Die Wiedervereinigung dürfe nicht zu schnell erfolgen! Er sah vor 30 Jahren in vielen seiner publizistischen Beiträge die heutigen Probleme voraus. Aber da war der Lobby-Zug im Windschatten des birnenförmigen Einheits-Usurpatoren Helmut Kohl längst nach Osten abgerauscht. Was folgte, war ein erbärmlicher Ausverkauf von Volksvermögen der untergegangenen DDR.
Ich lernte meine Lektionen dazu peinlicher Weise auf dem Golfplatz, weil ich gerne mit einem Wirtschafts-Wissenschaftler spielte, der von der Treuhand eingesetzt war, um den "Buyout" der einstigen Volksrepublik zu verhindern, Was er auf dem Weg von einem Loch zum anderen preisgab, war unglaublich. Wirtschaftsanwälte, die in der BRD mit riesigen Limousinen zum Flieger fuhren, hatten "drüben" einen "Trabi" oder "Wartburg" stehen, um sich bei ihren zum Teil hinterhältigen "Eine-Mark-Firmenaufkäufen" eine bescheidenere Note zu geben.
Die Treuhand versagte auf ganzer Linie. Ein Schaden, der hätte vermieden werden können, wenn den beiden Deutschen Staaten Zeit gegeben worden wäre, um zwischen sich "Kommunizierende Röhren" anzulegen.
Während sich andere dreist die Taschen füllten, drückte der Normal-Bürger den "Soli" ab, der in Kohls "blühende Landschaften" fließen sollte. Ein Münchner Notar verspekulierte sich dabei so gierig, dass ihm erstmals in der Geschichte der Bayrischen Landeshauptstadt wegen seiner Millionen-Verschuldung das Notariat entzogen wurde.
Obwohl ich zu jener Zeit wieder einmal an einem Wendepunkt meines Lebens angekommen, und eher damit beschäftigt war, meine Felle ins Trockene zu bringen, pflegte ich meine humanitäre Ader. Eine Menschenrechts-Anwältin aus unserem Bekanntenkreis überredete meine Frau und mich einer im Vorfeld des Mauerfalls über Ungarn ausgereiste vierköpfige DDR-Familie während unserer Abwesenheit unser Haus zu überlassen. Als wir nach vier Wochen zurück kamen, übernahm meine ledige Schwägerin sie in ihrer großen Stadtwohnung. Inzwischen hatte sich die Familie - trotz meiner nachdrücklichen Warnung, dass unser Lebensstandard nicht der Normalität entspräche, - derart an ihn gewöhnt, dass sie uns Gastgebern gegenüber andeutete, sie hätten nach der DDR-Diktatur einen Anspruch darauf. Das stünde ihnen auch zu. Als sie endlich widerwillig Arbeit und Schule in Regensburg gefunden hatten, verschwanden sie ohne Dank, und wir haben bis heute nie mehr etwas von ihnen gehört...
Nach dieser Erfahrung hielt sich in der Nacht, als die Mauer endlich fiel, meine Rührung in Grenzen.
Ich sah vor allem die jungen Leuten mit ihren Vokuhila-Locken-Frisuren und ihren discofarbenen Jacken, und stellte mir vor, sie würden alle die gleichen Ansprüche für sich pachten, wie meine beiden Teenie-Gäste vor ein paar Monaten. Das Desaster dieser Generation schien vorprogrammiert.
Meine Eltern gehörten da schon Kreisen an, in denen unter größter Gefahr fürs eigene Leben Klartext geredet wurde. Jedenfalls klang die Stimme meiner Mutter wie nach Empörung über das Unrecht, das einem nahe stehenden Menschen widerfahren war:
"Jetzt erntet der Kohl etwas, das ohne den Egon nie und nimmer stattgefunden hätte!"
Egon Bahrs Prinzip vom "Wandel durch Annäherung" lag jene Geduld zugrunde, die auch Oskar Lafontaine für die Wiedervereinigung der beiden so unterschiedlichen Deutschen Nachkriegs-Saaten eingefordert hatte. Aber das war eben in einer Zeit als die heute im Todeskampf befindliche SPD noch programmatische Denker in ihren Reihen hatte.
Schmerzlich musste ich auch miterleben, wie der Sportverband, für den ich da schon anderthalb Jahrzehnte arbeitete, sich aus " sozial absichernder Sportkameradschaft" mit Ex-DDR-Personal bei Trainern und Sportführung eindeckte. Dass es zuvor (und auch danach?) bis zum Hals im Doping-Sumpf operierte, scherte da noch niemanden. Die in der Folge immer reichhaltigere "großdeutsche" Medaillen-Bilanz bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ließen moralische Bedenken gar nicht erst aufkommen...
Wenn heute in Kiel der "Tage der Einheit" gefeiert wird, darf nicht verleugnet werden, dass sich diese Einheit in einem immer gefährlicher werdenden Zwist befindet.
Die Mauer ist seit 30 Jahren weg, aber in den Köpfen existiert sie noch immer... Foto: Pixabay |
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