Dienstag, 11. Februar 2025

Exil ohne Ziel

 

Meine um sechs Jahre ältere Schwester und ich hatten dieser Tage ein ironisch spekulatives Gespräch.  Darüber, was wir für den Fall täten, wenn sich Merz nicht scherte, für eine Regierung mit absoluter Mehrheit doch eine Koalition mit der AfD einzugehen.

Sie erwarte im Sinner der Familien-Zusammenführung, dass ihre Tochter sie sofort ins Schweizer Exil hole, meinte sie mit einem gespielten Brustton der Überzeugung. Meine Nichte hat neben ihrer Österreichischen und Deutschen seit neuestem auch die Eidgenössische Staatsbürgerschaft samt Wohnsitz dort.

Quelle: tagesspiegel
Ach Clementine- du fehlst als
Sauberfrau der wieder
gespaltenen Nation!
Da könne ich wohl im Ernstfall nicht mithalten, weil mir auch das Geld für ein noch entfernteres Exil fehle, musste ich gestehen. Mir bliebe nur die Wahl zwischen Weidel und Meloni. Wobei mir Letztere zumindest niedlicher erscheint als die AfD-Frontfrau, die zur Not ja auch ein Schweizer Domizil hätte. Aber das ist eben Sauberkeit "nur oberflächlich betrachtet" - wie einst wenn man früher ohne Ariel gewaschen hätte. Die ekligen braunen Flecken im Unterkleid übersieht man bei all derer Eloquenz doch nur allzu leicht...

Als ich das Geschwister-Telefonat beendet hatte, lief mir dann doch noch ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wenn meine als Redakteurin und ruhmreiche Journalistik-Lehrerin ebenso brillante wie reiche Schwester so "unrosig" daher kommt, dann muss in unserem Intellekt schon ein Schadprogramm wirken, aus dem uns dann auch kein KI-Bot mehr befreien könnte.

Quelle: freepik
Mit meinen Spleens vertraute Leserinnen und Leser werden anhand des fanatisch angewendeten Konjunktivs bereits erahnt haben, dass ich immer noch nicht ganz glaube, dass Friedrich Merz zum Steigbügelhalter des Deutschen Neo-Faschismus werden könnte. Aber die Vorstellung, ins Exil zu müssen wie viele meiner künstlerischen Idole in jenen braunen Tagen vor mehr als 80 Jahren, wirft doch immerhin die Frage auf:

Wenn ins Exil - wohin denn dann?

"The Land of the Free" - einst Anlaufstelle für viele Juden und anders denkende Intellektuelle und Kunstschaffende - kommt ja nun von Tag zu Tag unter dem Trump-Faschismus immer weniger in Frage. Könnten denn Juden aber heutzutage überhaupt noch blauäugig in Netanjahus Israel umsiedeln wie beim Exodus? Oder Freigeister auf der Suche nach ihrer einstigen Libertinage in die benachbarten Niederlande wechseln, die ja nun vom blond gefärbten Rechtsradikalen Wahlsieger Geert Wilders und seiner "Partij voor de Vrijheid" mitregiert werden? Von den Benelux-Staaten verdient doch nur noch Luxemburg wirklich ein prodemokratisches EU-Prädikat! Marine Le Penn, die Nazi-Schwester von Weidel und Meloni,  wird spätestens beim nächsten erfolgreichen Misstrauensvotum dafür sorgen, dass das "Leben wie Gott in Frankreich" ein anderes werden wird und der dreifarbige gallische Hahn im braunen Federkleid Parolen des "Front National" kräht. Und wer will sich als einfacher Exilant noch Schutz suchend in den Ostblock der EU begeben wollen, wo die Staaten wie auch Nachbar Österreich dort doch jetzt schon am liebsten Migranten an den Grenzen zurück weisen oder in Internierungslager stecken wollen?

Quelle: Stern
Lachen hoffentlich nicht zuletzt am besten.
Zumindest sind sie im Moment die Lautesten:
Die drei schrecklichen Schwestern des Schreckens

Für ein sicheres Exil bleibt nicht viel. Zumal selbst in Argentinien, dem einstig bevorzugten Auffanglager politischer Migranten jeglicher Couleur, jedem ein Kettensäge-Massaker durch Javier Milei droht, der den Kopf nicht schnell genug einzieht.

Machen wir es kurz: Die aktuelle Welt ist zu eng geworden und taugt nicht mehr für Menschen, die ein Exil suchen. Und da ich gewiss nicht mit dem zukünftigen US-Diktator Elon Musk als Unliebsamer ins All gedüst werden möchte, bleibe ich eben still und zitternd bei Dauerfrost hier in meinen Glashaus-Sessel gekauert und warte darauf, dass spätestens in drei Tagen ohne Probleme und trotz aller Wirren bei der einschlägigen Gesetzgebung die neue umweltfreundlichere (?)  Heizung eingebaut ist.
Bescheidenheit ziert eben allemal, wenn einer ohne Wahl und ohne "Alternative" ist!

Quelle: Reporter ohne Grenzen
Im Juni 2023 veröffentlichte
die Organisation "Reporter ohne Grenzen"
diese Karte mit den Fluchtwegen
von gejagten Journalisten.
Dass sie derart zahlreich die EU
anstreben könnten, ist genauso
fraglich, wie einst die Rolle der USA
als Anlaufstelle für kritischen Journalismus
oder Literaten, Schauspieler,
Wissenschaftler und jüdische Genies


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