Mittwoch, 5. November 2025

Remember, remember the fifth of November

Schüler meiner Generation mussten dieses Gedicht im Englisch-Unterricht noch auswendig lernen und in Extemporalen auch übersetzen. Kurios, dass wir über die Vorgänge vom 5. November 1605 damals mehr erfuhren als über all die fehlgeschlagenen Attentate auf Adolf Hitler.

Remember, remember the fifth of November,
gunpowder, treason and plot,
I know of no reason why gunpowder treason
should ever be forgot.
Guy Fawkes, Guy Fawkes,
’twas his intent
to blow up the King and the Parliament.
Three score barrels of powder below,
Poor old England to overthrow:
By God’s providence he was catch’d
With a dark lantern and burning match.
Holloa boys, holloa boys, make the bells ring.
Holloa boys, holloa boys, God save the King!

Hip hip hoorah!

In einer Zeit, in der es durchaus opportun war, politische Gegner zu meucheln, markierte der "Gunpowder Plot" wohl den erste Meilenstein des bis heute immer noch mit Eifer praktizierten Terrorismus. Sind Anschläge erfolgreich, wie der auf die Olympischen Spiele 1972 in München, die auch mich betrafen, gehen sie als Zeitenwende in die Geschichte ein. Scheitern sie, gedenkt man ihrer zur Mahnung.

Quelle: Wikipedia
Der Anschlag von Guy Fawkes und seinen Mitverschwörern scheiterte, weil einer seiner vermeintlichen, katholischen Kumpane ihn - wie das im Neusprech heißt - durchgesteckt hatte. Die 2,1 Tonnen Schwarzpulver hätten gereicht, nicht nur den Westminster-Palast, sondern im Umkreis von fast einer Meile alle Gebäude der damaligen City zu zerstören. Aber ich war nicht dabei, und deshalb empfehle ich den Beitrag, der erklärt, weshalb der Guy-Fawkes-Day immer noch mit Strohpuppen-Verbrennungen und Feuerwerk begangen wird,  auf Wikipedia.
Auch die Perspektiven zum Wenn und Aber. Denn die eigentlich Zielsetzung, England von der Allmacht der Katholischen Kirche zu befreien, scheiterte demnach so gründlich, dass es noch weitere zwei Jahrhunderte dauerte, bis die "Church of England" auf der Insel die Vormacht errang.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gunpowder_Plot

Mir geht es eigentlich um etwas anderes: Wann kapieren die Terroristen und ihre Adepten weltweit, dass Terrorismus eben nicht ein nachhaltiges Mittel zur Veränderung der Welt ist. Auf lange Zeit hat kaum ein Anschlag je Systeme wirklich verändert, sondern es war Beharrlichkeit im friedlichen Widerstand. Wer, wenn nicht wir Deutschen, hätte aus beiderlei Perspektiven nachhaltig lernen können. Graf Stauffenberg und die Geschwister Scholl müssten doch in ihren unbekannten Gräbern rotieren, wenn sie den anscheinend unaufhaltsamen Aufstieg der AfD von vermeintlich höherer Warte noch miterleben könnten...

Montag, 3. November 2025

Wenn es für Emotionen keinen Ausweg mehr gibt

Passend zur Jahreszeit hat der Deutsche Schüler-Rat vergangene Woche die zunehmenden mentalen Erkrankungen bei Schülerinnen und Schülern thematisiert. Das hat mich besonders betroffen gemacht, weil in meiner Kindheit und Jugend keiner so etwas wahrhaben wollte. Weder Lehrer, noch Ärzte und schon gar nicht die Eltern hätten darüber sprechen mögen. Ich weiß das, weil ich Zeit meines Lebens von Zuständen betroffen war, die mich glauben ließen, dass bei mir im "Oberstübchen" nicht alles normal ablief.

Quelle: DepositPhotos

Wie wird herangegangen an Heranwachsende, die täglich von einer Lawine schrecklichster Nachrichten zugeschüttet werden? Die medialen Programmen und Spielen ausgesetzt sind, in denen es ohne Pause um Mord und Totschlag geht  - und die dann vielleicht noch zu allem Überfluss von Mitschülerinnen und -Schülern gemobbt werden, die weniger empfindsam oder gar schon abgestumpft sind?

