Montag, 27. Januar 2025

Personalmangel

 Anfang der 1990er hat mich der CEO eines Unterhaltungs-Konzerns ins Luxusrestaurant "Las Brisas" im kalifornischen Laguna Beach zum Lunch eingeladen. Zu dem Zeitpunkt soll dieser Manager der bestbezahlte Angestellte der Welt gewesen sein. Bis heute rätsele ich, weshalb er mich nach einem Besuch im Hauptsitz unbedingt unter vier Augen treffen wollte. Denn da stand kein Bewerbungs- oder Sondierungs-Gespräch an. Von dem launigen zweistündigen Geplauder über Autoren, Filme, gutes Essen und Wein blieb nur ein Satz hängen, als wir nur kurz über Politik sprachen. Der kommt mir in diesen Tagen wieder in den Sinn. Er meinte knallhart: In den USA geht nur die "zweite Reihe" in die Politik. Die "erste" lenkt die Wirtschaft!

Wie hat sich die Welt seither in den zurück liegenden 32 Jahren doch verändert. Mit der Digitalisierung entstand eine neue Oligarchie, die keine Lobby mehr braucht, sondern Aufsteiger hervor bring, die sich nun als für die Politik befähigt halten und sogar Präsidenten werden. Donald Trump und ich sind beinahe gleich alt, aber von Leuten unserer Jahrgänge, die etwas erreichen wollten, hätte es in Europa kein hemdsärmeliger Prahlhans mit schlechten Manieren und Angeberei an die Spitze geschafft. Und wenn - nur kurz, weil so jemand sich durch seine Allüren und dem Umgang mit Untergebenen selbst gestürzt hätte...

Jetzt zittert die Welt vor dieser machtbesessenen Egomanie, und selbst ausgekochte Analysten scheitern da mit ihren Einschätzungen für den richtigen Umgang mit solchen gesellschaftsfähig gewordenen "Misfits". Und das nicht erst seit ein paar Tagen. Es wirkt, als sei die EU völlig damit überfordert diesem Politik-Stil Paroli zu bieten. Stattdessen nehmen Rechtspopulisten zu, die die brüchige Einheit, ja sogar den Euro, wieder weg haben wollen. Als wären Einzelstaaten gegen die drei sich derzeit immer stärker ausformenden Blöcke resistent genug. Dass diese aber deren Sprache und Stil annehmen, sollte als Warnsignal verstanden werden.
Es wäre sicher kein guter Rat, deswegen die Integrität unseres politischen Personals generell anzuzweifeln, aber wir Wähler sollten sie zumindest auf den Prüfstand unserer persönlichen Moral stellen.

Quelle: Tagesspiegel und
www.reddit.com
Wenn Trump nur fraglich qualifizierte Spießgesellen in sein Kabinett beruft und dabei von den Tech-Oligarchen (deutlich sichtbar hinter ihm stehend) unterstützt wird, dann wird die geringe Strahlkraft der Frauen und Männer, die derzeit Europas Politik lenken, nur um so deutlicher. Das gilt leider gerade auch für das Kandidaten-Karussell zur Bundestagswahl. Wo ist da der wirkliche Bringer? Dass ausgerechnet der Verteidigungs-Minister seit Beginn des Ukraine-Krieges ungefährdet am populärsten ist, sollte doch unser Land zur Frage aufrütteln: Wer sonst noch von diesen Personen, die  - nach Beliebtheit demoskopisch befragt - permanent mit Minus-Werten aufwarten? Wer von denen wäre in der Lage, Europas dringend zu stärkendes Selbstbewusstsein zu repräsentieren?

Ehrlich, da offenbart sich doch aktuell der dramatischste von allen Personalmängeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen