Donnerstag, 28. November 2013

Crossover

Der Vorname Arslan - aus dem Türkischen übersetzt - bedeutet Löwe. Die Eltern meines einen Block um die Ecke wohnenden, entfernteren Nachbarn haben sich und ihrem Nachwuchs angesichts des eigenen Kleinwuchses einst wohl im Umfeld der sie überragenden Germanen Mut machen wollen. Heute ist Arslan vierzig und fast genau so breit wie klein. Aber er ist der erste Deutsche in seiner ur-anatolischen Familie. Hätte er - der in Deutschland Geborene - noch die aktuellen Koalitionsverhandlungen und die Legislative der großen Koalition abgewartet, hätte er - der Fußballer - nun auch derart vom Doppel-Pass profitiert.

Die zweite Kuriosität seines Vornamens beruht aber darauf, dass der "Löwe" seit er auf seinen krummen, stämmigen Beinen laufen und kicken kann, nicht nur Fan, sondern auch Mitglied vom FC Bayern ist, obwohl er für Türk Gücü aktiv war. 1860 - die Löwen also - obwohl damals auch noch in der 1. Bundesliga gut unterwegs wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

Arslans Kleintransporter, mit dem er seinen mobilen Hausmeister-Service in unserem Viertel betreibt, hängt voller FCB-Devotionalien, und er spricht auch wesentlich besseres Bayrisch als ich nach meinen bald sechs Jahrzehnten in der Landeshauptstadt. Einmal habe ich ihn sogar in Lederhosen und Haferlschuhen in Richtung Oktoberfest marschieren sehen.

Aber Arslan ist und bleibt auch Moslem; kein besonders streng Gläubiger, wie ich annahm. Bis ich seine Zwillingstöchter, die bei jedem Wetter zum Sophie-Scholl Gymnasium radeln, erstmals mit traditionell gebundenem Kopftuch zu Jeansjacke und Schultasche gesehen habe. Auch das wäre bei der bald istanbulischen Kopftuch-Dichte hier nicht bemerkenswert.

Es ist eher die eigentümliche Vorliebe für Weihnachtsdekoration, die Familie Cengiz außerhalb ihrer Dachgeschoss-Wohnung an zwei Gauben und dem kleinen Balkon zur Schau stellt: Da klettern alljährlich drei mit Geschenk-Paketen beladene Weihnachtsmänner an Leitern und Girlanden zu ihren Fenstern hoch.

Die letzte Weihnachtszeit in München hatten wir ja verpasst, aber diesmal radelte ich gerade vorbei, als der "Löwe" die rotweißen Gabenbringer montierte. Ich rief ein paar lustig gemeinte Bemerkungen zur religiösen Widersprüchlichkeit seines Tuns hinauf. Aber er konterte nur trocken:

"Was hat denn bitte der Weihnachtsmann mit Religion zu tun?"

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen