Nicht, dass im antiken Olympia der Sport so edel war, wie sich Pierre de Coubertin das bei der Wiederbelebung der Olympischen Spiele neoromantisch vorgestellt hatte. Im Hain von Olympia und im Stadion-Rund sei es nach neuesten Erkenntnissen der Sporthistoriker ziemlich zur Sache gegangen. Verlierer mussten glücklich sein, nicht zu Tode geprügelt zu werden, und Sieger nutzten schon damals jede Möglichkeit zur Vorteilsnahme.
Auf Leben und Tod der Gladiatoren ging es zur Volksbelustigung später nicht nur in den römischen Arenen, sondern auch bei den noch nicht entdeckten Azteken, deren Ballsportler in die Nähe von Göttern gerückt wurden, während Loser nicht selten damit rechnen mussten, auf den Altären das Sportlerherz bei lebendigem Leibe herausgerissen zu bekommen.
Sport stand dann immer auch im Verhältnis zu Wehrertüchtigung und Jagdfieber. Erst im 18. Jahrhundert bekam die körperliche Ertüchtigung im Einklang mit der Natur durch den Philosophen Jean-Jacques Rousseau eine Dimension, die seine weitere Entwicklung partiell veredelte. Es war ja auch der Adel der beiderseits des Ärmelkanals mit Athletik so eine Art Alternative ins gesellschaftliche Leben brachte.
Beim Jeu de Paume - dem Vorläufer des heutigen Tennis in Frankreich - rief man dem Gegenüber beim Aufschlag mit der Handfläche (paume) noch höflich zu "nehmen Sie" - tennez! Daher der spätere Name Tinnes oder Tennis. Als die Engländer, die es als "Sphairistike" eigentlich schon erfunden hatten, auch mit Schlägern abgegrenzte Spielfelder in den Ballspiel-Häusern bespielten, war das Regelwerk noch so krude, dass man feste Einrichtungen wie Zuschauer als "Vorbande" mit einbeziehen konnte . Der Schwur der Stände zum Auftakt der französischen Revolution fand übrigens in so einer Arena mit überdachten Rängen statt...
Je geregelter der Sport in seinen Disziplinen desto mehr wurde sein Umfeld zu wüsten Wetten und Manipulationen missbraucht und bekam früh schon auch eine politische Dimension. Die Birkebeiner, norwegische Skiläufer, befreiten 1206 ihren Prinzen Haakon Haakonson. Zwei Bauern aus der schwedischen Provinz Dalarna rannten 1520 einem Revoluzzer namens Gustav Erikson hinterher, um ihm die Unterstützung der von Dänen unterdrückten Bevölkerung zu zu sichern. Aus ihm wurde später Schwedens König Gustav I, der Vasa. Die Rolle der Boxer beim 55tägigen Aufstand 1900 in Peking musste je nach nationalem Blickwinkel des öfteren neu interpretiert werden. Und noch 1969 bekamen sich Honduras und El Salvador wegen eines Qualifikationsspiels zur Fußball-Weltmeisterschaft im 100-Stunden- Fußball-Krieg militärisch in die Haare.
Je attraktiver der Sport, je mehr Zuschauer, desto wahrscheinlicher, dass sich Menschen für den Sport oder Menschen den Sport für sich missbrauchen. Die Fälle Lance Armstrong und Jan Ullrich sowie der mutmaßlich darin verwickelte spanische Arzt Fuentes machen aber nur deutlich, wie leicht wir uns durch Sport-Heroismus als Ersatzdroge verführen lassen. Der Kater der Enttäuschung bei Täuschung ist das Schlimmste, was Sportler ihren Fans und dem Sport antun können. Was, wenn man keiner Leistung mehr trauen kann? Dann läuft mehr als Emotion aus dem Ruder
Panem et Circenses, das funktionierte als politische Manipulationsformel schon immer. Ich lese bei der kolportierten Empörung Prominenter, die jetzt wegen des Wettskandals im Weltfußball laut wird, diverse Namen, die bei anderen Gelegenheiten des großen Geldes wegen tapfer zur Seite geschaut haben.
Der Fisch hat schon immer vom Kopf her begonnen zu stinken. Wenn also jetzt Fans aus Nürnberg einen Bus mit Schlachtenbummlern aus Fürth überfallen, nur weil die im Gegensatz zur eigenen Mannschaft ein Match gewonnen haben, dann ist das zwar ein Auswurf der Gesellschaft, aber nicht ihre Schuld. Das sind die Mechanismen die aus "der schönsten Nebensache der Welt" eine Art Ersatzkrieg stilisiert haben.
Es sterbe der Sport!
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