Sonntag, 12. Mai 2024

Noch ein später Protest gegen den ESC

Quelle: Eurovision

Erstmals in den letzten Jahren, in denen die deutschen Beiträge mit "Sero points" aus dem Song-Wettbewerb ESC schieden, hat mir der Titel, mit dem Isaak antrat, wirklich gut gefallen. Platz 12 geht, denke ich, voll in Ordnung!

Dass es den Veranstaltern in diesen zerrissenen Zeiten nicht gelungen ist, die Politik und die Proteste fern zu halten, muss man den Schweden auch nicht ankreiden. Aber wenn die Zeiten schon so brisant sind, wieso werden die Auftritte immer explosiver. Vor lauter Licht- und Sound-Effekten ist ja bald von den Stimmen unverfälscht nichts mehr zu hören. Dass die Vielfältigkeit des menschlichen Wesens durch die Interpreten und ihre Texte gefeiert wird, ist ein echter Zugewinn; auch, dass sie sich zugehörig finden. Aber wieso dann noch, die zum Teil den guten Geschmack beanspruchenden Begleitgruppen, wenn die Darstellenden schon aussehen, wie Wesen vom anderen Stern.

Quelle: Eurovision

Leider ist der ESC zu einer Freak-Show verkommen, in dem es scheint je freakiger der Auftritt, desto sicherer der Erfolg. Als der Wettbewerb noch "Grand Prix Eurovision de la Chanson" hieß,  war er noch Sprungbrett für Weltkarrieren wie beispielsweise Udo Jürgens, ABBA oder Céline Dion. Wer aus der ersten Reihe der angesagtesten Sänger und Sängerinnen würde heute noch einen Auftritt beim ESC in Erwägung ziehen, um nicht zu sagen riskieren? Dass der ESC die Showeffekte der Tournee-Superstars gerne nachahmt, rückt die künstlerische Leistung - so überhaupt hörbar - derart in den Hintergrund, dass man sie meist nach dem Wettbewerb nie mehr hört.

Die Daten, die mein Streaming-Dienst durch mein Hörverhalten sammelt, beschert mir regelmäßig einen "Mix der Woche". Jeder Song auf ihr ist tausendmal besser als das am Samstag Gehörte. Wieso erreicht der ESC nicht annähernd dieses aktuelle Niveau? Da ich aber auch Rundfunk- und TV-Gebühren sowohl hier als auch in Italien entrichte, habe ich mir ein Recht erworben, auf Rückbesinnung zu bestehen. Auch wenn ich nicht erhört werde, weil ich ja gar nicht mehr in die  Altersgruppe passe, die der Kommerz verlangt. Der auf fast eine Woche ausgedehnte Wettbewerb ist eine Jahrmarkt er Eitelkeit und eine Geldmaschine geworden : 

Ich fordere, die Interpreten nicht mehr "kostümiert" und ohne Begleitballett auftreten zu lassen. Ich möchte Personalität  und ihr Stimmvermögen spüren können. Ich wäre erfreut, wenn Komponisten und instrumentale Begleiter auch wieder mehr in den Vordergrund rückten. 25 in der Endausscheidung waren für mein altes Hirn zumindest schon viel zu viel. Wie soll man bei all dem Getöse denn dann die Titel noch auseinander halten können? Ich zumindest habe kurz nach der Hälfte mit dem Zappen aufgehört und lieber dem DEB-Eishockey-WM-Team beim Verlieren gegen die USA zugeschaut.

Quelle: Sketchfab
So könnte die Nautilus ausgesehen haben, die
Jules Verne für seinen Roman "20.000 Meilen unter dem Meer"
ersonnen hat
Gestern habe ich dann gehört, dass der Schweizer Beitrag des binären "Nemo" gewonnen hat. Da klackerte es dann in meinem verstaubten Marketing-Hirn. Der Name allein ist ja schon Brückenschlag zwischen Alt und Jung: Nemo der Kapitän des U-Boots Nautilus in Jules Vernes Roman und der Clownfisch gleichen Namens im Animations-Film von 2003. Letzterer hatte bei der heutigen Kern-Zielgruppe damals einen Weltweiten Run auf die Aquarium-Geschäfte ausgelöst. Jeder wollte einen Nemo daheim haben. Bezeichnender Weise bedeutet Nemo aus dem Lateinischen übersetzt "niemand". 
Ich erlaube mir daher die Weissagung, dass der ESC-Sieger 2024 keinen musikalischen "Halbzeitwert" haben wird und der Wettbewerb insgesamt - wenn er weiter so kommerzialisiert wird - noch zu meinen Lebzeiten implodiert. Aber was weiß denn schon ein alter "Niemand" wie ich? Mit diesem Post mache ich (im Sternzeichen Fische geboren) mich wohl eher zu einem aus der Zeit gefallenen "Clownfisch".

Quelle: Disney Pixar
Ja, wie fandet ihr denn - liebe Leserinnen und Leser -
den singenden Clownfisch?


Donnerstag, 9. Mai 2024

Wird Pistorius zum Dajan?

