Dienstag, 30. Januar 2024

Die Quadratur des Greises

 

In wenigen Wochen habe ich das Sterbe-Alter meines Lebensfreundes erreicht, der vor zwei Jahrzehnten an Krebs verstarb, aber noch wenige Tage zuvor neun Löcher Golf auf dem schwierigsten Platz seines Französischen Heimatdorfes gespielt hat. Mein vier Jahre älterer Freund hier macht sich direkt nach einem Hörsturz auf nach Dubai auf, um Wärme zu tanken - und Golf zu spielen. Selbst meine um sechs Jahre ältere Schwester hat zwischen den Jahren im Isarwinkel (!) Golf gespielt. Und das nach zwei schweren Rücken-Operationen 2022!
Ich kann schon seit sechs Jahren nur noch vier Löcher einigermaßen ergebnisorientiert spielen - ehe mich ein unergründliches Nervenzittern lahmlegt. Immerhin konnte ich bis zu meinem häuslichen Unfall im vergangenen Juli noch nonstop bisweilen mehr als 15 Kilo unserer Vorräte auf die Burg schleppen, ohne dass sich meine Atemfrequenz oder mein Puls sonderlich erhöhten.

Quelle: YouTube
Ach gäbe es doch ein Waschmittel, das das Ich
vom inneren Schweinehund befreite
Quelle: Bernd Klenk
Jetzt muss ich jeden Morgen im Badezimmer-Spiegel zusehen, wie der "Gilb", der unbarmherzige Geist des Erbleichens, mich zunehmend in einen grimmigen Greis verwandelt. Hänge ich zu wenig an einem zukünftigen Leben, dass ich es nicht den oben Beschriebenen nachmachen kann?
Zwar hoppele ich ohne Krücken und Stock in der Wohnung herum wie Käpt'n Hook, aber ich habe immer noch Angst vor längeren Wegen an deren Ende ich mich nirgends hinsetzen kann. Bislang habe ich mein Zögern noch auf Kälte und Dunkelheit schieben können, aber jetzt gehen mir langsam die Ausreden aus.

Ich habe im doppelten Sinn das Gleichgewicht bislang nicht wieder finden können. Einerseits die Ausgewogenheit im Umgang mit mir und andererseits in der Wahrnehmung der Balance beim Gehen. Ich verfluche meine Unachtsamkeit und den Mangel an Trainingsbereitschaft. Wieso ist die Fähigkeit in Würde zu altern, so ungerecht verteilt? 

Quelle: Kaiserin-Theophanu-Schule Köln

So wie es nur mühselig rechnerisch eine annähernde Quadratur des Kreises gibt, so multipliziert sich die durchaus mögliche Quadratur des Greises immerhin durch Faktoren, die er selbst bestimmt. Jammern hilft nicht, und auch KI wird  Greisen erst in Zukunft etwas bringen, wenn Elon Musk und Konsorten die elektronischen Gehirn-Implantate, die sie gerade erproben im Fein-Tuning z auch für Rentner erschwinglich machen. Am Anfang des Alterns steht vorerst immer noch die Überwindung des inneren Schweinehundes oder der Glaube, den meine mit 86 verstorbene in Köln geborene Mutter stets aus Paragraph 3 des Kölschen Grundgesetzes bezog:
§ 3 - Et hätt noch immer jot jejange
https://www.koeln.de/koeln/das-koelsche-grundgesetz-die-11-regeln-der-domstadt_1121331.html

Sonntag, 28. Januar 2024

Von Netzwerken und "Blaupausen"

Nachrichten mit dem Ziel der Aufklärung zu verbreiten, wird immer gefährlicher. Ich bin froh, dass ich nicht mehr journalistisch tätig bin und meine Blogs nur Wenige besuchen, die sie nach dem Lesen meist auch nicht teilen. Meine beruflichen Kunden habe ich früher gerne mit folgendem, aus der Luther-Bibel entlehnten Spruch gewarnt:

Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, kommt darin um!

Ich meinte das aber eher im Sinne von Suizid, denn dass Journalisten mit Mord bedroht, entführt oder tatsächlich umgebracht wurden, geschah damals nur in Ländern, in denen Meinungsfreiheit noch nie etwas gezählt hatte. Ich wollte sicher gehen, dass die Klienten sich sicher waren, nicht irgendwo "Dreck am Stecken" mit sich zu führen, wenn sie sich entschlossen für ihre Sache ins Rampenlicht zu treten.
Beim Sport war das in den Tagen der Wiedervereinigung besonders schwierig und oft moralisch zwiespältig, ost-westliche "Aufarbeitung" von der Arbeit der aktuellen Aktiven und Funktionäre. fern zu halten.
"Geh du mal, und erklär denen das!" Hieß es dann oft. Aber ich war eben kein sogenannter "Spindoctor", sondern verstand meine Arbeit stets als Schadensabwendung vom Großen und Ganzen. Dazu musste man sich nicht neben die "Delinquenten" stellen, sondern Fäden ziehen und Netzwerke aktivieren. Allerdings habe ich nie hinterm Berg gehalten, wenn es um  "nicht wählbare" Kandidaten ging.

Quelle: YouTube
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=WPjnhKnrMeo
Das musste ich vorab einfach mal loswerden, vor allem, um den Unterschied zwischen Manipulation und Schutz der Persönlichkeit erahnen zu lassen. Aber ich bin mir gerade nicht mehr sicher, ob das so in der Gegenwart überhaupt noch funktionieren kann. Zu sehr hat sich der Umgang mit den Medien und ihren Berichterstattern  verändert, um nicht zu sagen verhärtet.
Wenn KI-Suchprogramme Doktorarbeiten in Sekundenschnelle nach Plagiaten durchforsten können. Wenn "Öffentlich Rechtliche" unter General-Verdacht gestellt  und deren Mitarbeiter vom Mob für vogelfrei erklärt werden. Wenn wiederum die Staatsmacht solche Kanäle zu deren Festigung in ihre Gewalt bringen  und diesen Akt auch juristisch absichern möchte. Dann ist es eben angebracht, dass sich Recherchen-Kollektive auch ohne öffentlichen Auftrag in Netzwerke mogeln, um haarsträubende Vorgänge aufzudecken, die unsere Gesellschaft unbemerkt zu ihrem Schaden verändern könnten.

