Montag, 18. April 2022

Denk ich an Heine in der Nacht...

Einer meiner Lieblingsautoren - und im Gegensatz zu Goethe, der da noch ein Jahrzehnt zu leben hatte - ein tatsächlicher Sprach-Vermittler  - war erst 25, als er 1822 sein Outing als gedruckter Autor hatte. Zuvor zog Harry Heine protegiert durch einflussreichen Persönlichkeiten von einem der damals üblichen  literarischen Salons zum anderen. Erstaunlich, dass das biedermeierliche Bildungsbürgertum gegenüber der umgangssprachlichen Lyrik des jungen Juden noch keine Ressentiments kannte. Der aufkeimende Antisemitismus trieb ihn ja letztendlich ins Pariser Exil, wo er kläglich in seiner "Matratzengruft" starb.

Collage: BZ

Im Zyklus seiner "Zeitgedichte" offenbart das Zitat "Denk ich an Deutschland in der Nacht. Dann bin ich um den Schlaf gebracht" seine Zerrissenheit aber auch seine erzwungener Maßen verschmähte Heimat-Liebe. Dass sein Werk alle Revolutions-Versuche, Verbote und Kriege überdauert hat, unterstütz in meinen Augen seinen stets geäußerten Gedanken, dass Kunst allem widerstehen müsse.

Weshalb muss ich gerade jetzt an Heine  und sein 200jähriges autoren-Jubiläum denken? Weil ich nächtens zu der Erkenntnis komme, wie wenig sich gerade jetzt die Menschheit trotz alle bahnbrechenden wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften gedanklich weiter entwickelt. Zwar haben sich Heines sozialpolitische Ansichten gemächlich in Staatsformen eingenistet, aber was ihre tatsächliche Halbwertzeit angeht, sind sie wohl allmählich nicht mehr existent. Viele Demokratien sind wieder verletzlich wie nie. Pazifisten sind durch Gewalt gezwungen, ihre Prämissen im Machtrausch Einzelner aufzugeben.

Denk ich an Heine in der Nacht, weiß ich zwar, dass sein Wort Bestand hat, aber ob sie beherzigt werden jemals bezweifle ich!

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