Neues vom "finstersten Spekulanten"

Wenn heute jeder
Hinterbänkler zu Kriegen
wilde Spekulationen
in den Äther
schicken kann, dann
will der Blogger
fortan nicht hintanstehen.
Hier meine neues
Paint-Kolumnen Icon
Nur die Älteren werden sich gerade in diesen unseligen Tagen an den Mann mit der Augenklappe erinnern:  Mosche Dajan, https://de.wikipedia.org/wiki/Mosche_Dajan
Generalstabschef der Israelischen Armee, Held des Sechstage- und beinahe Verlierer des Jom-Kippur-Krieges, Verteidigungsminister und später gescheiterter Oppositions-Politiker könnte ein Beispiel dafür sein, wie sehr Kriegshelden als Politiker  in Friedenszeiten verblassen. Locker angefangen bei Cesar über Churchill bis hin zum Oberkommandeur der Alliierten im WKII, Eisenhower.

In Kriegszeiten gewinnen Verteidigungs-Politiker gerne ein überhöhtes Ansehen beim verängstigten Volk. Seit dem Ampel-Regierungs- und fast gleichzeitigen Beginn des Ukraine-Krieges ist nur ein Minister im permanenten Plus der Sympathie-Werte. Und das ist Boris Pistorius, der Bundesminister für Verteidigung. Er versichert durch seine Sachkenntnis, Hartnäckigkeit und präzise Rhetorik. Dass sich der Kanzler noch zu Friedenszeiten (!) einen derartigen, personellen  Fehlgriff wie Christine Lambrecht geleistet hat, beflügelt bei den Feinden von Olaf Scholz den Verdacht, er hätte einen starken Mann an seiner Seite verhindern wollen. Tatsächlich hinterlässt er ja immer wieder den Eindruck, es falle ihm schwer, seine Politik zu erläutern, während Pistorius mit klarer Kante tatkräftig im Vormarsch erscheint. Vermutlich hinkt mein Vergleich mit dem Verhältnis von Dajan zur Premierministerin Golda Meir. Aber er verdeutlicht zumindest die Probleme, denen sich eine Regierung in Reaktion auf die Aktion ihrer Speerspitze humanitär stellen muss.
Quelle: Jüdische Rundschau
Israels Premierministerin Gold Meir
mit ihrem sperrigen Feldherrn:
Ein zwiespältiges Gespann dem Überleben
Israels verpflichtet


Die Spekulationen, denke ich, die sich aus der Arbeit von Pistorius hinter dem Rücken des Kanzlers ergeben, sind folgende:
1. Bei der nächsten Wahl ist der Krieg in der Ukraine noch nicht zu ende. Dann muss es für die Sicherheit unseres Lande wieder eine Koalition aus CDU/CSU/SPD geben. Das wäre das Ende von Kanzler Scholz, aber eröffnet die Perspektive, dass Pistorius Verteidigungsminister bleibt, und -wie er bereits formuliert hat - den Umbau der Bundeswehr gerne noch abschließen könnte.
2. Stand heute scheint ein Weiterregieren der Ampel unwahrscheinlich. - Es sei denn, der Krieg endete noch in dieser Legislaturperiode, die AfD erhielte den verdienten Denkzettel und die Grünen erstarkten wieder.
3. Pistorius wird Kanzler-Kandidat und befreit damit die SPD derart aus dem Meinungstief, dass auch die Grünen mitgezogen werde. Eine nochmalige Koalition mit der FDP - sollte sie die Fünf-Prozent-Hürde denn überspringen - wird sich wohl keine Partei mehr antun wollen...
Quelle: Südkurier
Dass ausgerechnet die oppositionsnahen Medien
 die K-Frage mit Pistorius jetzt schon "ins Feld führen"
ist nichts als Kalkül, um die Ampel vorzeitig zum Scheitern zu bringen.
Die nächste reguläre Bundestagswahl
wäre voraussichtlich im September 2025


Mittwoch, 8. Mai 2024

Wenn die Rechte zuschlägt

 

Quelle: Kölner Stadtanzeiger
Matthias Ecke: Ein eingeschlagenes Jochbein
und ein Bruch in der Augenhöhle. 
Eine Notoperation war nötig, weil
rechtsverblendete Jugendliche
ihr Mütchen an ihm  kühlen wollten
Wenn einem die Meinung eines anderen nicht passt, darf das nicht dazu führen, handgreiflich zu werden. Mit Entsetzen habe ich vor ein paar Tagen ein Video aus dem Georgischen Parlament gesehen, in dem ein Abgeordneter auf einen anderen in extrem brutaler Weise eindrischt. 
https://www.youtube.com/watch?v=gFXgkq9WrZc. 
Irgendwie war ich erleichtert, dass Deutschland noch nicht so verkommen ist, dass wir uns handgreiflich gegen Putins Infiltration in unserem doch mehrheitlich friedlichen Zusammenleben, wehren zu müssten. Aber dann der Angriff auf den SPD-Kandidaten fürs Europa-Parlament, Matthias Ecke: Vier Jugendliche, die in Vorermittlungen bereits als vom äußersten, rechten Rand beeinflusst gelten, schlagen den Mann beim Anbringen von Wahlplakaten krankenhausreif.

Quelle: Jüdische Allgemeine
Margot Friedländer bei der Gals zur Verleihung
des Filmpreises Lola
Am selben Tag sagte die 103jährige, KZ-Überlebende Margot Friedländer, die immer noch täglich gegen das Vergessen des Holokaust auftritt: "So hat das damals auch angefangen.."

Wer meine Posts schon länger liest, weiß, wie sehr ich befürchte, dass die "Sozialen Medien" vor allem zum Ansporn rechter Umtriebe missbraucht werden. Dass der braune Sumpf nicht nur bei uns, sondern konzertiert von der ganzen Europäischen Union aus schon bis jenseits der Weltmeere schwappt, zeigt dass Putin einen starken, rechten Propaganda-Haken schlägt. Dabei verunglimpft und bezichtig er, der Ober-Faschist, alle - nicht nur in der Ukraine - von Nazis unterwandert zu sein, während die Verfassungsschützer allenthalben die Arbeit seiner "Trolle" und den Fluss der Geldströme zu diesem Zweck aufdecken und zurück verfolgen.

Wenn das Geld in entsprechenden Kanäle der mit den Russen liebäugelnden Parteien fließt, haben demokratisch denkende Menschen eigentlich nur die Macht, genau hinzuschauen und sie dann eben nicht zu wählen. Wenn Prügel-Trupps - wie weiland in Deutschland und Italien - erst einmal mit Knüppeln oder schlimmeren durch die Straßen fegen, wäre es jedenfalls trotz aller Aufklärung zu spät.

Quelle: NS-Zeit-Hanover.de
Wenn sie sich erst wieder feige in Prügeltrupps "aufmandeln",
ist das Volk  durch diese Einschüchterung schon von selbst "völkisch"


Montag, 6. Mai 2024

Was, wenn die Medaille keine Kehrseite hat?

 Wir Deutschen haben es in diesen Tagen wieder einmal nicht leicht. Wir können für die Vereinfachung einer Entscheidung zur Parteinahme zwischen Israel und Palästina ja nicht einfach eine Medaille in die Luft zwirbeln, um dann zu schauen, welche Seite oben liegt. Die Militärs um General Edward Allenby haben nach dem Zweiten Weltkrieg mit wenig diplomatischen Fingerspitzengefühl  einfach mit dem Lineal eine Region für die verfolgten, vertriebenen und überlebenden Juden "abgezirkelt", auf die auch durch Besiedelung seit Jahrhunderten arabischstämmige Sippen (und auch Altchristen) ein Anrecht gehabt hätten.

Quelle: Freepik

Genau genommen werden die Letzteren erst seit 1974 von der UNO weltweit und dann auch von den Deutschen Behörden zur Abgrenzung von den "Israelis" als "Palästinenser" bezeichnet. Hat die Politik damals in einem verklausulierte Antisemitismus wirklich daran gezweifelt, dass Juden in der  Lage seien, gegen die Übermacht sie umzingelnder Feind, einen wehrhaften und zum Überleben fähigen Staat zu manifestieren? Dass die meisten der ehemaligen Alliierten heute für eine Zweistaaten-Lösung für Palästina sind, ist die Erkenntnis, dass diese radikale Schaffung "palästinensischer Verhältnisse" ein Fehler - wenn nicht gar - Unrecht war.

Wer in einem "gepamperten" Nachkriegs-Westdeutschland aufwuchs, dass aus eigener Kraft und ohne Blutvergießen die Wiedervereinigung schaffte, war quasi vom Gewissen her gezwungen, ohne Vorbehalte für den Staat Israel zu sein. Damit hatten sich die Westdeutschen  gewissermaßen auf das Narrativ des Ostblocks eingelassen: Alle Nazis seien ausschließlich aus der neune Bundesrepublik entsprungen, während es die im glorreichen Siegernimbus des kommunistischen Ostens offenbar gar nicht gegeben hatte.

Quelle: Freepik
Die Diskussion dreht sich bei der Frage nach der Schuld oder Unschuld
immer darum, wer überhaupt angefangen und wer dann als Antwort härter zugeschlagen hat.
Arafat und Begin - was hat denn  der ihnen verliehene Friedensnobelpreis
dauerhaft für ein befriedetes "Palästina" bewirkt?

Heute sind jedoch ausgerechnet diese ehemals "Neuen Bundesländer" die Impulsgeber für Neonazis und Antisemiten. Denn in Wahrheit hatten diese dort ungestört die Möglichkeit im braunen Untergrundsumpf Netzwerke zu flechten und Hass zu schüren. Denn es gab ja von der DDR-Staatsraison her hinter der Mauer gar keine Nazis mehr.

Jetzt, in dieser weltweit instabilen Situation, ist es für alle Radikalinskis ein leichtes Spiel, die Konzentration der Regierungen auf andere Gefahren zu nutzen, um die "Achillesfersen von Demokratien" anzugreifen. Und was, wird dabei offenbar?

