Mittwoch, 23. April 2025

Wie das Warten auf Begnadigung im Todestrakt

Mittwoch letzte Woche wurde eine Biopsie an mir vorgenommen. Wegen Ostern hat sich das histologische Ergebnis verzögert, das eigentlich schon gestern besprochen werden sollte. Um mich abzulenken, habe ich mich entschlossen, über das was in mir vorgeht, diesen Post zu verfassen. Auch weil davon in den kommenden Wochen die Regelmäßigkeit meiner Texte betroffen sein könnte.

Wäre es Krebs, dann bin ich in unserem Familienzweig seit Generationen der erste, der davon betroffen wäre. Meine Hoffnung läge in den Fortschritten, die die Onkologie in den letzten Jahrzehnten auf allen Ebenen gemacht hat. Und ich vertraue den tröstlichen Worten der wenigen mir Nahestehenden, die wissen wollen, dass Krebs im Alter langsamer fortschreite.

Je länger ich in dieser Situation stecke, desto mehr komme ich zu dem Ergebnis, dass ich ja sowieso schon viel zu lange von Bonusmeilen zehre, die ich dem Schnitter abgerungen habe. In der Jugend hatte ich ihn ja geradezu herausgefordert. Erst mit den Kindern hatte ich ja diese Risiko-Bereitschaft eingeschränkt.
Das "kalkulierte Risiko" ist nur eine Legende, mit der man sich selbst betrügt. Auch das Überwinden von Angst ist keine Heldentat. Als Hals-und-Beinbruch-Reporter, wie mich meine Auftraggeber gerne nannten, trieb mich eher die Gier nach einer Story. Vernunft war da nur selten im Spiel und sie vergrößerte sich nicht durch die Grenzerfahrungen. Damals gab es den Begriff Adrenalin-Junkie noch nicht, aber um einer zu sein, fehlte mir es dann doch an Mut.

T-Shirt bei amazon

Nehme ich die durch Krankheiten bedingte Todesnähe aus, bin ich mehr als zwanzigmal dem Sensenmann von der Sichel gehüpft. Da ging das aber immer so schnell, dass die Nachwirkungen im Hirn nie lange vorhielten.

Die Angst, die mich jetzt beschleicht, habe ich nie zuvor verspürt, und ich weiß, dass in diesem Moment weltweit viele Menschen die gleiche Hilflosigkeit empfinden. All die Wirrnis auf dieser Welt rückt in den Hintergrund, wenn man auf so ein Ergebnis wartet. Ein unsichtbarer Feind lauert möglicherweise im Inneren. Ich spüre ihn nicht, aber er macht mich hilflos.

Ich habe 76 Jahre - wie ich gerne zugebe - gelebt wie eine Made im Speck. Und dennoch fühle ich mich - wie ich mir das so vorstelle - wie einer im Todestrakt, der Aufschub erhofft oder um Begnadigung bangt...

Morgen weiß ich mehr. Haltet mir die Daumen! 

Quelle: Bald Hiker


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen