Montag, 28. Oktober 2019

Die Kunst Kunststoff zu vermeiden

Das Umwelt-Bundesamt hat eine fabelhafte Webside zum Thema abbaubare Kunststoffe. Deshalb kann ich mir es ersparen, tiefer in die biotechnische Materie einzutauchen:

https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/welche-produkte-aus-biologisch-abbaubaren

Seit ausgerechnet in meiner Zwei-Heimat Italien akkurater Müll getrennt wird als es die Münchner Müllabfuhr für unseren Hausmüll hier anbietet, bin ich in meinen späten Jahren sensibler für diese Thematik, als ich es in meiner aktiven Zeit war. Was mir sehr leid tut, weil das auch mit Feigheit zu tun hatte.

Habe ich die schönen Zeilen, die ich von einer Kreuzfahrt schrieb, dadurch verunziert, dass ich berichtet hätte, wie die Luxus-Liner ihren Müll nächtens unbemerkt auf hoher See entsorgen? Nein!
Habe ich den Eingriff in den Wasserhaushalt der Berge durch die exzessive Bereitung von Maschinen-Schnee verteufelt. Nein! Was haben die immer neuen Kollektionen von Compound-Ski-Modellen, die wir alljährlich zum "Wohl des Verbrauchers" getestet haben, das Abbauen von Müllhalden durch kompliziertes Schreddern der Produkte erschwert!
Leider kann ich nicht sagen, von der Schädlichkeit diverser Luxus-Sportarten hätte ich nichts geahnt. Nur Buße tun, kann ich noch. Wobei mir dann auch ein von mir immer häufig zitierter Spruch Hemingways zu meiner heutigen Reue einfallen muss:
"Wenn die Nutten alt werden, gehen sie in die Kirche".

Also, mein spät aufkeimender Widerstand gegen die Plastik-Power ist daher auch ein lächerlicher Versuch, mich irgendwie vergeblich reinzuwaschen. Obwohl ich täglich erkenne, dass das Individuum chancenlos ist, versuche ich, in meinem Umfeld und meiner Lebensweise individuelle Veränderungen des Verhaltens. Dabei scheitere ich immer wieder mehr als erbärmlich.

Aktuell beginnt mein Tag in Finsternis, indem ich die Hälfte der mir verschriebenen Medikamente und Präparate einnehme. Alle sind in großen Packungen (aus Pappe zwar) in plastifizierten Alu-Folien verschweißt und werden von mir in einen nach Wochentagen rationierten Kunststoff-Behälter umgebettet. Meine mehrfach am Tag zu spritzenden Insuline kommen zwar löblich in Glas-Ampullen daher, dafür haben sie aber Kunststoff-Adapter zum Aufdrehen der  in Plastik gefassten Nadeln. Auch sie sind generell  in Alu und Kunststoff verschweißt. Nur eines meiner übrigen Medikamente wird in einem Gläschen geliefert, das allerdings einen Sicherheits-Schraubverschluss aus Plastik hat...

Zum Frühstück habe ich einen Apfel, den meine Frau ohne Umverpackung kauft und in einer Papier-Tüte transportiert. Den Joghurt aus Griechenland löffel ich aber direkt aus einer flachen Plastik-Schale mit Alu-Deckel, weil es den nicht im Glas gibt. Womit ich zwar Spülmittel spare, aber untrennbaren Hausmüll erzeuge. Da spielt es schon keine Rolle mehr, dass ich ein Bio-Müsli drauf streue. Das wird zwar im Karton und abbaubar in einer luftdichten Verschweißung geliefert, aber kürzlich las ich, dass von der Energie, die für die Herstellung von einem halben Kilo Gesundheits-Müsli verbraucht wird, eine Familie einen ganzen Tag ihren Haushalt mit Strom versorgen kann...

Dann setze ich mich an meinen Computer-Tisch, der zwar aus Holz ist, aber mit Gerätschaften voll steht, die vom Drucker über den Bildschirm bis hin zum Rechner aus nicht abbaubaren, kritischen Materialien bestehen. Spielt es da eine Rolle, dass ich beim Schreiben mit dem Streamer hergestellten Sprudel aus wieder verwendbaren Glasflaschen trinke? - Nö.
Wo man hinfasst - nicht abbaubarer Kunststoff!

Bei meinem nordafrikanischen Supermarkt - alhamdullilah! -, der alles einzeln in Plastiktüten verpackt, bin ich für meine mitgebrachten Taschen und den Hinweis, dass ich das alles direkt nach dem Wiegen in  denen verstaut haben will, schon bekannt. Es gibt auch lobende Kommentare vom Personal, aber auf dessen Verpackungs-Verhalten hat das bislang nachhaltig keinen Einfluss. Weder der Metzger noch die benachbarte Filiale einer großen Handelskette haben bei der Verpackung schon groß umgestellt. Immerhin gibt es da gegen einen Obolus zumindest Tragetaschen aus festem Papier, wenn man - wie ich! - keine eigenen Taschen dabei hat.
Jedoch! Es ist bei beiden Läden darüber hinaus kaum zu vermeiden, Gekauftes nicht in bayrisch so genannten "Plastik-Haferln" (mengs a großes odea oa kloans?) nach Hause zu transportieren.

Da lobe ich mir dann den Fischhändler meines Vertrauens, der seine frisch geschlachteten Fische sorgfältig in mehrere Lagen Papier einwickelt, obwohl er vermutlich wohl kaum weiß, wie viel Micro-Plastik in den Tieren abgelagert ist. Ach nein! Da verschweißt er seine leckeren, marinierten "Matjes" ja doch noch in einer Spezial-Hülle!

So schaue ich dann betrübt in meinen Warenkorb: Alle Marktstände haben zwar für Pilze, Obst, Gemüse, Nüsse und Brot auf Papier-Tüten umgestellt, und ich habe auch offene Almbutter gekauft. Aber mein Bargeld ist ausgegangen. In meiner Brieftasche befindet sich nur noch Plastik-Geld. Gut, dass ich hier und dort schon mal gelegentlich mit der App auf meinem garantiert nicht abbaubaren Smartphone zahlen kann.

Ich habe Tränen in den Augen, und es wird mir durch deren Schleier bewusst, dass meine Bemühungen zur Unterstützung des globalen Plastik-Pakts nur ein Trauer-Tröpfchen ergeben, das gar nicht wahrnehmbar in einem zugemüllten Ozean untergeht...

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