Die Medaille der Freiheit hat keine Kehrseite: Die "Bildseite" zeigt uns wie das "Revers" Wahrheit und Lügen gleichermaßen. Das Pro und das Contra erreicht uns mit den selben gültigen nur umgedrehten Argumenten.   Es kommt dabei nur darauf an welche Perspektive für die andere Sichtweise gewählt wird. Denn was man auch versucht, diese Medaille ist nicht in der Lage, so stabil auf ihrer "Rändelung" zu stehen, dass man beide Seiten gleichzeitig neutral erörtern könnte. Das  macht  es allen Beteiligten eigentlich unmöglich, zu tragfähigen Kompromissen zu kommen:

Propalästinensisch und antiisraelisch zu sein, ist allerdings nach BGB nur so lange einem freien Denken geschuldet, wie es in unserem Land die Verfassung nicht verletzt oder die Grenzen zur Gewalt beziehungsweise Ehrabschneidung nicht überschreitet. Daher muss für alle Deutsche Bildungsanstalten unbedingt ein verschärftes "Hausrecht" verabschiedet werden: Beim ersten Verstoß - Abmahnung. Beim Zweiten - folgt unwiderruflich Exmatrikulation oder Verweis.

Quelle: www.zdf.der
Wer glaubt denn ernsthaft, es gäbe nach all dem Blutvergießen und den Zerstörungen
überhaupt noch einen Frieden, in dem nicht die nächste,
gezielte Provokation einen neuen Krieg auslöst



Donnerstag, 2. Mai 2024

Katechismus des Kalifats

Quelle: RND
Houellebecq ist als Autor deutlich
erfolgreicher, denn als Sympathie-Träger
Kaum einer wird sich noch an die Skandale erinnern, die der französische Kult-Schriftsteller  Michel Houellebecq vor bald zehn Jahren provoziert hat. Nicht zum ersten Mal, aber dafür in eine Zielrichtung, in der die Empörung und der Erfolg des Buches quasi Garantie war. Was Salman Rushdie mit seinen "The Satanic Verses" in seinem subtil verklausulierten Roman 1988 begann und was ihm die weltweite Fatwa, den Tötungsauftrag der Ayatollahs, einbrachte, toppte Houellebecq mit dem Erscheinen seines Buches "Unterwerfung" (Soumission).

Quelle: Stern
Die Fatwa gegen ihn ist nicht
aufgehoben. Bislang holten
sich die Ayatollahs "nur" sein rechtes Auge

Vorweg meine ganz persönliche Einschätzung als gelernter Buchhändler, die mich - Stand heute - umdenken lässt. Der auf Réunion geborene Michel Thomas firmiert als Schriftsteller unter dem Familiennamen seiner Großmutter und ahnt bald, dass er nur durch provokante Themen zu Bestsellern kommt. Er ist gut darin, ernste Anliegen unserer Zeit in Orgien der Gewalt, angereichert mit detailliert geschilderter Sexualität anzureichern. Seine Titel sind darauf angelegt, bei Lesern ein Unbehagen zu erzeugen, über das sie unbedingt reden möchten. Bis zum vergangenen Wochenende blieb ich standhaft bei meiner Einschätzung, er sei ein "Literatur-Pornograph".

Quelle: Stern
Zwar mit Migrations-Hintergrund als freie Deutsche Bürger geboren,
treibt sie die Sehnsucht nach einem Kalifat auf die Straße

Aber nachdem ich aus den Nachrichten von dieser schrecklichen Kalifat-Demo im Hamburger Stadtteil St. Georg sah und hörte, musste ich unbedingt noch einmal in meinen Daten kramen. Vermutlich war ich damals einer der Wenigen, die nicht tolerant genug waren, um das Machwerk nicht zu verabscheuen. Ich stellte mir die Frage: Was, wenn tatsächlich unsere Gesellschaft islamisiert würde und charismatische Führer unsere so empfindlichen Demokratien in Richtung Kalifat umpolten. Alles auf der Welt hatte sich doch durch "Nine Eleven"  so dramatisch verändert.

Ich habe in den 1980ern eine ausführliche Reportage in Wort und Bild über das Französischen  Übersee-Département La Réunion veröffentlicht. Abgesehen von der permanenten Bedrohung durch Vulkan-Ausbrüche erschien mir dieses friedliche Konglomerat aus allen entspannt miteinander umgehenden Welt-Religionen als Muster für die "Insel der Glückseligkeit". Einer der dort so aufgewachsen ist, kann doch beim Schreiben keine derartige Radikalität entwickeln. Aber was weiß ich schon über die Kulturschocks, die einem die Multikulti-Viertel von Paris versetzen können. Ich erlebte die Metropole ja nur im Zentrum als meine Lieblingsstadt.

Ganz wollte ich die "Unterwerfung" nicht noch einmal lesen, aber ein guter Exzerpt reichte mir, um zusammen mit den Meinungen und Analysen zu der Demo in St. Georg zu einer völlig neuen Einschätzung zu kommen. Ist es nicht tatsächlich so, dass dieser liederlich  und unsympathisch auftretende Houellebecq mit seherischer Gabe eine Anleitung, gewissermaßen einen Katechismus, zur schematischen Islamisierung einer Demokratie bis hin zum Kalifat verfasst hat?

