Montag, 7. Januar 2019

Der Ernst des Lebens

Es ist immer noch stockfinster, wenn die Zwergen-Karawane unter meinem Erker vorbei zieht. Der erste Schultag nach den Weihnachtsferien ist trist und grau. Es schnieselt leicht und an unserer Kreuzung schmelzen die schmutzig aufgeworfenen Schneehaufen. Aber es gibt viel zu erzählen. Manche der Volksschüler gehen schon alleine, andere werden im Pulk von Müttern begleitet, was aussieht, als zögen Enten-Familien gen Westen. Einen Block weiter ist die Schule.

Die Kids haben heutzutage mächtig aufgepackt. Aus den Schul-Ranzen von einst sind in leuchtenden Sicherheitsfarben gestaltete "Kompartments" geworden. Der Lernstoff ist gewiss nicht weniger. aber die modische Gestaltung ist sehr voran gekommen. Bei uns damals galt es als Schritt erwachsen zu werden, wenn man auf die sogenannte College-Tasche umstieg, die man dann in ungesunder Manier abwechselnd rechts oder links schleppen musste. Die konnte man außerdem auf dem Nachhause-Weg schlecht als Torpfosten fürs Bolzen benutzen, weil sie immer umkippten.

Meine Wege zur Schule kamen mir immer im Vergleich zu heute  recht lang vor. In München war ich sogar auf den Bus angewiesen. Bei allem Meckern heute ist die Dichte von Schulen in der Großstadt so, dass Kinder sie in Gehweite haben. Aber dafür sind die Gefahren durch den Straßenverkehr größer geworden.

Hier an unserer Kreuzung bin ich dankbar, dass die Kinder sich im Gegensatz zu den Großen an die Verkehrsregeln halten und geduldig auf die langen Phasen reagieren, in denen Erwachsene schon einmal in Ungeduld hinüber preschen. Die zweite Gefahr geht wegen der Schneehaufen, die ihnen im Weg liegen, von den rasenden Radlern aus, die die leichte Abschüssigkeit zu "Vollgas" nutzen, und wegen der Kinder bei Grün nicht das Tempo reduzieren. Ein falsches Zappeln und es gäbe einen möglicherweise tödlichen Zusammenstoß...

Ich bin jedesmal froh, wenn die Karawane unbeschadet vorbei ist, aber dann gehen meine Gedanken weiter in die Zukunft dieser Generation. Mein Vater pflegte zu sagen, der Schulanfang sei der Start zum "Ernst des Lebens". Was, wenn der gefährliche Schulweg noch das geringste Problem in den Lebensläufen dieser Kinder gewesen sein wird?

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