Als meine Eltern in meinem jetzigen Alter waren, hingen sie gerade wegen des Krieges um Bangladesh zwischen der Pakistanischen und der Indischen Grenze fest. Das Ende dieses Krieges ist jetzt 40 Jahre her, und gestern gab es Massenkundgebungen, weil die Kriegsverbrechen in der bitter erkämpften parlamentarischen Demokratie des ehemaligen Ost-Pakistans noch immer nicht juristisch aufgearbeitet wurden.
Meine Eltern waren damals sicher nicht aus einem naiven Antrieb heraus auf einer Weltreise in ihrem VW-Camper unterwegs. Sie waren aufgebrochen, weil die politische Großwetterlage es erlaubte, dass die Pensionäre ihren Traum von der Erdumrundung auf Höhe der Tropen verwirklichen wollten. Dass der Wind dauerhaft umgeschlagen war, bekamen sie dann in den folgenden Wochen und Monaten auf dem Indischen Subkontinent und auf Ceylon mit. Desillusioniert ließen sie ihr Schneckenhaus in Mumbai (damals noch Bombay) auf einen deutschen Frachter verladen und kehrten heim nach Bremerhaven.
Mein Vater starb kurz vor der Wiedervereinigung, meine Mutter erlitt den Sekunden-Tod, gerade nachdem sie noch für die Opfer des Tsunami 2004 in ihrer Altersresidenz eine Spendenaktion organisiert hatte. Obwohl sie später weitere Reise-Fragmente ihrer Umrundung dann noch mit Flieger und Leihwagen anfügten, waren die folgenden Eindrücke nie mehr derart elementar und dauerhaft ungetrübt. Ihren Glauben an das Weltbürgertum verloren sie dennoch nie, obwohl sie letztlich überzeugt davon waren, in ihrem oberbayerischen Dorf am besten aller Plätze auf diesem Globus zu leben...
Ich schicke das voraus, weil ich kurz rekapitulieren will, was danach in den vier Jahrzehnten auf ihrer ersten Reiseroute alles passierte: Afghanistan wurde und wird zwischen den Extremen des Islam hin und her gebombt. Der Iran zahlte in dieser Glaubensfindung einen ebenso hohen Blutzoll. Vor unserer Haustür auf dem Balkan hatten wir - nachdem der Eiserne Vorhang gefallen und Deutschland überraschend wieder vereinigt wurde - den kaum zu verstehenden Krieg zwischen den im Kommunismus noch geeinten jugoslawischen Völkern. Immer hatten die Auseinandersetzungen auch eine islamische Komponente. Auf Sri Lanka wütete ein ähnlich abstruser Krieg zwischen Tamilen und Singhalesen, und bei den Golf-Kriegen ging es nicht allein ums Öl, sondern auch nachgeordnet bis heute um muslimische Glaubensrichtungen. Gerade aber weil sich das nicht so leicht auseinander halten ließ, konnten sich Antiamerikanismus und radikaler Islamismus zum Terror der Al Quaida vermengen.
Auch mich hatten meine Reisen in jener Zeit in Länder mit zunehmend schwelenden separatistischen Religionskonflikten geführt. Ob im Kaschmir oder auf den Philippinen und ganz besonders in der malaiischen Inselwelt:
Den Schwelbrand habe ich schon gerochen, aber das er sich zu so einem Feuersturm rund ums Mittelmeer und bis hinein in die Europäische Union ausbreiten könnte, das muss ich wohl verdrängt haben. Für mich waren die liebenswürdigen, freundlichen Türken meiner Kindheit und Jugend hier in Deutschland stets ein Garant, dass radikale, islamistischen Tendenzen eingedämmt blieben. Da haben wir wohl etwas durch die lasche Auffassung von Aufklärung bei den NSU-Morden verbockt. Und die schleichende Auflösung des verfassungsmäßigen Laizismus im türkischen Mutterland ist vor diesem Hintergrund auch nicht beruhigend.
Es gilt vor allem der Radikalität hier aufgewachsener und noch aufwachsender, junger Leute mehr als nur die Forderung nach freiwilliger Integration entgegen zu halten. Wir müssen das Verwirrende entwirren.
Wie kann man von jungen Muslimen, die daheim von der alten Struktur beigebracht bekommen, dass Beziehungen zu "Ungläubigen" zu Recht mit dem Tode zu bestrafen seien, verlangen. dass sie offen für die Gesellschaft sind, in der sie leben und arbeiten? Wie kann man ihnen erklären, dass Frauen, die kein Kopftuch, sondern tiefe Ausschnite tragen, und Minis mit Highheels deshalb noch lange keine Nutten sind? Wie erklärt man ihnen dann auch noch unsere derzeitige Sexismus-Diskussion, wenn die Berichte über Gruppenvergewaltigungen in anderen Ländern sogar jetzt schon - wie gestern in München - Nachahmungstäter unter unseren eigenen Jugendlichen generieren?
Unserem Ja zum Multikulti müssen in Zusammenarbeit aller Maßnahmen entgegen gehalten werden, die unsere Gesellschaft nicht in schleichender Reaktion zum explosiven Kultur-Cocktail mixt!
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