Das freundliche Lächeln
des Hasses:
Österreichs führender
Identitärer:
Martin Sellner agiert immer häufiger
grenzüberschreitend
Quelle: wikipedia
Daher wird jetzt das "Aufstehen gegen Rechts" zurecht von Tag zu Tag so weitergehen. Und es ist ja nicht nur das "Arme Deutschland", das da multimedial unterwandert wird, sondern nahezu in allen Ländern der EU wird der Rechtsruck nach einer Art Blaupause unisono quasi konzertiert gesteuert. Verblüffend nur, dass das Denkmodell der Medienzersetzung wieder einmal eine österreichische Handschrift trägt.

Hier mal eine spannende Horror-Lektüre zum alten Thema. "Denk ich an Deutschland in der Nacht...":

https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/

Donnerstag, 25. Januar 2024

Werte, wie wir sie wünschen, wird weder Werteunion noch AfD wollen

Denker im Quer-Format mit Brillen im Himmler-Style:
Hans Georg Maaßen und Thilo Sarazin
demonstrieren gleichermaßen,
wie man sich von rechts und links
wohlfeil in faschistisches Gedankengut
hinein salbadert
Es geht heute nicht mehr um die Frage kleiner politischer Korrekturen in die eine oder andere Richtung. Heute geht es um alles: es geht darum, ob es das Deutschland, wie wir es kennen, weiterhin geben wird. Es geht darum, ob wir weiterhin in einer wirtschaftlich stabilen, freiheitlich-demokratischen, sicheren und sozial gerechten Gesellschaft leben können. Und es geht darum, ob wir bereit sind, diese Errungenschaften, unsere Identität und unsere Werte linken Ideologien zu opfern.  
Zitat von der Web-Seite  der Werteunion:
Unsere Mission 
https://werteunion.de/ueber-uns/

Zum Vergleich: Das "25 Punkte Programm", das Adolf Hitler am 24. Februar 1920 vor 2000 Zuhörern im Münchner Hofbräuhaus verlas:
 
https://de.wikipedia.org/wiki/25-Punkte-Programm
Quelle: wikipedia

Werden wir von der Großeltern-Generation einst wieder zu unserer Entschuldigung sagen, wir hätten das Ausmaß dessen, was da heran naht, nicht einschätzen können? Im Gegensatz zu 1920 wird von den Medien derart in der Breite berichtet, dass es aktuell vielerorts zu Massenprotesten gegen Rechts kommt. Das ist eine deutliche andere Qualität im Vergleich zur Vornazi-Zeit. Aber machen wir uns nichts vor: Die braunen Ungeister können sich der Medienvielfalt genauso clever bedienen. Es kommt auf genaue Analyse beim Hinsehen und -Hören an. Wenn Friedrich Merz zum Beispiel vor einem Millionen-TV-Publikum bei Karin Miosga meint, man solle nicht alle der AfD-Wähler gleichermaßen werten:   
Quelle: Tagesschau

                                                                                                                   
„Natürlich gibt es da richtige Nationalsozialisten. Aber deshalb sind nicht alle Wählerinnen und Wähler dieser Partei Nazis. Und wenn wir die zurückgewinnen wollen, dürfen wir sie nicht beschimpfen.“
Bei solchem unverblümten Taktieren darf die Werteunion, die  ja nun als Partei an die gleiche Wählerschaft will, nicht übersehen werden. Bislang war sie mit ihren rund 4000 Mitgliedern überwiegend der scharfe Rand der CDU/CSU, aber wenn es um die Pfründe der Macht geht, kann da scheibchenweise wieder ein Weimarer Koalitions-Konglomerat entstehen, bei dem Werte-Grenzen sich derart verschieben, dass Tabus nicht länger schrecken.
Es geht dabei auch noch  nicht allein darum, welche der führenden Werteverwirrer individuelle Verknüpfungen zu Identitären und Nazis bilden. Entscheidend ist aber deren materieller Einsatz. Da möchte man schon mehr darüber wissen, wieso ein ehemaliger Berliner Finanzsenator 120.000 Euro für eine Immobilie locker machen kann, die im Österreichischen Linz als konspirativer Treff dienen soll.
Auch das ist ja nicht neu, dass das Großkapital bei genügend aussichtsreicher Perspektive ins Lager der Demokratie-Vernichter umschwenkt:
https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/peter-kurth-cdu-identitare-bewegung-rechtsextremismus-afd-100.html 
sowie
https://www.tagesschau.de/inland/afd-besuche-100.html 

Dienstag, 23. Januar 2024

Immer wieder Baustopp?



Das Mehrfamilien-Haus aus der Gründerzeit gegenüber unserer Glasfront gibt uns seit  fast drei Jahren Rätsel auf: Mal rücken Bauarbeiter in Mannschaftsstärke an, um Schwertransporte mit Tonnen an Baumaterial leer zu räumen. Es werden Spezialkräne in den Hof bugsiert, um die sperrigen Güter irgendwo auf den Stockwerken zu verteilen, in denen aber auch immer noch Parteien wohnen. Mal wird im Inneren zügig abgearbeitet, dann herrscht wieder wochenlang Baustopp. Dann wurde das vermutlich unter Denkmalschutz stehende Gebäude noch vor Weihnachten quasi über Nacht rundum eingerüstet. Da war aber eigentlich schon klar, dass der Januar so "zapfig" kalt und wechselhaft werden würde, dass da drauf niemand würde arbeiten können. Gestern kam eine Firma, die Estrich anlegte
Mittlerweile könnte der Baufortschritt auf der anderen Straßenseite als Menetekel für die Entwicklung der Bauwirtschaft 2024 gedeutet werden. Aber waren die Voraussetzungen für die Bauwirtschaft nicht in früheren Jahren schon mal dramatischer? - Die Zinsen höher und die Materialkosten durch Mangel schon kaum mehr aufzufangen? Die nächste hausgemachte Krise wird da zur Zeit doch ganz anderen Umständen zugeschrieben: Nämlich der Ampel, weil das gerade so gut ins Szenario passt! Als wehrloser Bürger wird man den Eindruck nicht los, dass jeder, bei dem es nicht so läuft wie erhofft, im Krisenmodus auf jenen Zug aufspringt, der keine Bremsen hat...

