Sonntag, 14. April 2024

Mit "New Work" zur "Work-Life-Balance"

Quelle: freepik
Wenn man nicht allzu vergesslich wird, sind die Erfahrungen eines längeren Lebens durchaus hilfreich.
Deshalb weiß ich noch, wie sich die ganze Familie fühlte, als ziemlich gleichzeitig bei meinem verbeamteten Vater und mir als Volksschüler der Samstag zur Freizeit wurde. In unseren Familien arbeitet seither niemand mehr an einem Samstag, es sei denn, es gäbe einen außerdienstlichen Anlass oder eine Dienstreise.

Die Lehre zum Verlagsbuchhändler war eine erzwungene Idee meiner Eltern, die nicht wollten, dass ich durch meine künstlerischen Ambitionen auf die schiefe Bahn geriete. Meine drei kurzen Anstellungen waren ein Desaster. Deshalb musste meine mir beinahe alles verzeihende Mutter auch meinen Schritt in die Selbständigkeit mit Unterschriften flankieren, denn damals war jemand ja erst mit 21 volljährig und entsprechend geschäftsfähig. Wieso ich - der in der Schule nie eine bessere Note als "ausreichend" im Fach Deutsch hatte, sie überzeugen konnte, als freier Autor Fuß fassen zu können, ist mir selbst zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod immer noch ein Rätsel. Das noch größere Rätsel war, wieso ich für Aufträge nie in Redaktionen antichambrieren musste. Jemand las mein Geschreibsel und wollte für seinen Verlag auch etwas davon. Die 1970er waren die Blühte des Autorenjournalismus.

Ohne Handy und Internet war
die Arbeit allerdings
mitunter auch Abenteuer

Bevor die Elektronik und die Computer unser Leben und unsere Arbeit beherrschen sollten, lag mein Erfolg wohl daran, dass ich für mich schon immer eine Arbeitsweise wollte, die heute gerne mit "Work-Life-Balance" beschrieben wird. Als meine spätere Frau und ich unsere ersten Reisen unternahmen, die bis zu vier Wochen dauerten, war meine Adler-Reiseschreibmaschine immer dabei. Ich hatte mich für diese Reisezeiten stets mit Aufträgen eingedeckt. So konnte es passieren, dass ich an einem einsamen Strand an der Westküste Korsikas bei Kitschmusik im Sonnenuntergang auf der Terrasse einer Strandkneipe bei kuscheliger Wärme Berichte über Skigebiete verfasste aber auch zwei Erzählungen zu Papier brachte, die alle Reisekosten nicht nur abdeckten, sondern auch für Rücklagen sorgten. Es war die Zeit einer absoluten nie mehr wieder erlebten Freiheit. Dann kamen die Kinder, und ich wurde zum Alleinverdiener, der eine breitere und sicherere Plattform schaffen musste.

Das Reporter-Leben durfte als Boss aber nicht
 hinter dem Schreibtisch enden.
Bis an die Schmerzgrenze lebte ich es meinen Mitarbeitern oft vor

Später als eines zum anderen Gekommen war und ich in meinem Büro bisweilen  mehr als 14 Leute auf der "Payroll" hatte und zudem satte Honorare ausschüttete, wollte ich meinen Mitarbeitern eine gewisse Freiheit bei ihrem Schaffen auch bieten. Die anfallende Arbeit bis zum Abgabe-Termin druckreif zu machen, war das Maß aller Dinge, nicht der Zeitraum, in dem sie realisiert wurde. Diejenigen, die am besten mit diesen Arbeitsbedingungen umgehen konnten, blieben mir bis zu zweieinhalb Jahrzehnte treu.  Die mehr als ein dutzend Volontäre, die sich in meiner Redaktion vom ersten Tag an entfalten konnten, blieben oder nahmen später Spitzenpositionen in der Branche ein.

Man Hätte sie also schon vor über zwei Jahrzehnten als Kinder von "New Work" bezeichnen können. In jedem Fall brachte ich sie aber auf die Spur einer "Work-Life-Balance".


https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/arbeit-new-work-100.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/generation-z-arbeitsmarkt-100.html

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