|
Joan Goodal, 88 Quelle: Biographie |
Von Geburt an ist unser Leben ein Einzelfall - selbst bei eineiigen Zwillingen, obwohl die Verhaltensforschung längst herausgefunden hat, dass die tatsächlich noch zusätzliche, übereinstimmende Impulse empfangen, selbst wenn sie bei der Geburt getrennt wurden. Alles, was den Lauf unserer weiteren Leben dann bis zum Tod beeinflusst, hängt von dem Umfeld ab, in dem wir unseren Verstand entwickeln sowie zwischenmenschliche Beziehungen an uns oder anderen erleben. Angeblich soll die Charakterbildung in einem Alter von sieben Jahren nahezu abgeschlossen sein. Was dann zu Wesensänderungen führt, hat dann überwiegend mit traumatischen Erlebnissen zu tun.
Die Fabelhafte "Schimpansen-Mutter" Joan Goodell verteilte ihre Zöglinge vor dem Auswildern im Gombe-Nationalpark von Tansania auf drei große, vom Dschungel bedeckten Fluss-Inseln. Auf einer alle, die Hunger oder schwere Traumata überwinden mussten; die Normalos in intakten Familienbänden auf einer anderen, und die aggressiven Verhaltensauffälligen ließ sie unter scharfer Beobachtung auf die dritte bringen. Alle drei Schimpansen-Gruppen entwickelten dennoch untereinander instinktiv ein kollektives, rücksichtsvolles Verhalten beim Zusammenleben.
Als junger Reporter nahm ich mal an einem Seminar teil, bei dem Männer mit Alpha-Wesenszügen in einer Diskussions-Gruppe zusammen geführt wurden. Danach wurden alle einzeln befragt, wen sie sympathisch oder unsympathisch empfunden haben. Die Gruppe wurde dann so halbiert, dass in jeder Hälfte nur Leute waren, die sich zuvor explizit als unsympathisch bezeichnet hatten. Die Aufgaben, die beiden Teilgruppen im Gegeneinander gestellt wurden, offenbarten, dass sich enorm schnell ein Zusammenhalt bildete, der zum teil in Aggression gegenüber den vorherigen, vermeintlichen Sympathie-Trägern ausuferte.
Als Kriegsdienst-Verweigerer und Pazifist musste ich selbst auf gefährlicheren Reisen niemals meine bei dem Verfassen eines Buches über Karate erlernten Kenntnisse einsetzen. Ich habe die Gnade eines friedlichen Lebens genießen dürfen. Desto mehr überrascht es mich jetzt, dass ich wegen der Angst vor einem Atomkrieg in schlaflosen Nächten Gewalt-Phantasien gegenüber den Russischen Aggressoren in der Ukraine entwickle und Putin einen Auftragsmörder an den Hals wünsche. Und wo bleiben, denke ich ohne eigentliche Kenntnisse, die in Filmen so unfehlbar, punktgenau gesteuerten Drohnen, um die russischen Panzer-Kessel zu zerschlagen? Tatsächlich lese ich heute, dass das Ukrainische Militär ein wachsendes, internationales Konvolut an Kampf- und Aufklärungs-Drohnen einsetzt.
|
Massengräber bei Kiew. Putin unterstellt perverser Weise, die Ukraine hätte ihre eigenen Leute zu Propaganda-Zwecken umgebracht. So etwas kann eigentlich nur einem pathologisch Kranken einfallen Quelle:nord24.de |
Obwohl mein Leben mehr oder weniger eine Insel ist, weiß ich, dass Millionen im gleichen Moment die gleichen Gefühle hegen, denn die Gewalt ist tief in uns allen verborgen. Aber - wie die Geschichte uns das lehren sollte - bietet sie eben niemals eine dauerhafte Lösung. Soldaten sind zum Töten ausgebildet, aber was macht sie dank ihrer Waffen im Machtrausch zu Kriegsverbrechern, Mördern und Vergewaltigern? Sind es vielleicht die ihnen übergeordneten Machtverhältnisse? Je mehr Machtgefühl, desto rücksichtsloser wird der Mensch offenbar. Oft löst der kleinste Impuls auch im Zivilleben nicht erahnte, mörderische Impulse, Hass und Kontrollverlust aus. Mit dem Drang nach Rache und Vergeltung ist jedoch unter allen Lebewesen allein der Mensch ausgestattet...
Deshalb bin ich im Moment unserem Kanzler dankbar, der trotz aller Kriegstreiberei einzelner Politiker lieber zaudert, statt zu zuschlagen.