Die Nachrichten, die täglichen Hinweise auf die massivste Baukrise der letzten Jahrzehnte werden folgerichtig auch von Horrormeldungen zur Signa-Krise, des österreichischen Immobilien-Jongleurs René Benko gespeist. Der hat unteranderem Galeria-Karstadt eiskalt in die dritte Insolvenz schlittern lassen. Nun heißt es, allenthalben stünden Großbauprojekte des 47jährigen österreichischen  Unternehmers in Deutschland vor dem kompletten Baustopp, weil niemand diesem Musterknaben noch Geld leihen möchte und seine Kapitalrücklagen im Nirwana verschwunden sind. Das wäre dann umständehalber wieder einmal ein Milliarden-Fiasko mit drastischem Verlust für alle Beschäftigten, bei dem vermutlich bald nach staatlicher Hilfe verlangt wird.

Quelle: SPIEGEL
Für Coups dieser Größenordnung
bedarf es Schulterschluss
mit mächtigen Strippenziehern:
Österreichs Ex-Kanzler Kurz mit René Benko
Wer wie meine Frau und ich schon einige Jahrzehnte auf diesem Planeten verbracht hat, kann da wieder einmal nur den Kopf schütteln. Obwohl wir beide von Wirtschaft nichts verstehen und von Banken eines ums andere Mals regelrecht aufs Kreuz gelegt wurden, erkannten wir sofort das Muster wieder. Als wir  hörten, was Benko alles kauft oder baut, wer ihn als Unternehmer lobt oder wer da schon vor einer mit Nebel gefüllte Immo-Blase gewarnt hat, war uns klar, dass da eine weitere Milliarden-Pleite wie damals mit Jürgen Schneider in den 1990ern auf uns zukommen könnte. Wieso kann das in der Bauwirtschaft immer wieder passieren? Weil auf Teufel komm raus spekuliert wird und stets auf Idealbedingungen spekuliert wird.

Kreditinstitute, die dem kleinen Mann oder der armen Frau nur widerwillig und allein bei mehrfacher Absicherung Geld leihen, hauen bei solchen Typen mit deren unergründbaren Firmen-Geflechten in der Hoffnung auf überproportionalen Gewinn geradezu harakirimäßig das Geld raus. Vermutlich würden sie heute nicht noch einmal wagen, ihre Millionen-Verluste aus solchen Pleiten dann gegenüber der Öffentlichkeit als "Peanuts" zu bezeichnen, aber sie könnten eben wie andere Kriegsgewinnler auch das Unvorhersehbare dieser Zeit als Entschuldigung anführen und den Staat um einen "Rettungsschirm" bitten.

Sonntag, 21. Januar 2024

Mehr Licht!


"Eppur si muove!" Musste gegenüber der Inquisition zunächst abschwören,
dass die Erde eine Kugel ist: Galileo Galilei am 22. Juni 1633

Ob "mehr Licht!" oder "sie dreht sich doch!", ob Goethe oder Galilei  - was nützen schon mühsam kolportierte  "berühmte letzte Worte", wenn ein paar Jahrhunderte später Schlaumeier feststellen, dass sie so nie gesprochen worden sein können?
Ich wurde 200 Jahre nach Goethe geboren, habe aber stets gewusst, dass Licht für mich als im März Geborener besonders wichtig sein muss. Und so habe ich an den "famous last words" unseres naturkundlich so bewanderten Dichterfürsten nie gezweifelt.

Quelle: National Geographic
Mitten im Ersten Weltkrieg wurde im Deutschen Reich zum Befeuern der Rüstung
 die Sommerzeit erstmals eingeführt
Goethe starb am 22. März 1832.  Heuer beginnt die Sommerzeit am Sonntag, den 31. März und dauert bis zum 27. Oktober. In den USA wird die Zeitumstellung als "Daylight Saving Time" bezeichnet. Weil die Tage im Frühling so deutlich länger werden, haben Volkswirtschaftler und die Politiker  sie beschlossen, um mehr wirtschaftlichen Nutzen aus der Arbeit zu ziehen. 44 Jahre nach ihrer dritten Wiedereinführung in Deutschland 1980 gibt es Bedenken, ob sie nicht mehr Schaden an der Volksgesundheit anrichtet, als tatsächlich wirtschaftlichen Nutzen zu bringen.

Als Reisender mit mehreren zu überwindenden Jetlags pro Jahr habe ich keine Probleme gesehen, die diese Stunde früher oder später bei uns "zeitigen" könnte. Zeit-Forscher sind sich mittlerweile durch Experimente sicher, bei denen Probanden von Zeit und Licht weg geschlossen werden, dass die innere Uhr des Menschen viel sensibler Tickt als gedacht. Eine klinische Feldstudie in Luzern führt eine Zunahme an Herzinfarkten, Verkehrsunfällen und  Depressionen unmittelbar auf diese im Prinzip ja nur eine Stunde radikalen Schlafentzugs zurück.

Als einer, der nahezu die gesamten hellen Tage 2023 liegend in abgedunkelten Zimmern verbracht hat und erst direkt zu Beginn der Winterzeit  aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erlebe ich die Stunde "länger Schlafen" auch jetzt immer noch als seelische Folter. Das radikale Wecken und die Erstversorgung mit Messungen und Medikamenten im Krankenhaus erfolgte da ja bereits mehrere Monate ab sechs Uhr früh. Mein eigener Lebensrhythmus wurde mir aber als Rentner von meiner inneren Uhr mit Schlaf von ein Uhr nachts bis neun Uhr früh vorgegeben. Diese Diskrepanz habe ich aktuell immer noch nicht überwunden. Mir fehlt es an roten Blutkörperchen, ich habe Atemnot und einen akuten Mangel an Vitamin D. Weil ich immer noch im Krankenhaus-Timing aufwache, sitze ich bereits seit über einer Stunde am Computer und erlebe, wie erst jetzt  die Sonne aufgeht...

Quelle: Tagesspiegel
Wenn die Betten bis auf die Gänge stehen. kann man nicht früh genug mit dem Betrieb anfangen

Hat Goethe sie nicht als letzte Worte gesprochen, so tue ich das hoffentlich auch nicht. Also ergänzt durch das Zauberwort:

Mehr Licht - bitte!