Hier eine Zitat aus Wikipedia:

Die Handlung spielt im Jahr 2022 in Frankreich. Ein charismatischer muslimischer Politiker, Mohamed Ben Abbes, schart immer mehr Wähler um sich. Die sozialistische Partei (PS) und die Konservativen gehen ein Bündnis mit Ben Abbes ein, um den Aufstieg des rechten Front National (FN) unter Marine Le Pen zu verhindern. Ben Abbes wird Staatspräsident, ändert die laizistische Verfassung, führt die Theokratie, die Scharia, das Patriarchat und die Polygamie ein.[4]

Hauptfigur und Erzähler François ist ein Literaturwissenschaftler Mitte vierzig, Trinker und frühzeitig gealtert. Er hat über den Autor Joris-Karl Huysmans promoviert und publiziert, und er lehrt an einer Pariser Universität. Seine Beziehungen zu wesentlich jüngeren Frauen, meist Studentinnen, sind regelmäßig auf ein Jahr befristet, dann verlassen sie ihn mit der Erklärung, „jemanden getroffen“ zu haben. Trifft er sie später einmal wieder, stellt er regelmäßig fest, dass sie gealtert und vereinsamt sind. Als die Romanhandlung einsetzt, ist François gerade wieder Single, hat aber noch losen Kontakt zu seiner Exfreundin Myriam. Diese teilt ihm allerdings mit, dass ihre Familie angesichts der Ereignisse in Frankreich nach Israel auswandern wird. https://www.google.com/search?gs_ssp=eJzj4tbP1TcwNMo1LbYwNGD04inNK0ktKk8tSivNSwcAargIpQ&q=unterwerfung&rlz=1C1VDKB_deDE1082DE1082&oq=Unterwerfung&gs_lcrp=EgZjaHJvbWUqEAgCEC4YgwEY1AIYsQMYgAQyEAgAEC4YgwEY1AIYsQMYgAQyEggBEEUYORiDARjjAhixAxiABDIQCAIQLhiDARjUAhixAxiABDIHCAMQABiABDIHCAQQABiABDIMCAUQABgUGIcCGIAEMgcIBhAAGIAEMgYIBxBFGEHSAQkxNzAzNGowajeoAgCwAgA&sourceid=chrome&ie=UTF-8

Während der Nachrichten meinte meine Frau wutschnaubend, "dann müssen die halt alle raus, oder sie schwören explizit auf unsere Verfassung."

Dass sie dabei mitten hinein in die Programmatik der AfD geriet, merkte sie erst einen Moment später. Tatsächlich ist, ein Kalifat anstelle der Demokratie zu fordern, allein noch nicht strafbar und verfassungswidrig und obliegt der freien Meinungsäußerung. Und derartige Krakeeler auszuweisen, scheiterte bei den meisten dieser Teilnehmer allein schon daran, dass es sich um in Deutschland geborene, unzufriedene Jungwähler handelt, die unter anderem Angst vorm weiteren Erstarken der Rechtsnationalen haben.

Es bringt auch nichts, die Ursachen weiterhin auf die Bildungs-Mangeljahre während der Pandemie zu schieben. Neben dem desolaten Zustand unserer Schulen ist vor allem der Mangel an Vermittlung neutraler politischer Bildung evident. Wenn Religionen derartige "Sprengsätze" enthalten, müssen die Lehrpläne - zumindest an weiterführenden Schulen - um allgemeine Religionswissenschaften als Hauptfach ergänzt werden. Dass Laizismus auf Dauer vor falschen Auslegungen nicht schützt, erlebt die Welt ja gerade an den Beispielen Frankreich und Türkei. Es erstaunt mich immer wieder, dass ausgerechnet die mit einer gesicherten Staatsbürgerschaft ausgestatteten Kinder von Migranten aus Regionen mit unterschiedlichsten Interpretationen des Korans - wie Palestina, Syrien, Irak, Afghanistan Pakistan und Persien - zu einer besonderen Radikalität neigen.


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Dienstag, 30. April 2024

Kindermund tut Spionage kund

Fortsetzung vom 28. April:

Das von Spionage umwobene "Dienstreihenhaus"
in München-Bogenhausen

Markus Wolf 2006 in einem 
denkwürdigen Interview mit dem WDR
 Ist es statthaft erfolgreiche Spione als Helden zu feiern? Am Leipziger Platz 9 in Berlin können Interessierte das "Deutsche Spionage-Museum" besuchen, wo die Helden der Schattenwelt ausführlich dokumentiert werden. An der Schnittstelle des Kalten Krieges hing doch der Status des geteilten Berlin nicht selten mit der Gefahr eines unmittelbaren atomaren, Dritten Weltkrieges zusammen. Als Guillaume seinen Kanzler verriet, war das spionagetechnisch die absolute Meisterleistung. Der Architekt der DDR-Auslandsspionage war Markus Wolf, ein eloquenter Intellektueller, mit der schriftstellerischen Begabung seines Vaters und einem Talent für den Rundfunk ausgestattet. Als linientreuer Kommunist war er der Gegenspieler des ranghohen Nazi-Offiziers Reinhard Gehlen, der die westdeutschen Geheimdienste strukturierte und koordinierte. An beiden Personalien wird die Absurdität dieses Berufszweiges besonders deutlich. Verrat als Arbeitsmodell wurde auf der ganzen Welt meist mit dem Tode bestraft. Reinhard Gehlen konnte mit dem Segen der Alliierten gleich effektiv für den  Westen weiter machen, während Markus Wolf sich nach dem Fall der Mauer und einer Odyssee durch den Ostblock von Glasnost und Perestroika in die Arme der wieder vereinten Deutschen Justiz getrieben fühlte. Die verurteilte ihn 1993 zu nur sechs Jahren, was Gehlen vermutlich in seinem Grab hätte rotieren lassen. Der  bereits 70jährige musste keinen Tag einsitzen. Er verstarb mit 83 Jahren friedlich in der Bundeshauptstadt (!) Schon 1995 war aber die Grundsatzentscheidung schon gefallen, DDR-Spione nicht länger strafrechtlich zu verfolgen...

So glücklich und dankbar ich als Niemand der Zeitläufte heute bin, das alles noch erlebt zu haben.  Ich muss doch noch davon erzählen, wie es in den 50er und 60er Jahren - ja bis hinein in in meinen Reporterjahre war, mit der Angst zu leben, bespitzelt zu werden.

Ob zu fünft im Käfer durch den eigentlich
damals noch gesperrten  Balkan, Ob zu viert
in die Türkei und nach Persien: Der kleine,
blonde Spion schnappte immer auf, was er nicht hören sollte
Lektion 3: Trotz seines Status als bedingter Geheimnisträger und trotz der Nachbarschaft ließ sich mein Vater nie von seinen damals noch abenteuerlichen Reiseplänen samt Familie abbringen. Schon 1956 ging es minutiös geplant, damals noch von Hamburg aus, in die Türkei, vier Jahre später sogar bis nach (ehemals) Persien. 1964 in die damalige Tschechoslowakei. Diese Reisen mussten angemeldet und genehmigt werden, was zu bizarren Begegnungen aber auch lebenslangen Bekanntschaften in Ländern führte, zu denen es ansonsten keinen Kontakt gab.
So speiste die gesamte Familie in Sofia, der Hauptstadt des streng stalinistischen  Bulgarien (durch das wir nur in von Militärs bewachten Konvois fahren durften) beim Amerikanischen Konsul. In Istanbul erwartete uns bei der ersten Reise ein "alter Bekannter" im Hotel. Beim zweiten Aufenthalt waren wir zu Gast in der Familie eines Hochrangigen Türkischen Verbindungs-Offiziers zur NATO.  Auf der Rückreise wurde mein Vater in Ankara auf der Botschaft getadelt, weil wir ein paar Tage hinter dem von ihm eingereichten Zeitplan her hinkten.
Erst als es nach meiner Konfirmation im Frühling nach Prag ging, machte ich mir erstmals  einen Reim auf die Zufälligkeit solcher Begegnungen. Ich war auf der Kleinseite an der Moldau unter blühenden Bäumen zum Fotografieren mit meiner neuen Kamera unterwegs. Da war ich noch ein Fan selbst entwickelter Schwarzweiß-Fotografie und schraubte daher ständig für weitere Aufnahmen an der Belichtung herum. Ein älterer Herr äußerst gepflegter Erscheinung sprach mich von hinten in einem Deutsch an, das Robert Musil vermutlich als kakanisch beschrieben hätte. - Jahrzehnte später hätte ich die einkreisenden Fragen, die er mir stellte, sofort einordnen können. Er erzählte über sich, um dann blitzschnell offenbar aus einem speziellen Wissen heraus, Fragen zu Details unserer Reise zu stellen, die ich aber zuvor gewiss nicht preisgegeben hatte. War er nun Freund oder Feind gewesen? Ich traute mich nicht, meinen Eltern von dieser Begegnung zu erzählen. aus Angst ich könnte etwas unbewusst verraten haben. Oder hatte er mir in Kenntnis von der Stellung meines Vaters Hinweise auf den sich anbahnenden politischen "Prager Frühling" gegeben. Es war jedenfalls der Beginn meiner latenten Paranoia, denn kaum zuhause angekommen, bombardierten mich auch die Eltern meiner Spielgefährten mit Fragen über Prag und das, was ich sonst noch im Land gesehen hätte.

Lektion 4: Die Häuser-Reihe uns gegenüber jenseits der großen Spielwiese  wurde direkt neben  den beiden Häusern des Konsuls von einem US-Spitzenagenten bewohnt, der durch eine Serie einer deutschen Illustrierten öffentliche Berühmtheit erlangte. Der in Deutschland geborene und als Jude noch rechtzeitig 1938 emigrierte Nachrichten-Offizier war mit der "Operation  Greenup" beauftragt worden. Mit seinen Kameraden, die allesamt per Fallschirm in den winterlichen Ötztaler Alpen abgesetzt worden waren, sollte er Bahnlinien zerstören, den Bau von Hitlers "Alpenfestung" behindern und gegebenen Falles dort festgehaltene prominente Geiseln befreien. Tatsächlich gelang es ihm noch, nachdem er bereits gefangen genommen, gefoltert worden war und beinahe schon auf den Erschießungstod gefasst war, dass ihm Innsbruck von den beängstigten Nazi-Statthaltern als "frei Stadt" übergeben wurde. Die Behauptung er, habe Deutschland nach dem Krieg nie wieder besucht, stimmt also - aus welchen Gründen auch immer, - nicht. Seine beiden kleinen Töchter aus einer Ehe mit einer Filipina versuchten uns einmal hinter unserem Haus gepflückte Blumen an unserer Vordertür zu verkaufen. Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will.

