Freitag, 4. Februar 2022

Im ruhigen Auge des Wirbelsturms

Wer meint eigentlich wirklich, Deutschland sei im Medien-Wirbel der Kanzler abhanden gekommen? Olaf Scholz scheint eher ein Problem für Journalisten als für die westlichen Bündnispartner zu sein. Das Interview, das er vorgestern mit Christian Sievers, dem "Heute"-Moderator, geführt hat (das habe ich bewusst umgedreht) zeigt, wieso der immer noch neue Bundeskanzler so unbequem für die Medienmacher ist: Er lässt sich weder provozieren, noch kann man ihn auf unsicheres Terrain locken. Als Sievers gleich mehrmals versuchte Scholz nach seinen Reiseplänen zu den Olympischen Spielen von Peking zu fragen, machte er mehrfach mehr als deutlich, dass er eben keine habe.

Während alle seine europäischen Kollegen in diesen Tagen öffentlichkeitswirksam um Putin und Selenskyj herumschwänzelten, weil sie von innenpolitischen Problemen ablenken wollen, bleibt Scholz lieber im Schutz der Kommando-Brücke. Das ärgert die Journaille, der ein Dampfplauderer wie der Bayrische Ministerpräsident, der keine Kamera aus lässt, natürlich wesentlich lieber wäre.
Da ich ja ein gebürtiger Hamburger bin und verlagsmäßig lange Zeit mit der Hansestadt vernetzt war, erkenne ich in ihm die oft als Arroganz missverstandene Wortkargheit und Reserviertheit eines Elb-Atheners. Nur weil Helmut Schmidt-"Schnauze" ein atypisches Gegenkonzept war, braucht Scholz sich nicht an ihm messen zu lassen.

Ob Schmidt-Schnauze da wohl schon ahnte,
dass ihm Scholz mal nachfolgen würde?
Quelle: pinterest

Wir werden alle abwarten müssen - es sind ja noch nicht einmal die berühmten 100 Tage um - ob der Staatsmann, der so dosiert mit der Öffentlichkeit umgeht, nicht doch auf seine Art liefert. Also mit Taten statt mit Worten antwortet.

Mir fällt - wenn ich den Kanzler mitunter antworten höre - ein typischer, Hamburger Witz ein , der den anderen Charakter der Hanseaten karikiert:

Zwei pensionierte Fahrensmänner sitzen in Övelgönne auf einer Bank und blicken über den Elbstrand stumm auf die ein- und auslaufenden Schiffe. Das machen sie, seit sie selbst nicht mehr zu See fahren, jeden Tag bei jedem Wetter. Dann bringt einer von den beiden überraschend mal einen Freund mit. Und so sitzen sie selbdritt stundenlag stumm da.
Auf einmal bricht es aus dem Neuling beim Anblick eines Ozean-Riesen heraus: "Donnäwettä! Dat's mol'n schoines Schipp!"
Dann herrscht wieder Schweigen bis zum Abend. Auf dem Heimweg sagt dann einer der beiden "Alteingesessenen" zum anderen: "Du! Den Dösbartel bring man nich mä mit! Den quasselt  to feel!"

Am Elbstrand von Övelgönne fahren ganz schön "dicke Pötte" vorbei
Quelle: reisefroh.de

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