Bücher sammeln sich an, aber an jeder Gabelung des Lebensweges erfährt der Bücherfreund, dass nur die ihm bleiben, die fest in seinem Kopf verankert sind... |
Setzte ich die aktuell in diesen Tagen vergebenen Literaturpreise (Nobel, Booker und Deutscher pünktlich zur heute eröffneten Buchmesse) ins Verhältnis zu den gängig ermittelten Bestseller-Listen, so fände ich derzeit kaum oder keine Übereinstimmung Die Methoden des angewendeten "creative writings" bestimmen die Verkaufszahlen. Da hat Literatur, die unter Schmerz und mit dem Sendungsbewusstsein von Botschaften entsteht, kaum noch eine Chance. Einmal Erfolgreiches wird von Agenten und Verlegern in Wiederholungen und Fortsetzungen bis zur Schmerzgrenze beherrschend voran getrieben. Dafür wird literarisches Experimentieren mit der Sprache auf der anderen Seite für die "Nische" zum Ausgleich eben mit den großen Preisen bedacht.
Und da muss man sich schon einmal bewusst machen, dass viele großen Würfe, die eine Sprache voran bringen können, nicht nur in Deutschland von Autoren stammen, die die Sprache, in der sie schreiben, erst nach einer Flucht in die Freiheit als Jugendliche erlernen mussten... Das passt so gar nicht in das von Nationalisten gezeichnete Bild der Migration.
Viele Preisträger und auch Autoren der sogenannten Shortlist arbeiten dabei ihren persönlichen Weg in die Freiheit auf. Ob sie nun aus Syrien, Afghanistan oder vor den Balkan-Kriegen der 1990er vertrieben wurden. Namen muss ich da keine nennen, denn mein Thema ist ja der nicht auf Personen bezogene Antagonismus zwischen Freiheit und Schreiben, der vielleicht so nur befreit im Exil funktioniert.
Angesichts der Zustände in der heutigen Türkei, oder Ungarn, Polen und Spanien, wo die freie Meinungsäußerung von Staatswesen immer stärker unterdrückt wird, frag ich mich allerdings wie nachhaltig das Schreiben im Zusammenhang mit der Freiheit überhaupt ist. Wenn der Wunsch nach Freiheit eher abstrakt entsteht und nicht gleich in Blutbädern endet, scheint er aus historischer Sicht nur eine geringe Halbwertzeit zu haben.
Der Grund: Das eigentlich nur individuell und unterschiedlich verspürte "Bauchgefühl Freiheit" gerät immer wieder in den allgemeinen Machthunger mit seinen gierigen Verdauungssäften. Kaum eine Nation auf der Welt hätte nicht harmonisch durchlebte Friedenszeiten mit relativer Freiheit genossen, die anschließend einer bösen Herrschaft zum Opfer gefallen sind...
Vollmundig hielt das Thomas Jefferson - US-Präsident und Hauptautor der Amerikanischen Verfassung - mit diesem Spruch noch für legitim:
"Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen begossen werden."
Hauptsache natürlich, es ist nicht das eigene Blut. Er hat ja den Sezessionskrieg nicht mehr erlebt, der ihm die Absurdität dieses Satzes so drastisch vor Augen geführt hätte. Sein Gedanke lebt aber untilgbar in manch herrschsüchtigen Köpfen weiter.
Sein Zeitgenosse, der Deutsche Dichterfürst Friedrich von Schiller, war da schon als noch junger Mann tiefer im geistigen Widerstand gegen solches Denken. Als er nämlich dem Marquis von Posa in seinem Epos "Don Carlos" den Merksatz andichtete, den ich im Schulunterricht bei der damaligen Interpretation in seiner wahren Tiefe noch nicht erfassen konnte:
"Ein Federzug von dieser Hand, und neu erschaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit!"
Wer dazu das aktuelle, reale Spanien, dessen furchtbarer Bürgerkrieg vor genau 80 Jahren zu Ende ging und im Franco-Regime endete, ins Verhältnis setzt, erkennt folgendes:
Dass der "Baum der Freiheit" aus der Sicht der Katalanen, die damals schon am heftigsten unterdrückt wurden, mal wieder einer Streitaxt der Macht zum Opfer fiel.
Der Stier hat keine Chance, wenn er von oben herab pikiert wird. "Corrida" Aquarell: Claus Deutelmoser 1990 |
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