Die Häuser neben seinem wurden von den Männern der Konsulatswache bewohnt. Alles  hoch dekorierte "Ledernacken", die gerne ihren Frust an mir als hoch aufgeschossenen blonden "Nazi-Boy" mit Jiu Jitsu-Würfen abarbeiteten. Allerdings war ich dann mit 14 doch schon so groß, und schwer, dass ich ihre Ansätze mit abgeguckten Gegengriffen kontern konnte. Woraus sich eine Art freundschaftliche Beziehung ergab. Auch weil ich schnell zu einem Meister an ihrem Grill  wurde und bei den Gelagen manches erfuhr, was möglicherweise der Geheimhaltung oblag. Meine Fertigkeiten am Grill waren  aber auch bald nicht mehr geheim, und so wurde ich auch mit stattlich Trinkgeld in Dollar belohnt der Party-Griller des jüdischen US- General-Staatsanwaltes für Europa. Dessen beide Töchter, die mir alljährlich Valentins-Karten schickten, hatten ein Auge auf mich geworfen. Ihnen wurde aber in dem Moment der Umgang mit mir verboten, als meine erste große Liebe in der "Housing Area" bekannt wurde. Die war eine winzige "Afro-Eurasierin". Ihr schwarzer Vater war Funktechniker, ihre chinesisch stämmige Mutter Dechiffriererin. Entsprechend misstrauisch waren sie mir gegenüber.

Lektion 5: Und dann waren wir plötzlich alle "erwachsen", und die geheimen Verbindungen ließen mich trotzdem nicht los. Als ich ein Interview mit Valdemar Cierpinski, dem Marathon-Olympiasieger von Montreal und Moskau für meine Serie "Die Kehrseite der Medaillen" machen wollte, wurde mir das Journalisten-Visum für die DDR verweigert, weil ich mich angeblich bei den Olympischen Winterspielen von Innsbruck 1976 mehrfach zu abfällig über ihre Athleten geäußert hätte.
Das von der DDR-Führung
verhindert Interview:
Doppel-Olympiasieger
Waldemar Cierpinski
Quellen: Laufen 57
und Stadtsportbund Halle Saale

Mein erstes US-Journalisten-Visum bekam ich übrigens auch nur durch die Fürsprache unseres früheren Konsul-Nachbarn. Und dann hatte ich bei meinen Ostasienreisen mehrfach das Gefühl, ich sei ins Spektrum der CIA geraten. Merkwürdige Typen stellten mir an merkwürdigen Orten merkwürdig strukturierte Fragen. Aber da war ich wohl nicht mehr die "Person of  Intrest". Es lag wohl daran, dass ich bei einer Reise über Indonesien,  und die Philippinen bis nach Hongkong meinen Lieblingsschwager dabei hatte. Der wiederum hatte später bei einer Familienfeier scheinbar harmlos preis gegeben, er arbeite für die "Bundesvermögensverwaltung". Da fiel es meinem Vater und mir wie Schuppen von den Augen: Mein Vater war ja der Leiter der Bundesvermögensstelle gewesen. Über seinem Büro in der Kaufinger Straße hatte die Bundesvermögensverwaltung auch eines, Nur wussten wir, die "Vermögensverwaltung" war einer der Tarnnamen für die ansonsten in Pullach angesiedelten Dienste... 

Sonntag, 28. April 2024

Wir sehen was, was ihr (noch) nicht wisst...

Quelle: Wikipedia
Guillaume, der "Kanzler-Flüsterer"
Kinder, wie die Zeit vergeht! In der vergangenen Woche war nicht nur der 50. Jahrestag der Aufdeckung der Guillaume-Affäre, die Kult-Kanzler Willy Brandt vor der Zeit zum Rücktritt zwang (Auch für Zeitzeugen ein Wiedererkennungswert in der Mediathek der ARD). Gleichzeitig wurde auch noch eine Hand voll Spione aufgescheucht, die im Verdacht stehen, gegenwärtig entweder für China oder Russland zu arbeiten. Nicht verwunderlich, dass dabei die bei Neo-Nazis so populäre AfD wieder einmal in den Fokus geriet.

Witzig ist allerdings, dass sich Deutschland, das aktuell mindestens drei "Geheimdienste" unterhält, von denen auch mäßig Interessierte wissen, sich sogleich empört, als täte es so etwas nicht. Vor allem wenn der Jetzt-Kanzler gerade zum Wohle der Wirtschaft bei dem möglicherweise bald wieder als "Reich der Mitte" zu bezeichnenden Handelspartner Nummer Eins weilt.

Jiang Zemin wurde nach seiner
Zeit als Bürgermeister
 von Shanghai Nachfolger
 von Deng Xiao Ping
in fast allen von dessen Ämtern.
Er starb 2022.
Kann ich mich als China-Experten bezeichnen, weil ich dort exakt zur Zeit der Wirtschaftsliberalisierung den zweiten Langnasen-Führerschein (驾照Jiàzhào) gemacht habe? Absolut nein! Aber immerhin habe ich mit dem kommenden Polit-Superstar und späteren Vorsitzenden des Zentralrats Brüderschaft getrunken. 1986 - das kann ich zusichern - hatte der ganz andere Vorstellungen vom "Wandel durch Annäherung". Den Begriff konnte er übrigens auf Deutsch zitieren.