Donnerstag, 18. Januar 2024

Es droht die Kapitulation vor der Allgegenwart der Kriege

 Selensky tut mir genauso leid wie unser Kanzler. Guten Willens und voller Tatendrang hatten beide ihre Ämter übernommen und gerieten in die chaotischsten Legislatur-Perioden nach dem Zweiten Weltkrieg, Dass sie in dieser verzweifelten Situation mit häufig nicht relativierter Kritik und auch gezielten Anfeindungen und oppositionellen Tricks nicht zurück ziehen, zeugt von einem außergewöhnlichen Beharrungsvermögen, das man eigentlich im Moment der ganzen Welt wünschen möchte.

Quelle: www.wr.de
Stattdessen schleicht sich Tag für Tag eine spürbar wachsende Gleichgültigkeit gegenüber den betroffenen Ukrainern ein. Auch der Gaza-Konflikt lenkt natürlich die Spendenbereitschaft teilweise um, aber es bleibt eine Tatsache, dass die schon während 2023 und zu Beginn des dritten Kriegsjahres krass zurück gegangen ist. Die innenpolitische Blockade der Ukraine-Unterstützung durch die Republikaner in den USA sendet vor allem an die vielen wichtigen privaten Kleinspender weltweit auch ein falsches Signal. Das ist aber nicht zu verwechseln mit der Weigerung der Bunderepublik, den Marschflugkörper "Taurus" zu liefern. Der gehört ganz eindeutig zu einer offensiven Waffengattung, die Verteidigung bei zunehmender Bedrängung auf Angriff switchen könnte...

"Man gewöhnt sich in den meisten Fällen auch an die ganz schlimmen Katastrophen im Leben. Nach einer gewissen Zeit ist man wieder auf dem Ausgangsniveau, egal was sich vorher ereignet hat", sagte der Angstforscher und Psychologe Jürgen Margraf der Deutschen Presse-Agentur.

Am 19. Januar 1419 erobert Henry V
während des Hundertjährigen 
Krieges die  französische Stadt Rouen und
verleibt sie  dem United Kingdom ein.
Atomwaffen lassen heute einen derart
langen Krieg vermutlich gar nicht mehr zu

Wer heute in Wikipedia scrollt, was an einem 19. Januar im Verlauf der Weltgeschichte so alles an kriegerischen Konflikten vom Zaun gebrochen wurde, fragt sich dann sowieso, was Spenden oder Unterstützung durch Waffenlieferungen überhaupt bewirken könnten. Dass Partei Ergreifen nicht allein eine Frage des Gewissens sein darf, macht es dem machtlosen Individuum noch schwerer, sich zu engagieren.

Quelle: AZ
Als der Krieg in der Ukraine weiter eskalierte, hatte ich mich spontan dazu durchgerungen, meine lebenslange, strickte pazifistische Haltung über Bord zu werfen. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass ein solcher Geisteswandel auch zum perfiden Kalkül des Vladimir Putin gehört hat. Nichts schwächt die Gesellschaft der Friedliebenden mehr als die Tauben, die wegen der Aggression der Falken ihre Orientierung verlieren. Dann droht die Kapitulation vor der Allgegenwart der Kriege, und da hilft die größte Spendenbereitschaft dann auch nicht weiter.

Dienstag, 16. Januar 2024

Irgendwie in Iowa

 Dass Donald Trump bei der Kandidaten-Kür der US-Republikaner zur Präsidentschaftswahl am 5. November diesen Jahres gleich einen Erdrutsch-Sieg errungen und andere Bewerber seine hörigen Partei um das höchste Amt weit abgehängt hat, lässt befürchten, dass die Welt sich auf eine Eiszeit der Demokratie einstellen muss. Derart konnte bezeichnender Weise die Vorwahl in Iowa gar nicht unter extremeren Bedingungen vonstatten gehen: Temperaturen von mehr als minus 20 Grad und regelrechte "Whiteouts" erschwerten den Gang zur Abstimmung.

Als ich das gestern in den einschlägigen Foren las, beschlich mich ein ungutes Gefühl, das bereits vor längerer Zeit durch zwei Filme in mir ausgelöst wurde: Lasse Hallströms "Gilbert Grape - irgendwo in Iowa" 1993 und "Fargo - blutiger Schnee" der kongenialen Coen-Brüder, der in North Dakota spielt. Beide Bundesstaaten haben zusammen beinahe die Fläche Deutschlands, aber insgesamt nicht mehr Einwohner als Berlin.
Quelle: Academy Awards
Mit vier Oscars eine der 
meist geehrten Schauspielerinnen.
Ihren ersten erhielt sie
für die Hauptrolle
als hoch schwangere
Polizistin  in
"Fargo - blutiger Schnee":
Frances McDormand
Lakonischer, ja trostloser, jedoch nie treffender fiktiv dargestellt wurden die Leute und das Leben in diesen dauerhaft von Republikanern regierten, meist aber abgehängten Bundesstaaten! 
Quelle: amazon
Die Startrampe für zwei
oft ausgezeichnete
Kino-Stars Johnny Depp
und Leodnardo DiCaprio

 Die beiden von schwarzem Humor dramatisch geprägten "Thriller-Komödien" berichten aber auch von der provinziellen Gefangenschaft ihrer Protagonisten, die eben nichts anderes kennen. aber anscheinend gerade deshalb daraus die Heimatverbundenheit und ihren unerschütterlichen  Patriotismus generieren. Sie sind Stand heute die typischen Trump-Wähler in Bundesstaaten mit fast 90 Prozent weißer Bevölkerung. Lohnt sich vor dem aktuellen Hintergrund  der Vorwahlen in North Dakota am 4. März immer wieder diese Meisterwerke des Kintopp anzuschauen...


Sonntag, 14. Januar 2024

Schreck-Gespenst Re-Migration

 Da denkt also eine demokratisch gewählte Partei mit ihren "Kostgängern" im Geheimen darüber nach, alle Migranten und solche mit Migrationshintergrund organisiert aus Deutschland zu vertreiben...
Klar, dass da sofort über ein Verbot nachgedacht wird. Aber kann man eine Partei, die in diesem Wahljahr droht, zur zweitstärksten politischen Kraft in unserem Land zu werden, so einfach verbieten?

Quelle: WDR
Hat da in einem Berliner Hotel eine zweite "Wannsee-Konferenz" stattgefunden?

