Freitag, 24. Oktober 2025

Das Cappuccino-Komplott

 

Eigentlich trinke ich ja lieber eine schöne Tasse Earl Grey mit einem Hauch von zusätzlicher Bergamotte oder Kornblumen-Blüten. Aber in Italien bekommt man in den Bars selten einen guten Tee. Deshalb vollzieht sich auswärts seit einigen Jahren bei mir die Metamorphose zum Cappuccino-Konsumenten.
Meine Begleitungen  tadeln mich dabei seit jeher, dass ich das Getränk dann in einem Zug runter schütte, so lange es noch heiß ist. Deshalb kenne ich in Ligurien die Etablissements, wo ich einen Cappuccino bekomme, der halbwegs das Prädikat XXL verdient, damit ich ihm etwas länger zuspreche und nicht so ein "ungemütlicher" Begleiter bin. Ich verstehe allerdings trotzdem nicht, was an einem "Kapuziner-Mönchlein" so entspannend sein soll, dass man bei ihm sitzt, und wartet, bis er lauwarm und die Milchschaum-Haube eingefallen oder runzlig ist.

Naja, jedenfalls bestellte ich mir kürzlich bei einem Geburtstagsfrühstück hier  in einem Café den größtmöglichen Cappuccino der erhältlich war. Er war dann von der Größe her gerade mal "italian standard". Schwupp war der weg, und deshalb bestellte ich bei dem enteilenden Kellner gleich noch einen.

Meine Tochter, die eingeladen hatte: "Spinnst Du Pappi! Der koste fünf Euro! Den kannst Du doch nicht so einfach wegschrappen!"
Ich: "In Riva Ligure habe ich neulich einen doppelt so großen für 4:50 Euro bekommen. Und der Schaum hier war ohne Kakao. Das ist ja der reinste Wucher!" 
Töchterchen: "Die kosten halt heute soviel, und mit Kakao auf dem Schaum trinken nur Weicheier ihren Cappuccino!"

Fotos: Claus Deutelmoser
Bei nicht achtsam geschäumter
Haube kann der Kakao-Staub
durchaus zum Qualitäts-Test

werden
Das Problem ist, dass ich 52 Jahre mit Preisen in Deutscher Mark gelebt habe und es mir bisher nicht gelungen ist, das automatische Umrechnen im Stillen zu unterlassen. So kosten für mich im Kopf - Lieferketten, Mehrwertsteuer sowie Mindestlöhne hin und Produktpreise, Mieten sowie Gewinnspanne her - eine Wies'n-Maß  eben 30 und zwei unterdurchschnittliche Cappuccini schwer nachzuvollziehende 20 Mark. Ich wünschte, unsere Renten hätten sich auch derart Verdoppelt, aber die hatten sich schon bald nach der Einführung des Euro in puncto Kaufkraft halbiert. Vilen Dank Herr Weigel!

Konsequent bestelle ich mir auswärts nun eben keinen Cappuccino mehr. Da lobe ich mir doch daheim meinen Halbliter-Cappuccino, der nicht nur wesentlich stärker ist, sondern auch Dank eines fabelhaften Milch-Schäumers aus meiner Zweitheimat eine Haube hat, die sogar ordentlich Kakao-Pulver verträgt, ohne gleich zusammen zu fallen...

Übrigens habe ich es mir wirklich verdient, ein Weichei zu sein!




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