Als Reporter war ich nie in Russland und in dessen Einflussbereichen, weil ich für die Reisezeitschrift, die ich verantwortlich redigierte das Credo ausgegeben hatte, nur von Reisen durch die "Freie Welt" zu berichten. Welche Geschichtsbücher und Politanalysen ich auch las, ich bin dem "Wesen des Bären" nie auf die Spur gekommen. Aber ich habe miterlebt, wie die Neureichen des dortigen "Turbo-STAMOKAP" (Staatsmonopolistischer Kapitalismus) in den europäischen Skigebieten mit Geld um sich schmissen und dabei die Preise und die Benimmregeln veränderten. Das könne nicht gut gehen, dachte ich schon damals ganz für mich.

Bin ich denn ein Kenner der Deutschen Geheimdienst-Szene? Jetzt kann ich es ja sagen: Ja, von klein auf. Die Leute auf die ich abhebe und von denen ich auch später welchen bei meiner Arbeit begegnete, waren zum Beispiel Nachbarn.
Und das kam so: Als mein Vater zum Leiter der Bundesvermögensstelle nach München berufen wurde, bekamen wir im Nobelviertel Bogenhausen eine großzügig große Dienstwohnung in einer Reihenhaus-Siedlung zugewiesen, in der Amerikaner vom Konsulat und hohe Offiziere wohnten. Der General-Konsul wohnte uns gegenüber jenseits der Spielwiese gleich in zwei Häusern, weil er elf Kinder hatte.

Neben uns zogen nach und nach weitere Deutsche Beamte  und Dienstränge in die vom US-Personal frei gemachten Häuser:

Lektion 1: Agenten sterben nicht einsam. Wenn sie gut sind, bekamen sie damals so ein Altersdomizil, das heute im renovierten Zustand fast 3000 Euro Miete kostet. Die "Agenten" hatten nicht nur Ehefrauen sondern auch Kinder. Das war der Schachpunkt dieses Wohnkonzeptes. Denn Kinder, die bald mehrsprachig kommunizieren, bildeten schnell über Nationalitäten hinweg eine Art "Fünfte Kolonne" und bekamen durch Hörensagen oft mehr mit, als den  Eltern und den Behörden wohl lieb sein konnte.

Lektion 2: Bis ich aufs Gymnasium kam, waren alle Eltern von uns Kids enttarnt. Unmittelbar neben uns wohnte ein ausbildender Führungsoffizier des MAD (Militärischer Abschirmdienst). Er hatte Sohn und Tochter etwa gleich alt.

Zunächst als Nazi-Spion von
den Alliierten dingfest
gemacht, wollten die dann
alles von ihm lernen:
Reinhard Gehlen, Begründer
der "Organisation Gehlen"
in einer Zeit, als Spione 
noch aussahen wie solche

Neben denen wohnte ein betagtes Mitglied des Deutschen Hochadels und Weggefährte von Reinhard Gehlen, dem Chef der Spionage-Abwehr. Da waren Kinder - wenn es welche gab - vermutlich schon aus dem Haus. Noblesse oblige - mit denen gab es so gut wie keinen nachbarschaftlichen Kontakt. Neben den Blaublütigen wohnte ein Spezialisten-Ehepaar mit slawischem Hintergrund. Die hatten zwei erwachsene Söhne und einen in meinem Alter, mit dem mich eine fast lebenslange Freundschaft und später eine berufliche Zusammenarbeit verband.  Daneben wiederum wohnte ein ganz junges Paar mit drei ganz kleinen Kindern, die von uns nicht "enttarnt" werden konnten, weil es eben keine  "Ansprechpartner" beim Spielen gab. Die restlichen beiden Häuser wurden von Spezialisten mit einschlägigen Fähigkeiten bewohnt. Der übergriffige Bundeswehroffizier mit zwei etwas älteren, weiblichen Teenies und einem nahezu erwachsenen Sohn hatte offenbar nicht nur ein Alkohol- sondern auch ein Führungsproblem. Am spannendsten für uns Kids - besonders an Silvester und am Independence-Day war jedoch ein Sprengstoff-Spezialist im letzten Haus der Reihe. Er hatte nicht nur eine Teenie-Tochter, die so hübsch war, dass sie Knaben-Träume beflügelte, sondern auch einen Bruder, der obwohl er älter war, gerne auf der Wiese zwischen den Häuserreihen Fußball oder Football mit uns spielte. Sein Vater war fähig, aus für uns unsichtbaren Zutaten in leeren Gurken-Eimern farbige Explosionen oder spannende bengalische Effekte zu erzeugen.

Fortsetzung mit den Lektion 3 bis 5 am Mittwoch, dem 1.Mai...

Der Tanz mit Agenten-Kindern:
Der Autor mit der 
unerreichbar schönen Nachbarin



Nur immer gut nachschauen, meinte Mutter,
was der Sprengstoff-Experte
da so für Partys zusammen mischte