Wer die aktuelle Situation im Nachbarland Polen genau beobachtet, der kommt nicht umhin, festzustellen, dass der faschistische Populismus längst demokratische Hebel benützt, um mittelfristig an der Macht zu bleiben, wenn der Rausch der ersten Begeisterung für ihn erst einmal verflogen ist. Wir in Deutschland sind da auch schon viel zu spät dran. Wenn sich eine Geistes-Gruppierung derart konkret mit der Vertreibung eines Teils unserer Bevölkerung auseinandersetzt, dann erinnert das nicht nur an die Vorbereitung des Holokaust, sondern beschwört auch herauf, dass da bald Prügeltruppen aufgestellt werden, um die Ungeliebten einzuschüchtern und sie aus ihrer "Komfortzone" zu zwingen:

Quelle: Augsburger Allgemeine
Was macht denen oder was hat denen solche Angst gemacht? Es wäre zu einfach, den Querdenkern, Verschwörungstheoretikern und Fremdenhassern eine Verblendung durch die einschlägigen Medien zu unterstellen. Zum einen ist die Urangst vor dem Fremden aus natürlichen Gründen viel zu tief in  deren Hirnen verwurzelt, und zum anderen hat uns die Geschichte der Menschheit gelehrt, dass dem "Fußvolk" nur wenige Impulse genügen, um los zu stürmen. Eine der wichtigsten Stimulanzien dabei ist die Behauptung, jemand sei abgehängt oder bei den Segnungen des Staates zu kurz gekommen.

Dass das Heer der Unterprivilegierte besonders wächst, weil reiche Cliquen sie ausbeutend am Boden halten, wäre leicht durch die positiven Veränderungen in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft zu widerlegen. Denn vor allen in den Dienstleistungen würde ja ohne die Zuwanderung schon lange nichts mehr funktionieren.
Aber wieso schaffen es denn die Migranten, dass Überfremdung scheinbar so präsent ist? Weil es immer mehr gibt, die hierher gekommen sind und die Chancen, die ihnen in Deutschland geboten werden, mit Fleiß und Beharrlichkeit in sichtbare Erfolge ummünzen.

Quelle: deutschland.de
Ugur Sahin und Özlem Türeci:
Ohne ihren Impfstoff wäre Korona
wie die Pest gewesen
Es kommt einem fast zu leicht vor, da den Profi-Fußball als Beispiel zu nennen, aber es wäre ein Anfang. Der kennt nämlich schon lange keine Migrationsängste mehr, und wenn die bunt gewürfelte Nationalmannschaft aufläuft  - ob erfolgreich oder nicht - ist das zumindest eine Beleg für gelungene Integration. Denn sie spiegelt ja mittlerweile am deutlichsten die deutsche Migrationsgeschichte vergangener Jahrzehnte wieder.

Der offizielle DFB-Nationalmannschafts-Kader 2023
Moderator Mitri Sirin ZDF
Aber es ist auch eine Tatsache, dass Namen an der Spitze Deutscher Politik in Erscheinung treten, die aus diversen "Nachkriegs-Generationen" eindeutig auf die Herkunft ihrer Eltern verweisen. Auch Moderatoren, Journalisten und andere Medienschaffende mit Migrationshintergrund zeugen davon, dass Deutschland längst ein kultureller "Schmelztiegel" geworden ist. Wissenschaftler und Forscher, die ihre Wurzeln nicht hier hatten, aber hier reüssieren, machen uns als Nation stolz, wen sie international ausgezeichnet werden...

Quelle: WELT
Grüner Spitzendoppler: Omid Nouripour
hat sogar noch die Iranische Staatsbürgerschaft
Chakuntala Banergeee ZDF
Es gibt außer Integration keine Alternative für Deutschland. Wer das nicht versteht, darf eben nicht noch mehr Wählerstimmen generieren. Notfalls müssen die "Alt-Parteien" in einer konzertierten Aktion über ihren selbstsüchtigen Schatten springen!

Quelle: euronews.de
In einer Argumentation mit
ähnlicher Schieflage wie in diesem Bild
könnte man AfD-Spitzenmann
Timo Chrupalla von seinen Wurzeln
her auch für einen PIS-Agenten halten


Donnerstag, 11. Januar 2024

Staatstrauer

Foto: SZ
Was für Pele recht war, muss für Franz Beckenbauer billig sein: eine Art Staatsbegräbnis. Für beide Weltfußballer gilt, dass sie mit ihrer Ballbehandlung einen Kultstatus erreicht haben, der weit über das Fan-Volk hinaus reichte und deshalb so mancher Fehltritt verziehen wurde. Das wäre auch ein Stadium, das sich mancher Politiker oder Funktionär für das eigene Ansehen wünschte. Ist das ein Grund, weshalb sie dem am vergangenen Sonntag verstorbenen "Doppelweltmeister" mit offiziell ausgelegten Kondolenz-Büchern und einer Groß-Trauerfeier in der Allianz-Arena huldigen? Sollte Fußball nicht immer die "schönste Nebensache" der Welt bleiben? Aber in einem Super-Wahljahr wie 2024 ist die Verlockung eben besonders groß, sich von der Lichtgestalt - selbst wenn sie tot ist - einen gewissen Abglanz zu sichern. Doch bin ich der Einzige, der sich darüber aufregt, dass der Tod - wie auch bei Wolfgang Schäuble - immer wieder kollektives Vergessen zeitigt?

Da war im Bayrischen Fernsehen zu sehen, wie sich nach dem ständig kamerapräsenten Ministerpräsidenten Markus Söder auch die mit Tränen kämpfenden "Bayern-Granden" (Zitat SZ) in staatsmännischer Kondolenz übten. Unter ihnen der verurteilte Steuersünder, Knasti und WM-Mannschaftskamerad Uli Hoeneß.
Genau bei diesem Anblick hatte ich meinen Flashback: O tempora, o mores. Wie hat sich der Fußball doch verändert, seit ich 1974 als Berichterstatter und Ghostwriter von Kicker-Legende Fritz Walter beim Endspiel der Weltmeisterschaft im Münchner Olympiastadion saß. Rastlos war ich zuvor von Stadion zu Stadion gerast, hatte im InterCity die Sekretariate und das Personal genutzt, um meine Spielberichte und das, was "der Fritz" mir am Telefon auf Tonband kommentierte, auf dem Bahnsteig in München einem Verlagsboten für die Redaktion zu übergeben.

