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Die Volksschule im überwiegend evangelischen Hamburg war vom Unterricht her eher laizistisch geprägt. Beiläufig wurden ein paar Eckpfeiler der Kirchen-Geschichte angesprochen. Immerhin ging meine agnostische Familie an Weihnachten in die Kirche. Aber das war es dann schon mit dem religiösen Einfluss auf meine Kindheit.
In München gab es dann ohne Vorbereitung morgens ein Schul-Gebet, und die Lehrerin, die Fräulein gerufen wurde, war eine "g'standene" Matrone und verheiratet. Von den Fleißbildchen mit religiösen Motiven, die sie an Brave für gute Noten verteilte, bekam ich nie eines. Dafür musst ich mehrfach nachsitzen, weil ich ihr viel zu schnell sprach. Wurde jemand in die Ecke geschickt, stand der oder die (immerhin war die Klasse gemischt) unter einem Kreuz mit entsetzlich leidendem Jesus. Ich kannte weder die Zehn Gebote, noch wusste ich von etwas, das Beichte hieß.
Die blieb mir allerdings ohnehin erspart, weil die paar "Evangelischen" gesonderten "Religionsunterricht" bei einem Vikar der Gemeinde bekamen. Der wurde später ein bedeutender Kirchen-Politiker und war strenger als der Katechismus. Immerhin schaffte der Mann es, dass er mich bis zur Konfirmation, die er höchstselbst dann schon als Pfarrer an mir zelebrierte, richtig für Religion interessierte. Aber das kann man im Blog "Der Burgschreiber" detailliert nachlesen.
Heute an Allerheiligen geht es ja um die Toten, denen wir traditionell gedenken sollen.
Die ersten toten Menschen, die ich in meinem Leben sah, betrachtete ich schockiert in der Heimat-Gemeinde meiner Großeltern. Dort wurden die Verstorbenen noch in der Aussegnungs-Halle bei offenem Sarg aufgebahrt. Als ein Spielkamerad mich mitnahm war es schon dunkel, und die offenen Särge waren für den unvorbereiteten Knaben, der ich noch war, gespenstisch beleuchtet.
Als sei das eine Initialzündung für das Sterben in unserer Familie gewesen, starben von da an beinahe jedes Jahr nicht nur die Großeltern sondern auch andere nahe Verwandte. Weil meine Eltern ja diese oberbayerische Marktgemeinde ebenfalls für ihren Alterssitz auserkoren hatten, liegen dort mittlerweile alle engeren Verwandten auf dem zugegeben malerischen Friedhof. Agnostik hin oder her - der "Umgängert" des katholischen Pfarrers, der mit einer Art Klobürste Weihwasser auf die frisch dekorierten Gräber verspritzte, wurde ein strenges Ritual in unserer Familie, auf das meine ehemals katholische Mutter quasi diktatorisch wert legte.
Nach meinem Absturz in den Unglauben konnte ich die kalten Füße durch das Herumstehen auf dem Friedhof damals nur deshalb ertragen, weil oft an Allerheiligen schon genügend Schnee lag, und der Lift am Zielhang zur feierlichen Eröffnung der Skisaison seinen Betrieb aufgenommen hatte...
Da ich eine Frau habe, die in einer Familie praktizierender Katholiken und von den "Englischen Fräulein" erzogen wurde, bin ich noch aus Respekt einige Jahre zu dem Grab ihrer Eltern auf dem Münchner Nordfriedhof mitgegangen. Aber mittlerweile flankiert meinen Lebensweg das Hinscheiden derart vieler wertgeschätzter Begleiter, dass ich Friedhöfe meide und auch auf keine Beerdigung mehr ginge, die nicht die unmittelbare Familie beträfe.
Stattdessen warte ich in dem Gasthof, in dem wir uns danach seit jeher treffen, und erinnere mich kontemplativ über ein, zwei Bier. Schließlich muss ich ja meinen Spruch verifizieren, nachdem ich alle Toten, die mir persönlich etwas bedeutet haben, noch immer in meinem Herzen trage. Was schwülstig ist, weil mein marodes Herz ja mit meinem im Langzeit-Modus noch super funktionierenden Hirn nichts zu tun hat.
Ich fange mit der Tennispartnerin meiner Flegeljahre an, die der Krebs innerhalb von Wochen dahin gerafft hat. Dann kommen nach den Großeltern, vor allen Mitschüler, die sich als Führerschein-Neulinge "derrannt" oder bei diversen Sportarten bewusst oder leichtsinnig ihr Leben riskiert haben.
Als Journalist und Chronist kommt man ja auch oft mit Leuten zusammen, mit denen einen über die Jahre hinaus etwas mehr verbindet als berufliches Interesse. Dazu gehören auch alle meine Förderer und Sportkameraden, denen ich dann gedenke.
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Wer kennt die Kreuze, nennt die Namen? In Wind und Wetter verblasst. Für die, die zum Trauern kamen, Sind sie auf ewig in Stein gefasst... Digitally-Your's-Serie von Claus Deutelmoser: Irischer Friedhof |
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