Mittwoch, 20. November 2019

Geister googeln

Das wohl berühmteste Albtraum-Bild
hat Johann Heinrich Füssli gemalt:
Nachtmahr 1802 Quelle: Wikipedia
Lange Zeit habe ich aus therapeutischen Gründen die Träume aufgeschrieben. Das waren zum Teil bizarre Texte, die ich für später gerne gehabt hätte. Aber der Analytiker rückte sie auch nicht heraus, selbst nachdem ich mich fast mit Gewalt von ihm gelöst hatte. Für Träume gibt es kein Urheberrecht, das lernte ich daraus, und in den 1980eren gab es ja keine Smartphones, mit denen man das Geschriebene für sich hätte sichern können.

Aber vielleicht ist das ganz gut so, denn trotz meiner seelischen Verkorkstheit habe ich es ja irgenwie über die Runden geschafft. Und wer weiß: Die alten Träume zu lesen, verursacht vielleicht einen Rücksturz in finstere Zeiten. Natürlich habe ich versucht, die bizarrsten der Träume zu malen. Aber an die bedrohliche Farbigkeit und deren sphärische Stimmung reichten meine Fähigkeiten nicht heran. Ausgerechnet mein langjähriger Artdirector, der überhaupt nichts von meinen Bildern hielt, sicherte sich einen Menschen-Strudel, in dem nackte Menschen verschwanden, die körperlich Ähnlichkeiten mit den Opfern auf Hieronymus Boschs Weltgerichts-Triptychon hatten.
http://www.akademiegalerie.at/de/Sammlung/Das%20Weltgerichts-%20triptychon%20von%20Hieronymus%20Bosch/mehr%20zum%20Altar

Nur eines meiner Albtraum-Bilder
hat überlebt:  L'Absinthe 1986
Oil on Canvas
Das aktuelle Erinnern an Träume hat mich selbst heute nicht verlassen, da ich im Stakkato und rasender Geschwindigkeit von ihnen heimgesucht werde. Immerhin versuche ich nicht mehr, mir über ihre Ursachen und Hintergründe klar zu werden. Aber es bleibt jedes Mal etwas hängen, das mich nach dem Aufstehen nicht nur beschäftigt, sondern regelrecht umtreibt. So unsinnig das ist.

Ein paar Tage im Sommer - ich schrieb schon drüber - suchten mich Refrains von grausigen Deutschen Schlagern heim. Jetzt mit dem schwindenden Licht sind es Orte mit komplizierten Namen oder Menschen mit Einfluss, die ich vor langer Zeit traf. Was gewissermaßen Sehnsucht aber nicht Wehmut erzeugt.

Leserinnen und Lesern, denen es vielleicht genauso geht, kann ich nur empfehlen, sich an den Computer zu setzen und Bruchstücke der Träume begrifflich in die Suchmaschine einzugeben. Das bringt mitunter nicht nur Klarheit, sondern macht Zusammenhänge bei längst Vergessenem deutlich. - Selbst wenn mit den Jahren das Langzeit-Gedächtnis besser funktioniert als das Erinnern an Dinge, die erst vor kurzem geschehen sind... Ich lasse mich dann auf eine regelrechte Geister-Suche ein, die mich immer mehr in ihren Bann zieht und - wie heute - den ganzen Vormittag dauern kann.

Mary Shelley und ihr Monster im Mondschein
Quelle: womenyoushouldknow.net
1816 hatte die 19jährige Mary Shelley nach einer Absinth-Orgie einen Albtraum, dem das Monster aller literarischen Monster entsprang: Frankenstein.

So weit kommt es hoffentlich bei mir nicht. (siehe mein Gemälde oben). Und wenn, werde ich dann solchen  Posts den Satz vorausschicken, den ich einmal in der Horror-Abteilung einer Londoner Buchhandlung über den Regalen gelesen habe;
Remember and beware that you read those Stories at your own risk!
Denkt daran und seid gefasst, dass ihr diese Geschichten auf eigenes Risiko lest!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen