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Quelle: Vecteezy Wo sind all meine kostbaren Schreibegeräte hin? Wo sind sie geblieben? |
Am Wochenende hat Dänemark verlauten lassen, dass die Königliche Post die Zustellung von Briefen einstellt. Bei uns wurden Briefe gerade zum Abgewöhnen teuer und dürfen in Zukunft drei Tage unterwegs sein. Das löste bei mir eine Kette nostalgischer Fragen an mich selbst aus:
Wann habe ich eigentlich letztmalig einen Brief mit der Hand geschrieben? Obwohl ich ja einen Blog betexte der "Briefe von der Burg" betitelt ist. Wann habe ich überhaupt noch mit der Hand geschrieben? Als ich vor kurzem ein Formular unterschreiben musste, erkannte ich meine Unterschrift kaum noch. So ungelenk ist meine Handschrift geworden. Denn Bilder, Botschaften und Bemerkungen signiere ich seit Jahrzehnten im Ruhestand aus Faulheit nur mit meinem Kürzel.
Nicht nur, dass ich in meinen über 30 Jahren als Chef täglich Vieles unterschreiben musste, ich verlangte von Bewerbern noch viele Jahre einen handgeschriebenen Lebenslauf, weil ich mir einbildete, mit rudimentären Kenntnissen von Graphologie Erkenntnisse über künftige Mitarbeitende zu erlangen.
Was wird aus uns, wenn bald jegliches Schriftliche obsolet wird? Werden Forschende in hundert Jahren vor Bildschirmen sitzen und Digitales, das überdauert hat, nur noch anhand des Erfassungs-Systems bestaunen und analysieren. Wir wissen doch gar nichts über die Haltbarkeit unserer digitalen Vermächtnisse!
Mein Enkel, der gerade ein Zwischenzeugnis voller Einser präsentierte, macht bei einer Langzeit-Untersuchung zur Rechtschreibentwicklung vom LMU-Klinikum mit, das leider nicht die Entwicklung seiner Handschrift begleitet. Die Digitalisierung hat ihn aber im Alltag schon jetzt derart im Griff, dass ich regelrecht jedes mal erstaunt bin, wenn ich ihn in ein gedrucktes und mir bekanntes Buch vertieft vorfinde.
Das gibt mir die Hoffnung, dass er auch für sich den wahren Wert des Schreibens entdeckt und dann auch weiß, dass dazu "Schreibwaren" benötigt werden. Denn die wird es in der Zukunft nicht mehr in faszinierenden, kleinen Läden, sondern nur noch von Lieferdiensten geben. Dabei hoffe ich auch, dass er die Schönheit eines erlesenen Schreibgerätes mehr zu schätzen weiß, als sein achtloser Großvater.
Ich wurde vom ersten Moment, da mein Schreiben was zu sagen hatte, mit edlen Füllern und Kugelschreibern derart überversorgt, dass ich viel zu achtlos mit ihnen umging: sie liegen ließ, jemandem auslieh und nicht wiederbekam, aber sie auch oft dort in Gedankenlosigkeit vergaß, wo ich unmittelbar Gedanken zu Papier gebracht hatte. Denn das Schreiben hat mich schon begleitet, bevor es zu meinem Beruf wurde. Oft schrieb ich im Café etwas auf eine Serviette oder benutzte das vom jeweiligen Hotel zur Verfügung gestellte Briefpapier. In meiner Lehre als Verlagsbuchhändler schrieb ich sogar auf die beim Umbruch abgeschnittenen Druckfahnen.
Daran erinnerte ich mich erst kürzlich wieder. Als mir aus einer vergessenen Schublade meines Schreibtisches der merkwürdige Geruch alten Papiers entgegen schlug. Er kam aus einer echten "Brief-Tasche", die ich zwar aufgehoben aber nie vermisst habe. Und siehe da! Sie barg echte "Manuskripte" aus jener längst vergessenen Zeit, als ich alles, was mir gerade durch den Kopf ging, noch sofort mit der Hand aufschreiben musste...
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Das merkwürdige rote Papier sind die oben erwähnten Druckfahnen der roten Goldmann-Krimi-Reihe |
Sofort fiel mir mein hier oft zitiertes Über-Ich, Friedrich Nietzsche, ein, der mir die wahre Freude des Autors mit auf den Weg gab: Sich im Alter an den Texten zu erfreuen, die man in längst vergessenen Zeiten geschrieben hat.
Wenigstens kann ich meine damalige Schrift noch lesen, auch wenn die Gedanken eist schon erstaunlich ordentlich formuliert, aber doch irgendwie nicht mehr nachvollziehbar sind.
Für mein digitales Gedanken-Gut habe ich zum Glück Euch, liebe Leserinnen und Leser, die ihr immer wieder auch auf Posts aus der Anfangszeit meiner Blogs zugreift. Dann lese ich sie auch wieder einmal - und kann mich - wie es mir der große Denker geweissagt hat - meist daran erfreuen...