Mittwoch, 11. Januar 2023

Blutige Poe-sie

Grafiken: freepic
Kann schon mal passieren, dass man im Weihnachtstrubel und dem schrottlastigen Angebot der Streaming-Dienste ein Kleinod in der Schlacke übersieht. Am 22. Dezember 2022 feierte die Netflix-Produktion "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" seine Deutschland-Premiere, die ich geflissentlich beiseite schob. Siehe auch mein Post vom 26.12.
Quelle: fimrenzsionen.de

Seit meiner frühen Jugend befasse ich mich mit dem umwölkten Leben und dem daraus geborenen Genre von Poes literarischen Hinterlassenschaft. Bei meinem gewagten Versuch, in einem Referat an der Deutschen Buchhändlerschule in Frankfurt meine Interpretation von Werk und Autor vorzutragen, wurde ich von den Mitschülern derart niedergebuht, dass ich eingeschüchtert aufhörte, mich weiter an meinem damaligen Lieblingsautoren abzuarbeiten. 

Nur soviel: Edgar Allan Poe ist meinem Empfinden nach weder Begründer des Genres Kriminal-Roman noch Erfinder der fantastischen Kurzgeschichte. Poe hat die Alleinstellung seiner Literatur aus sich heraus verdient, weil diese stilistisch nie wirklich zu fixieren war. Er schrieb Herzen berührende Poesie, genauso wie spannende Reportagen von Erlebtem, weil er die zum Lebensunterhalt an Zeitungen verkaufen musste. Dass er währenddessen davon träumte, eigene Zeitschriften herauszugeben, ist typisch für einen Schreiberling bis in die Gegenwart hinein, in der "Print" sich eigentlich schon im Todeskampf befindet. Auch, dass er Frauen zu schnell verfiel, um sie beim Scheitern der Liebe in Verzweiflung mit Oden der Unsterblichkeit zu übergeben Aber genug. Da der kurze Lebenslauf des gebürtigen Bostoners und sein rätselhafter Tod mit 40 selbst einem Roman gleicht, lohnt es sich diverse Biographien im Vergleich zu lesen.

Quelle: wikipedia

Die Netflix-Produktion befasst sich mit einem kurzen, gar nicht so präsenten Kapitel in Poes Leben Nachdem er als einfacher Berufssoldat den höchstmöglichen Rang erreichte, wurde er zwar zögerlich an der legendären Akademie Westpoint angenommen, weil er wegen der finanziellen Sicherheit die Offiziers-Laufbahn für ideal hielt.
Die Verfilmung beruht auf dem Roman "The Pale Blue Eye" von Louis Bayard. Daraus wurde ein Kriminal-Film mit blutiger "Poe-Sie" in eiskalter, verschneiter Landschaft und stilsicherem  Ambiente der 1830er. Ein glänzend schauspielerisch aufgelegter Chistian Baile als Ermittler bizarrer, blutiger Ritual-Morde, bezieht vor Ort den spitzfindigen Kadetten Edgar in seine kriminalistischen Überlegungen ein.

Quelle: kino.de

Wie Harry Melling mit seiner verblüffenden Ähnlichkeit in diesen facettenreichen Charakter des Dichters eintaucht, wäre oscar-verdächtig, wenn denn der Film noch rechtzeitig uraufgeführt wurde...

Aber gerade weil es so gelungen ist, Poe zu visualisieren, muss ich aus meinem persönlichen Empfinden einwerfen, dass Poe das Drehbuch vermutlich ganz anders verfasst hätte. Abgesehen von den nötigen Rückblenden ist der Film recht linear erzählt. Poe jedoch erzielte den "Suspense" nicht mit Spannungsbögen, sondern eher mit Spannungsstufen. Auf denen lud er seine Leser verweilend zur Orientierung ein, um sie damit letztlich zu verwirren.

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