Sie werden immer noch so allein gelassen, wie ich damals, obwohl sie heute ja einer um ein Vielfaches höheren Reizüberflutung ausgesetzt sind. Während meiner Pubertät herrschte ja nur Kalter Krieg. Die Kuba-Krise trieb die Welt an den Abgrund eines Atom-Krieges. Und als J.F. Kennedy in Dallas erschossen wurde, fühlte es sich in der Kirche an, als sei ein weiterer Messias gestorben. Weil ich kurz vor der Konfirmation stand und noch gläubig war, betete ich inbrünstig. Kennedy, der sich im weiteren Verlauf meines Lebens vom Helden in einen normal sterblichen Mann mit Schwächen verwandelte, war dann wie ein Wegweiser in meine Agnostik.

Quelle:netmoms.de

Was wäre mit mir passiert, hätten meine Eltern und Schwestern meine Merkwürdigkeit erkannt und Schritte eingeleitet, mir zu helfen? Ehrlich, ich weiß es nicht. Wie habe ich in Hyper-Aktivität geschafft, innerhalb nur weniger Jahre eine Position zu erreichen, in der sich sogar Lehrer, die mich wegen mangelhafter Leistungen stets verachtetet hatten, bei mir um eine Lehr-Stelle bewarben?

Es wird ja immer wieder auf der Performance unserer Schülerinnen und Schüler in den PISA-Studien verwiesen. Ich bin fest davon überzeugt, dass unter den lustlos erscheinenden Schulabgängern manches Genie übersehen wird. Nur ist heute leider in aller wenigsten Fällen noch eine Selfmade-Karriere denkbar, wenn das Basis-Wissen im emotionalen Überleben nicht beizeiten trainiert wird.

Die Frage, wie finde ich in dieser Welt voller Angstmacher und kriegerischer Gewalt meinen Pfad, wenn ich Emotionen unterdrücke oder sie nur zulasse, indem ich selbst zum gewalttätigen Angstmacher werde? Das ist heute eben nicht mehr allein die Frage nach dem Sinn des Lebens, sondern als Antwort gilt allein das mentale Überleben!

Quelle: pixabay

Langjährige Leser meiner Posts erinnern sich vielleicht daran, dass ich mich in einem Text über meine "Heulsusigkeit" mokiert habe. Inzwischen schaue ich mir ohne tiefere Regung zwar die Zerstörungen an, die Manschen bei anderen Menschen anrichten. Ich lasse die täglichen unserer Unterhaltung dienenden Leichenberge in unseren TV-Programmen emotionslos über mich ergehen. Aber wenn ein niedlicher Hund, ein entzückendes Kind über den Bildschirm flimmert oder gar echte Gefühle ausgelöst werden, triefen meine Augen voller Glückstränen. Und das lasse ich - ohne mich dafür zu schämen - zu, weil ich alles andere ja sowieso nicht mehr ändern kann.

Quelle: pixabay
Die Chance, dass mein Enkel seine Emotionen ausleben kann, ist nicht nur deshalb größer, weil er Einzelkind ist, sondern auch weil meine Frau und ich bei seiner Mutter und seinem Onkel eingedenk meiner Probleme, bei deren oft starken Emotionen immer versucht haben, Auswege anzubieten. Keinem von beiden drohte je ein Burn out.

Mittlerweile gibt es gut zwei Dutzend Ratgeber-Bücher zur "Emotionalen Intelligenz". Es ist so schwer, da nicht das Gefühl zu bekommen, die Autor*innen hätten gegenseitig von einander abgeschrieben. Eine gute "Zusammenfassung" ist immerhin die von Sarah Williams. Aber der sicherste Weg für jeden von uns ist, Emotionen einfach zuzulassen, sich an ihnen zu erfreuen oder gar Stärke aus ihnen zu gewinnen. Dafür braucht es eigentlich weder gedruckte Ratgeber noch therapeutische Sitzungen...
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