Passend zur Jahreszeit hat der Deutsche Schüler-Rat vergangene Woche die zunehmenden mentalen Erkrankungen bei Schülerinnen und Schülern thematisiert. Das hat mich besonders betroffen gemacht, weil in meiner Kindheit und Jugend keiner so etwas wahrhaben wollte. Weder Lehrer, noch Ärzte und schon gar nicht die Eltern hätten darüber sprechen mögen. Ich weiß das, weil ich Zeit meines Lebens von Zuständen betroffen war, die mich glauben ließen, dass bei mir im "Oberstübchen" nicht alles normal ablief.
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Wie wird herangegangen an Heranwachsende, die täglich von einer Lawine schrecklichster Nachrichten zugeschüttet werden? Die medialen Programmen und Spielen ausgesetzt sind, in denen es ohne Pause um Mord und Totschlag geht - und die dann vielleicht noch zu allem Überfluss von Mitschülerinnen und -Schülern gemobbt werden, die weniger empfindsam oder gar schon abgestumpft sind?
Sie werden immer noch so allein gelassen, wie ich damals, obwohl sie heute ja einer um ein Vielfaches höheren Reizüberflutung ausgesetzt sind. Während meiner Pubertät herrschte ja nur Kalter Krieg. Die Kuba-Krise trieb die Welt an den Abgrund eines Atom-Krieges. Und als J.F. Kennedy in Dallas erschossen wurde, fühlte es sich in der Kirche an, als sei ein weiterer Messias gestorben. Weil ich kurz vor der Konfirmation stand und noch gläubig war, betete ich inbrünstig. Kennedy, der sich im weiteren Verlauf meines Lebens vom Helden in einen normal sterblichen Mann mit Schwächen verwandelte, war dann wie ein Wegweiser in meine Agnostik.
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Was wäre mit mir passiert, hätten meine Eltern und Schwestern meine Merkwürdigkeit erkannt und Schritte eingeleitet, mir zu helfen? Ehrlich, ich weiß es nicht. Wie habe ich in Hyper-Aktivität geschafft, innerhalb nur weniger Jahre eine Position zu erreichen, in der sich sogar Lehrer, die mich wegen mangelhafter Leistungen stets verachtetet hatten, bei mir um eine Lehr-Stelle bewarben?
Es wird ja immer wieder auf der Performance unserer Schülerinnen und Schüler in den PISA-Studien verwiesen. Ich bin fest davon überzeugt, dass unter den lustlos erscheinenden Schulabgängern manches Genie übersehen wird. Nur ist heute leider in aller wenigsten Fällen noch eine Selfmade-Karriere denkbar, wenn das Basis-Wissen im emotionalen Überleben nicht beizeiten trainiert wird.
Die Frage, wie finde ich in dieser Welt voller Angstmacher und kriegerischer Gewalt meinen Pfad, wenn ich Emotionen unterdrücke oder sie nur zulasse, indem ich selbst zum gewalttätigen Angstmacher werde? Das ist heute eben nicht mehr allein die Frage nach dem Sinn des Lebens, sondern als Antwort gilt allein das mentale Überleben!
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Langjährige Leser meiner Posts erinnern sich vielleicht daran, dass ich mich in einem Text über meine "Heulsusigkeit" mokiert habe. Inzwischen schaue ich mir ohne tiefere Regung zwar die Zerstörungen an, die Manschen bei anderen Menschen anrichten. Ich lasse die täglichen unserer Unterhaltung dienenden Leichenberge in unseren TV-Programmen emotionslos über mich ergehen. Aber wenn ein niedlicher Hund, ein entzückendes Kind über den Bildschirm flimmert oder gar echte Gefühle ausgelöst werden, triefen meine Augen voller Glückstränen. Und das lasse ich - ohne mich dafür zu schämen - zu, weil ich alles andere ja sowieso nicht mehr ändern kann.
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Die Chance, dass mein Enkel seine Emotionen ausleben kann, ist nicht nur deshalb größer, weil er Einzelkind ist, sondern auch weil meine Frau und ich bei seiner Mutter und seinem Onkel eingedenk meiner Probleme, bei deren oft starken Emotionen immer versucht haben, Auswege anzubieten. Keinem von beiden drohte je ein Burn out.
Mittlerweile gibt es gut zwei Dutzend Ratgeber-Bücher zur "Emotionalen Intelligenz". Es ist so schwer, da nicht das Gefühl zu bekommen, die Autor*innen hätten gegenseitig von einander abgeschrieben. Eine gute "Zusammenfassung" ist immerhin die von Sarah Williams. Aber der sicherste Weg für jeden von uns ist, Emotionen einfach zuzulassen, sich an ihnen zu erfreuen oder gar Stärke aus ihnen zu gewinnen. Dafür braucht es eigentlich weder gedruckte Ratgeber noch therapeutische Sitzungen...
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