Dass ich überhaupt eine vierjährige Zeit als Fußballschreiber hatte, verdankte ich meinem journalistischen Ziehvater Karl-Heinz Huba, der als Herausgeber die Sportbücher des Copress-Verlags verantwortete.
Vom Ski-Schreiber
zum Fußball-Historiker:
Für die Porträts
verflossener Größen
reiste ich in diverse 
Bibliotheken und musste
exotische Pseudonyme
für mich erfinden

Wenn ich heute auf die Bücher schaue, an denen ich im Rausch der bevorstehenden WM im eigenen Land mitgewirkt habe, dann wird mir ein Phänomen klar: Je weiter du von einem Idol entfernt bist, je mehr du über es recherchieren und in den Archiven nachforschen musst,  desto größer die Empathie. Je intensiver du dich mit Idolen beschäftigst, desto mehr erkennst du, in welchen Zwickmühlen sie, die eigentlich in erster Linie gut Fußball spielen wollten, gerieten

Ich bin Beckenbauer - der als Weltmeister eigentlich permanent von einer Entourage von Höflingen begleitet wurde - nur dreimal persönlich abseits der Fußballplätze begegnet. Wobei die zweite Begegnung für mich eine zweifelhafte Veränderung mit sich brachte. Im Rahmen der Kitzbüheler Hahnenkamm-Skirennen wurde abends ein Promi-Tennisturnier veranstaltet. Je ein Journalist mit einem Sportstar als Doppel. Wir wurden gegen Beckenbauer und einen ORF-Reporter gelost. Eigenen Angaben zufolge hatte Beckenbauer damals erst kürzlich mal einen Tennisschläger in die Hand bekommen. Er strafte seine Aussage durch Sprungkraft statt Stellungsspiel und reaktionsschnelles Eingreifen am Netz Lügen. Geschickt von seinem Partner eigesetzt, hatten wir keine Chance. Dabei war er da bereits in seinem ersten Jahr bei "Cosmos New York", was viele despektierlich als seinen "Austrag" bezeichnet hatten.
Damit der Kaiser auch bei Interviews unmittelbar nach dem Spiel proper aussah, hatten ihm die Cosmos-Leute eine Dauerwelle verpassen lassen. Als der Franz nach dem Duschen meine nass herunter hängenden Schnittlauch-Strähnen betrachtete, meinte er nur: "Das täte dir auch passen. Schau, nur mit dem Handtuch rubbeln, kein Föhnen mehr - fertig."

Wer lehnt schon einen Mode-Tipp von seiner Majestät ab, auch wenn er dann aussieht wie ein Riesen-Schaf!
Unsere dritte Begegnung fand übrigens während eines Charity-Turniers auf einem Golfplatz statt. Und es ist keine üble Nachrede, wenn ich konstatiere, dass der Kampf mit dem kleinen Ball aus dem stets höflichen und freundlich jovialen Idol einen wutschnaubenden Berserker machte... RIP Franz!

Dienstag, 9. Januar 2024

Vom Überschreiten von Grenzen

Verglichen mit großen Flüssen dieser Welt ist der Rubicone, der bei Rimini in die Adria fließt, eine Pinkelrinne. Dass sein Durchqueren zum Begriff für das Überschreiten von Grenzen wurde, den sogar ein früherer Kurzzeit-Bundespräsident bei einem lächerlichen Streit mit der BILD-Zeitung verwendete, verdankt er dem Römer Gaius Julius Cäsar. Der Feldherr überschritt den Rubikon - damals noch Grenzfluss zur Hauptprovinz - am 10. Januar 49 v. Chr. mit seinen Truppen gegen den ausdrücklichen Erlass des Römischen Senats, seine Streitmacht aufzulösen und eroberte Herrschaftsbereiche aufzugeben. Es war der Beginn des Römischen Bürgerkrieges, den der spätere Imperator angeblich mit dem immer wieder hartnäckig falsch übersetzten Zitat des Griechischen Sprichworts ἀνερρίφθω κύβοςkommentierte: "Hochgeworfen sei der Würfel". Daraus wurde lateinisch "Der Würfel ist gefallen" - alea jacta est! Das Sinngemäße, es gäbe für sein Tun kein zurück mehr, wird natürlich durch den Würfel, der noch zum Fallen unterwegs ist, viel besser getroffen. 

Der Rest ist eben Geschichte, zu der der dünnhäutige und gern selbstverliebte Christian Wulff in seiner zweijährigen Präsidentschaft nicht allzu viel beigetragen hat. Von seiner Bedeutung als Staatsmann war er dann wohl doch eher ein "Flüsschen".

Quelle: BSZ
Wenn Grenzüberschreitungen nämlich von Dauerhaftigkeit geprägt sein sollen, müssen sie schon eher rücksichtslos sein wie Putins sich in die Länge ziehende "Spetsial'naya operatsiya" gegen die Ukraine. Aber je länger sie dauern, also je länger der Würfel im Fallen unterwegs ist, desto schwerer wird das Zurück vom Handeln. Daran sollten gerade in dieser Woche die Blockade-Bauern und die GDL-Gangster denken.  Sie stellen sich in prekären Zeiten mit ihrem Handeln außerhalb einer Gesellschaft, zu der sie ja selbst auch gehören. Was, wenn die ihnen auch einmal die Solidarität derart massiv verweigerte?

Sonntag, 7. Januar 2024

Bauern-Aufstand


Denkmal in Kochel am See
Quelle: Wikipedia

Dies ist die erste Strophe des Mundartgedichts von Karl Stieler.
Sogar vertont gehörte sein "Schmied von Kochel" in den 1950ern
in den Lehrplan der vierten Klasse (damals noch) Volksschule.
Bezeichnender Weise gibt es keinen verbrieften Existenz-Nachweis
zu diesem oberbayrischen Volkshelden der sich so hartnäckig
als "wahre Legende" zur Sendlinger Mordweihnacht von 1705
in den volkstümlich gestimmten Herzen festgesetzt hat.
Ich war nach dem Umzug im Münchner Schulsystem
ein Spätopfer jener "Bayrischen Volkserhebung 1705/06".
Damit der "Zuagroaste", der wegen zu schnellen Sprechens auch schon
mal nachsitzen musste, sich akklimatisiert, hatte er zur
Belustigung der Klasse obige Strophe mundartlich bemüht, vorzutragen...


Als erklärtes Kind der Großstadt hatte ich weder in meinem Geburtsort Hamburg noch in meiner "Lebensstadt" München besonderen Kontakt zu Bauern. Ich musste erst mit 50 auf den ligurischen Burgberg ziehen, um annähernd zu verstehen, welch harter Broterwerb die Landwirtschaft sein kann.

