Das Schönste an München ist nun mal die Weihnachtszeit (siehe auch Blog "Der Burgschreiber" zum 1. Advent). Und wenn dem Blogger dann gar zu wohl ist, mischt er sich unter die Mitmenschen, damit er am Puls der Zeit bleibt.
Heute war ich zum Weißwurst-Essen im Sedlmayr - einen Steinwurf vom Viktualienmarkt entfernt. Obwohl mein einstiger, verklemmt schwuler, dramatisch zu Tode gekommener Lieblingsschauspieler hier bei seiner von ihm inszenierten Schmankerl-Oase leider nicht mehr das Zepter schwingt, lebt seine Idee doch fort,
Zwar nicht unbedingt bei Weißwurst und Brez'n, dafür aber bei solchen Highlights wie "Koibsfüaß" paniert, "Koibsbackerl" mit Remoulade und ausgebratener Blutwurst mit Püree. Ein absoluter Ankommer ist auch die gefüllte Kalbsbrust, und die Zweitbeste geht sowieso nur in diese Boaz'n, weil es da die geschmorten Rindsbacken in einzigartiger Zubereitung gibt.
Ich war vorher noch nie in diesem Etablissement, aber ich werde da jetzt Stammgast wie meine Frau. Nicht wegen dieser Rettungsringe aus Hüftspeck erzeugenden Speisen, sondern eher der Tisch-Genossen halber. Denen - weil es immer voll ist - wirst du einfach zugeteilt - wie im Club Mediterranée:
Mei war das lustig:
Ein Herren-Rentner-Stammtisch und ein Ehepaar, und wir haben miteinander geredet, als träfen wir uns seit Jahren genau an diesem runden Tisch bei der Küche zum aktuellen Diskurs...
Wia ma halt so red:
Es stellte sich heraus, dass das ältere Ehepaar genau so emigriert war wie die Zweitbeste und ich. Nur, dass sie sich ein Haus im (leider immer nationalsozialistischer werdenden) Ungarn nahe Budapest gekauft haben. -Was sie sich hier - nach eigenem Bekunden - nie und nimmer für den Ruhestand hätten leisten können.
Schon in zahlreichen nach dem Krieg erschienen Romanen wird ja beschrieben, dass Emigranten schnell eine besondere Wellenlänge zueinander finden. Wobei diese Situation ja nun nicht vergleichbar gewesen wäre, wenn wir - in etwa gleich alt - nicht den entsprechenden Einstieg für unser Gespräch gefunden hätten:
Den kaufkräftigen Mehrwert im Ausland.
Der ermögliche in Ungarn - so das ur-münchnerische Ehepaar - trotz komplizierter Umrechnung in Florint ein Leben , das die deutsche Rente hier in der Heimat nicht mehr hergebe.
Natürlich ist mir bei dem Gespräch bewusst gewesen, dass Italien (von Berlusconi wirklich befreit?) - was die Lebenshaltung angeht - vermutlich mit Ungarn nicht mithalten kann, aber ich führte dabei den statistischen Begriff "Warenkorb" an.
Das machte die Neu-Ungarn wirkliche fuchsig:
"Warenkorb? Welcher Warenkorb! Unser Hausarzt, wegen dem wir gerade in München sind, macht seine Praxis dicht, weil die Miete von 2500 Mark einst, auf 4500 Euro heute gestiegen ist. Unser tägliches Leben - immer noch in Forint zu berappen - hat sich zwar in Ungarn mittlerweile auf Mark-Niveau erhöht, aber nur dadurch kommen wir noch mit unserer Rente klar. - Trotz der 100 Prozent Inflation, die uns der Euro zwischenzeitlich bei unserer auf Mark ausgerichteten Altersversorgung beschert hat."
Bestürzt dachte ich daran, dass das Wohngeld für unsere Eigentumswohnung hier jetzt in Euro die Summe erreicht hat, die wir noch vor zwölf Jahren an Miete in Mark verlangt haben.
Und schon war der nur scheinbar günstige Preis für mein neues mit allen Schikanen ausgestattetes City-Bike vom "Radlbauer" auf einmal relativiert. Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke und Möbel, die sich doch niemand allzu oft anschafft, sind ja in der Tat preisgünstiger geworden, aber davon kannst du halt nicht abbeißen. Gerade zuvor hatte ich in der Hofpfisterei einen Vollkorn-Wecken für 1,20 Euro erstanden - und eine (zwar große) Williams-Birne vom Marktstand für 1,80...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen