Dienstag, 12. November 2013

Der "Kaiser" und die Demokratie

Muss ich mich von einem, den sie - als er noch nicht so berühmt war - auf dem Fußballplatz hinter seinem Rücken Dummi genannt haben, heute als Dummkopf beschimpfen lassen?
Bei aller Hochachtung vor seiner Lebensleistung: Die zwei letzten öffentlichen Statements von Franz Beckenbauer weisen eindeutig darauf hin, dass der "Kaiser" langsam selbst damit beginnt, an sich als imperiale Lichtgestalt zu glauben. Bislang stand er zu den Erhöhungen, die ihm stets durch seine Hof-Schreiber zuwuchsen, bei Kommentaren ja immer noch mit einer gewissen Ironie auf  Distanz zu sich selbst. Aber jetzt?

Erst nimmt er den massiven Steuersünder und einstigen  Co-Weltmeister Uli Hoeneß mit einer frei erfundenen Glaubensanleihe aus der katholischen Kirchen-Lehre aus dem Vorwurf der vorsätzlichen Straftat. (Die "zweite Chance", die er da herbei führen möchte, hätten alle in der Kirchengeschichte zu unrecht Verbrannten, Verbannten und Vertriebenen sicher auch gerne gehabt). Und dann gibt er es in einem Wutanfall all jenen, die gegen Olympia 2022 in München gestimmt haben, mal so richtig. Nicht nur, indem er denen vorwirft, eine riesen Dummheit begangen zu haben. Er wird auch noch zum bösen Propheten: Das werde - meint er - allen noch sehr Leid tun.

Nun könnte man das  bei all seinem Charme  und diplomatischen Geschick als einen seiner mitunter verblüffenden Wutausbrüche einstufen (Golfpartner können ein Lied davon singen), aber in diesem Fall ist es eben die Äußerung eines Spitzenvertreters jener sich über das Volk erhebende Oberschicht, die auch meint, sie müsse Luxus-Uhren bei der Einreise nicht verzollen .

Es ist da eine neue Art von Sport-Despoten bei der Machtentfaltung gestört worden, die bislang schalten und walten konnte wie es ihr beliebte. Weil sie unbefragt vom Bürger auf die Resourcen zurück greifen konnte, die sie - die Steuerzahler - ohne detailliertes Mitsprache-Recht bereit gestellt haben. Dabei hat bereits in den 1970ern die Stadt Denver im US-Bundesstaat Colorado schon einmal gezeigt, dass man Olympische Winterspiele auch ablehnen kann, um danach dennoch weiter zu prosperieren. Die Blatters, Bachs und Hörmanns sollten sich ihr autoritäres Von-oben-herab noch einmal als Konsequenz aus diesem Debakel überlegen, sonst sind vielleicht sie es am Ende, die es bereuen werden...

Mag sein, dass Beckenbauers Demokratie-Missverständnis unter diesem permanenten - einem Kaiser wohl gebührenden Anhimmeln - gelitten hat. Aber ich erinnere mich auch noch gut daran, wie er als junger Weltstar und (natürlich) Hätschelkind von Franz-Josef Strauß den frei zum Bundeskanzler gewählten Willy Brandt als "nationales Unglück" bezeichnet hatte. Er hatte also von seiner Natur her -  bevor er zum Kaiser gekrönt wurde - bereits Schwierigkeiten mit Mehrheiten, die anderer Meinung waren als er.

Was muss das dann für Beckenbauer gestern - am gleichen Tag seines despektierlichen  Statements - eine schallende Ohrfeige gewesen sein. Ausgerechnet der mit absoluter Mehrheit wieder gewählte Landesvater Horst Seehofer versprach, trotz oder gerade wegen der überraschenden Ablehnung von Olympia, künftig noch viel mehr Basis-Demokratie durch Bürger- und Volksentscheide  wagen zu wollen...

Übrigens: Die Zweitbeste und ich - nach anfänglicher Gewogenheit für die Winterspiele - sind der Abstimmung fern geblieben. Erstens, weil wir glauben, dass das Zustimmen vor allem den Generationen gebühre, die das ganze dann auch bezahlen müsse, und zweitens weil wir nur einen Skiflug vom Olympia-Park entfernt wohnend schon heute erleben, wie der Verkehr hier  tagtäglich zu einer immer größeren Belastung wird. Im Vorfeld einer erneuten Olympia-Bewerbung war damals nach der Wiedervereinigung und zu Baubeginn des Glashauses der Petuel-Park viel länger geplant gewesen. Er sollte bis zur heutigen BMW-Welt reichen, und die Straße, durch die hier gegenwärtig auch nachts Tank-Lastzüge donnern, sollte zu einer verkehrsberuhigten Allee umgestaltet werden...

Als einer, der als Berichterstatter bei  vier Olympischen Spielen dabei war, blutet mir das Herz wegen der Ablehnung, aber ich erinnere mich auch an massive "postolympische" Probleme in den meisten  Ausrichter-Städten.

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