Aber wenn ich mich an die beinahe an jedem Sommer-Wochenende in den 1950ern stattfindenden Fahrten über Land an die Ostsee erinnere, dann habe ich viele sehr geschwind prosperierende, ländliche Anwesen in Erinnerung. Mit denen konnte die mühselige Sanierung der Bombenschäden in Hamburg lange nicht mithalten.
Kanzler Konrad Adenauer und Wirtschaftswundermann Ludwig Ehrhard wussten schon, was sie an ihrer ländlichen Stammwählerschaft hatten und schufen eigens für sie den "Grünen Plan". Es wurde nahezu jeder Zweig der Agrarproduktion subventioniert. So entstanden aber auch die Butter-Berge und Milch-Meere. Ganz abgesehen davon, dass die einseitigen Maßnahmen zur Flurbereinigung später ökologische Langzeit-Probleme nach sich zogen. Hauptsache die Landwirte waren es zufrieden. Bis zum Jahre 2021/22 wuchsen die Subventionen für jeden Landwirtschaftlichen Betrieb auf durchschnittlich 48.000 Euro pro Jahr.

Ein altes Sprichwort fordert: Gibt man Dir, so nimm. Nimmt man Dir - so schrei!
Genau das tun die aufgebrachten Bauern nach den Kürzungsbeschlüssen der Ampel mit den Sternfahrten auf ihren gerade noch viel subventionierten Diesel schluckenden Treckern. Das ist natürlich ihr gutes Recht, aber wirft eben auch ein schlechtes Licht auf das Verhältnis der Landwirte und -Wirtinnen zur Solidarität mit dem Rest der Bevölkerung. Der muss die überproportional inflationären Preise für Agrarprodukte wehrlos verdauen,,,
Sparen sollen doch allein die Verbraucher, schließlich verstehen sich die Bauern zudem als die unverzichtbaren Versorger-Elite der Nation.

Quelle: Planet Wissen
Darstellung vom Deutschen Bauernkrieg
Historisch waren Bauern schon streitbar, als ihre Revolten noch nieder gemetzelt oder nach deren Scheitern mit dem Tode bestraft wurden - wie weiland bei der oben zitierten Sendlinger Mordweihnacht 1705 oder beim Deutschen Bauernkrieg von 1525 bis 1526. Um nur zwei von vielen Bespielen zu nennen, bei denen es jedoch tatsächlich um Beendigung von Fron oder ungerechten Besteuerungen ging. Aber die aktuell dringend erforderlichen Sparmaßnahmen betreffen eben alle Deutschen und sind ja auch nicht allein der Bundesregierung geschuldet. Immerhin wird die durchschnittliche Subvention für die Agrarier nach den Kürzungen immer noch bei bis zu 40.000 Euro liegen - zurückgenommene Kürzungen noch gar nicht wieder hinzu gerechnet.

Quelle: WELT
Woher wusste der Mob von der Fährfahrt Robert Habecks?
Aber wer als Mob zusammen gerottet einen Bundesminister einschüchtert und ihn an der Heimkehr aus dem Urlaub hindert, offenbart einmal mehr den alten bäuerlichen Geist der Gewalt. Das Duo Söder Aiwanger mag da mit klammheimlicher Freude seine Kassandra-Klage von deer Instrumentalisierung der Bauern anstimmen. So  schnell ist der Eindruck nicht fort zu reden, da sei von weit rechts außen der Shitstorm über gewisse "Social Media" gesteuert worden...

Donnerstag, 4. Januar 2024

Was machen wir nur mit dem Wasser?

 Während in unserer Glasfront der Starkwind wahre Orgel-Konzerte intoniert, warten wir spätromantisch auf den immer wieder angekündigten Schneefall.  So wie er zu Beginn des vergangenen Dezembers die Großstadt verzaubert hat. War allerdings innerhalb weniger Tage für die Räumfahrzeuge vielleicht doch etwas viel gewesen. Aber dann wieder mal - wie üblich - gar kein Schnee zu den Feiertagen. Das ist schon frustrierend.

Quelle: Augsburger Allgemeine


Dabei ist das Wetter in diesen Tagen doch sonst ein so spannendes und dramatisches Dauerthema: Monsterwellen von bis zu zehn Metern Höhe an den europäischen Westküsten. Über 40 Grad minus in Schweden,  gleichzeitig 30 Grad plus in Spanien, und dann lassen Dauer- und Starkregen bei uns kleinste Flüsse monströs anschwellen, Deiche unterspülen und ganze Landstriche landunter gehen.

Ein Nord-Süd-Gefälle gibt es auch beim Süßwasser
Es ist klar, dass die schwächelnde Regierung der Ampel auch dafür gleich wieder ihr Fett weg bekommt. Sie täte nach der Katastrophe im Ahrtal einfach zu wenig für den Hochwasser-Schutz. Aber ganz abgesehen davon, dass Maßnahmen der Wasserwirtschaft langwierig angegangen werden müssen, sind die Probleme mit dem Wasser meist kommunal und  hausgemacht - wie der europaweite Trinkwasser-Mangel in den beiden vergangenen Trocken-Sommern. Nicht alles ist nämlich allein Schuld des Klimawandels, sondern deckt ökologisches Versagen und achtlosen Umgang mit unserem kostbaren Nass auf.

Laut UNESCO möchten 70 Prozent der Erdenbürger unmittelbar am Wasser - also an Küsten, Flussufern oder Seen  wohnen oder siedeln. 2,2 Milliarden leben in absoluten Trockenzonen und bald eine Milliarde hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zudem ist das Wasser  derart ungerecht verteilt, dass im dünn besiedelten Norden der Erdhalbkugel ausgerechnet eine Vielzahl an Seen und Flüssen in absoluter Wildnis zu finden sind.

Quelle: SWR 3
Manches an der Ahrtal-Flutkatstrophe wirkt im Nachhinein fast
wie eine Provokation der Elemente
Im engen und dicht besiedelten Ahrtal hätten hingegen viele Baugenehmigungen im Hinblick auf potenzielle Hochwasser-Situationen nicht erteilt werden dürfen.

In den hoch zivilisierten Industrie-Nationen ist es die radikale Bodenversiegelung durch Großbau-Projekte in Megacitys, die dem Wasser seinen der spezifischen Physik geschuldeten  Weg abgraben.

Ein Beispiel, dass einmal aus Unwissenheit im wuchernden Wirtschaftswachstum begangene wasserwirtschaftliche Verbrechen und Ökosünden am Leben spendenden Nass immer noch radikal neutralisiert werden können, ist die Stadt Chicago:  Überreichlich mit Wasser ausgestattet nahm man auf die Gewässer rundherum im industriellen Bauboom des 20. Jahrhunderts keinerlei Rücksicht. Dann siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Chicago_River die totale Umkehr.

Quelle: Wikipedia

Wenn die Welt Wasser erst einmal richtig zu wertschätzen lernt, ist ähnlich wie beim Klima noch eine Menge drin. Was wir mit dem Wasser machen, wird unsere Zukunft mehr bestimmen als alle anderen Maßnahmen. um zu überleben. Ganz sicher hat das gemessen am heutigen Standard einen exorbitanten Preis, der sogar künftige Energie-Kosten in den Schatten stellen wird. Damit der aber letztlich kontrollierbar bleibt, muss sofort Schluss sein mit dem Verkauf von öffentlichen Wasserrechten an die Privatwirtschaft. Die Qualitätssicherung muss - egal was sie kostet - ganz oben auf der Prioritäten-Liste stehen, und es müssen längst angedachte Ideen aus den Planungsschubladen geholt werden.

Quelle: dreamstime
Beispiel: Vor mehr als drei Jahrzehnten habe ich in einer Diskussionsrunde von den Grünen den Vorschlag gehört, man möchte doch prüfen, ob die Kreisläufe von Trink- und Brauchwasser nicht generell getrennt werden sollten. Noch immer spülen wir beispielweise Milliarden Hektoliter an wertvollem Trinkwasser in unseren Klos herunter oder waschen Autos privat am Wochenende mit einer Wassermenge, die eine Familie in der Sahelzone mühsam einen Monat lang über weite Wege heran schleppen muss...



Dienstag, 2. Januar 2024

...Allein mir fehlt der Glaube


Faust:
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.

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Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben, 


Quelle: FAZ

Goethe im Deutschunterricht zu lesen und dann gar interpretieren zu müssen, war für mich eine schreckliche Qual. An Bayrischen Gymnasien war der Faust ja bis 2016 als Pflichtlektüre unumgänglich. Aber ein paar Jahre bevor ich mich erstmals mit ihm auseinandersetzen musste, war der Faust 1960 grandios mit Gründgens als Mephisto verfilmt worden. Und so sah ich mir - statt zu lesen - den Film sehr intensiv im Fernsehen an und studierte die Kritiken von unseren Kultur-Gurus dazu. Daraus - unterst
ützt von Gründgens diabolischer Mimik - zimmerte ich mir meine als Referat zu haltende Interpretation und erhielt so - meiner Erinnerung nach - die einzig vorzeigbare Note, die ich jemals im Fach Deutsch bekam.

 
Ja, die Erinnerung! Tatsächlich ist mir vom Faust nur das verkürzte Zitat als Überschrift zu diesem Blog im Gedächtnis haften geblieben. Schuld daran war aber später auch der kongeniale Klaus Maria Brandauer, der in den beiden Mephisto-Filmen von 1981 und 2000 zweimal unter der meisterhaften Regie von Istvan Szabo derart penetrant schauspielerische Repliken von der verkappten Gründgens-Karriere im Gunst-Kreis der Nazis mimte, dass einem der Komplex "Kultur und Politik" selbst heute noch aufstößt wie Teufelsgebräu. 
 
Beide Bilder: kino.de
Dass mit zunehmenden Lebensjahren die Bandbreite für Interpretationen wächst, bemerke ich jetzt gerade beim Texten. Faust antwortet ja im obigen Vers auf die "Chöre der Weiber und Engel", die ihn an seine Verletzlichkeit und die Vorsehung erinnern. Aber als Mann der Wissenschaft spricht aus ihm eben auch der Agnostiker.

Leider fehlte mir das komplexe Denken, das Goethe da genial im moralischen Stickrahmen seiner Zeit verwoben hat: Etwa "Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind." Dennoch setzt er seinen Protagonisten den listigen Versuchungen des gefallenen Engels Mephisto aus. Damit macht er klar, dass  sich der Konflikt - trotz der  "leibhaftigen Darstellung" des Leibhaftigen  - allein im Gehirn von Faust abspielt, Gut und Böse schlummern im Wesen eines jeden Menschen:  Daher "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust1"

Das war gut gedichtet, lieber Goethe! Aber es ist nur eine Teil-Antwort auf einen inneren Konflikt der mich im vergangenen Jahr immer wieder heim gesucht hat. Da habe ich  - der verbriefte Agnostiker - bei diversen Situationen gebetet, weil ich mir zum Beispiel Sorgen darüber gemacht habe, wie gläubige Moslems in Nahost bei dem verheerenden Erdbeben weiter an ihren Allah glauben können, während auch wenig später Fanatiker des selben Glaubens in der Nachbarschaft kriegerisches Blutvergießen provozieren und der IS sich in Syrien weiter austoben darf. Aber auch, dass Orthodoxe Christen seit bald zwei Jahren auf beiden Seiten der Front dieses perfiden Krieges gegen die Ukraine ihren Glauben an Gott immer noch nicht verloren haben. Oder weshalb in Fernost - nur weil es der neuen Staatsraison gefällt - sich Buddhisten trotz ihrer ach so betonten Friedefertigkeit innerhalb einer Nation immer wieder gegenseitig abschlachten. 

Wer erhört denn all deren Gebete? Und zu wem bete ich alter Trottel, wenn ich an die Existenz "höherer Wesen und ihre Verehrung" nicht glaube? (Immer noch eine der besten literarischen Satiren des sehr gläubigen Katholiken Heinrich Böll:  "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen").
Meine Gebete sind wohl mit dem "Goethischen Denkmodell" aus Faust auch nicht zu erklären. Denn mein Beten ist ja nicht zielgerichtet, sondern Ausdruck von Angst und Hilflosigkeit gegenüber Zuständen, die andere herbei führen und die ich deshalb allein durch Flehen sowieso nicht mehr ändern kann. 

Ja, mir fehlt zu meinen Gebeten der Glaube, aber ich bin wohl angesichts der stetig waschsenden Zahl von Kirchenaustritten in unserem Land zumindest nicht allein...