern. Seine Titel sind darauf angelegt, bei Lesern ein Unbehagen zu erzeugen, über das sie unbedingt reden möchten. Bis zum vergangenen Wochenende blieb ich standhaft bei meiner Einschätzung, er sei ein "Literatur-Pornograph".

Quelle: Stern
Zwar mit Migrations-Hintergrund als freie Deutsche Bürger geboren,
treibt sie die Sehnsucht nach einem Kalifat auf die Straße

Aber nachdem ich aus den Nachrichten von dieser schrecklichen Kalifat-Demo im Hamburger Stadtteil St. Georg sah und hörte, musste ich unbedingt noch einmal in meinen Daten kramen. Vermutlich war ich damals einer der Wenigen, die nicht tolerant genug waren, um das Machwerk nicht zu verabscheuen. Ich stellte mir die Frage: Was, wenn tatsächlich unsere Gesellschaft islamisiert würde und charismatische Führer unsere so empfindlichen Demokratien in Richtung Kalifat umpolten. Alles auf der Welt hatte sich doch durch "Nine Eleven"  so dramatisch verändert.

Ich habe in den 1980ern eine ausführliche Reportage in Wort und Bild über das Französischen  Übersee-Département La Réunion veröffentlicht. Abgesehen von der permanenten Bedrohung durch Vulkan-Ausbrüche erschien mir dieses friedliche Konglomerat aus allen entspannt miteinander umgehenden Welt-Religionen als Muster für die "Insel der Glückseligkeit". Einer der dort so aufgewachsen ist, kann doch beim Schreiben keine derartige Radikalität entwickeln. Aber was weiß ich schon über die Kulturschocks, die einem die Multikulti-Viertel von Paris versetzen können. Ich erlebte die Metropole ja nur im Zentrum als meine Lieblingsstadt.

Ganz wollte ich die "Unterwerfung" nicht noch einmal lesen, aber ein guter Exzerpt reichte mir, um zusammen mit den Meinungen und Analysen zu der Demo in St. Georg zu einer völlig neuen Einschätzung zu kommen. Ist es nicht tatsächlich so, dass dieser liederlich  und unsympathisch auftretende Houellebecq mit seherischer Gabe eine Anleitung, gewissermaßen einen Katechismus, zur schematischen Islamisierung einer Demokratie bis hin zum Kalifat verfasst hat?

Hier eine Zitat aus Wikipedia:

Die Handlung spielt im Jahr 2022 in Frankreich. Ein charismatischer muslimischer Politiker, Mohamed Ben Abbes, schart immer mehr Wähler um sich. Die sozialistische Partei (PS) und die Konservativen gehen ein Bündnis mit Ben Abbes ein, um den Aufstieg des rechten Front National (FN) unter Marine Le Pen zu verhindern. Ben Abbes wird Staatspräsident, ändert die laizistische Verfassung, führt die Theokratie, die Scharia, das Patriarchat und die Polygamie ein.[4]

Hauptfigur und Erzähler François ist ein Literaturwissenschaftler Mitte vierzig, Trinker und frühzeitig gealtert. Er hat über den Autor Joris-Karl Huysmans promoviert und publiziert, und er lehrt an einer Pariser Universität. Seine Beziehungen zu wesentlich jüngeren Frauen, meist Studentinnen, sind regelmäßig auf ein Jahr befristet, dann verlassen sie ihn mit der Erklärung, „jemanden getroffen“ zu haben. Trifft er sie später einmal wieder, stellt er regelmäßig fest, dass sie gealtert und vereinsamt sind. Als die Romanhandlung einsetzt, ist François gerade wieder Single, hat aber noch losen Kontakt zu seiner Exfreundin Myriam. Diese teilt ihm allerdings mit, dass ihre Familie angesichts der Ereignisse in Frankreich nach Israel auswandern wird. https://www.google.com/search?gs_ssp=eJzj4tbP1TcwNMo1LbYwNGD04inNK0ktKk8tSivNSwcAargIpQ&q=unterwerfung&rlz=1C1VDKB_deDE1082DE1082&oq=Unterwerfung&gs_lcrp=EgZjaHJvbWUqEAgCEC4YgwEY1AIYsQMYgAQyEAgAEC4YgwEY1AIYsQMYgAQyEggBEEUYORiDARjjAhixAxiABDIQCAIQLhiDARjUAhixAxiABDIHCAMQABiABDIHCAQQABiABDIMCAUQABgUGIcCGIAEMgcIBhAAGIAEMgYIBxBFGEHSAQkxNzAzNGowajeoAgCwAgA&sourceid=chrome&ie=UTF-8

Während der Nachrichten meinte meine Frau wutschnaubend, "dann müssen die halt alle raus, oder sie schwören explizit auf unsere Verfassung."

Dass sie dabei mitten hinein in die Programmatik der AfD geriet, merkte sie erst einen Moment später. Tatsächlich ist, ein Kalifat anstelle der Demokratie zu fordern, allein noch nicht strafbar und verfassungswidrig und obliegt der freien Meinungsäußerung. Und derartige Krakeeler auszuweisen, scheiterte bei den meisten dieser Teilnehmer allein schon daran, dass es sich um in Deutschland geborene, unzufriedene Jungwähler handelt, die unter anderem Angst vorm weiteren Erstarken der Rechtsnationalen haben.

Es bringt auch nichts, die Ursachen weiterhin auf die Bildungs-Mangeljahre während der Pandemie zu schieben. Neben dem desolaten Zustand unserer Schulen ist vor allem der Mangel an Vermittlung neutraler politischer Bildung evident. Wenn Religionen derartige "Sprengsätze" enthalten, müssen die Lehrpläne - zumindest an weiterführenden Schulen - um allgemeine Religionswissenschaften als Hauptfach ergänzt werden. Dass Laizismus auf Dauer vor falschen Auslegungen nicht schützt, erlebt die Welt ja gerade an den Beispielen Frankreich und Türkei. Es erstaunt mich immer wieder, dass ausgerechnet die mit einer gesicherten Staatsbürgerschaft ausgestatteten Kinder von Migranten aus Regionen mit unterschiedlichsten Interpretationen des Korans - wie Palestina, Syrien, Irak, Afghanistan Pakistan und Persien - zu einer besonderen Radikalität neigen.


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