Donnerstag, 11. April 2024

Die Rückkehr der Suggestiv-Fragen

DRINKUNGKAGYÜ
Togdan Rinpoche
Als ich noch ziemlich am Anfang meiner Arbeit in der Entourage von Heinrich Harrer zur Inthronisation des Togdan Rinpoche von Kaschmir über die Pässe nach Ladakh als Beifotograf für sein Buch reiste, bekam ich zu all den unvergesslichen Eindrücken von Heinrich auch noch eine für den Journalismus essentielle Gratis-Lektion in punkto Interview-Technik. Er sprach ja durch seine sieben Jahre als Lehrer des Dalai Lama fließend Tibetisch.
International Campaign for Tibet
Heinrich Harrer mit seinem einstigen Schüler,
dem buddhistischen Oberhaupt Dalai Lama

Wenn wir unterwegs in den tiefen Tälern Einheimische trafen, kam er immer schnell ins Gespräch mit ihnen, obwohl er erst einmal eine Weile auf sie einsprach.

Als ich wissen wollte, wieso er das machte, gab er mir folgenden Rat: "Wenn du etwas in einer fremden Welt von den dort lebenden Menschen erfahren möchtest, musst du zunächst auch etwas von dir und deiner Welt preis geben. Aber das wichtigste ist, dass du keine Suggestiv-Fragen stellst. Wenn jemand auf die Mutmaßungen in deinen Fragen nur mit Ja oder Nein antworten kann, erfährst du nichts!

Heute sorgt das Internet mit seinen vielen Anfragen für schnelle, persönliche Entscheidungen beispielsweise auf Fragebögen, oder endlose Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sowie durch die bald nur noch elektronischen Kundendienste dafür, dass wir oft in Kästchen nur noch Ja oder Nein, beziehungsweise akzeptieren oder ablehnen anklicken können. Offenbar führt das als Begleiterscheinung  auch immer häufiger dazu, dass auch oder vor allem in Interviews, bei denen es um Politik geht,  die Befragten durch suggestive Annahmen der Fragesteller zu persönlichen Wunsch-Antworten verleitet werden soll. Die Meinungsbildung soll also durch die Fragestellung und nicht etwas durch die Antwort erfolgen.

Quelle:freepik


Das hat zumindest aus meiner Sicht zu einer nahezu unerträglichen Einmischung - um nicht zu sagen Manipulation - durch Talkmaitressen und -Master geführt, die sich dem Publikum wohl als viel kundiger präsentieren wollen als die zu den Antworten Geladenen.

Offenbar traut sich keine verantwortliche Redaktionsleitung mehr, ihre so selbst erzeugten Stars auf dem Gebiet ihrer allwissend heischenden Eitelkeit auch mal wieder einzubremsen. Sonst käme es nicht immer wieder zu solch lächerlichen Momenten:

Quelle: SZ Talkshow-Kritiken
Lars Klingbeil versus Sandra Maischberger.
Nur, dass sie dem SPD-Vorsitzenden offenbar
seine Partei erklärt. Senkt sie die Stimme vor lauter Wichtigkeit,
bleibt dem Publikum oft nur die nackte Zukunftsangst

Moderator oder Moderatorin: "Ich bitte Sie ganz kurz mit einem Satz hierzu noch..." Dann wird die verklausulierte Frage aber so lang und mit  so viel eigenem Wissen gestellt, dass für eine Antwort kaum noch Sendezeit bleibt, nicht selten sogar eine weitere nötig wäre...

Achtet mal darauf

Jahrmarkt-Schreier der Eitelkeiten:
Wenn er nach vorne rutscht
und heischend sein Kinn vor reckt,
geht es meist mehr um den 
Inhalt seiner Fragen
als um die Antworten seiner Gäste
Quelle: www.fr.de

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