Freitag, 5. April 2013

Frühaufsteher

Früher hat mich das Schlaf-Loch, in das ich jede Nacht - egal ob Sommer- oder Winterzeit - so gegen fünf Uhr früh gerate, sehr beunruhigt. Dann habe ich Probleme gewälzt, bin vom Hundertsten ins Tausendste geraten, oder es wurde gleich der kommende Arbeitstag durch geackert. Seit ich morgens ausschlafen könnte, hat dieses Schlaflosigkeit an Schrecken verloren. Manchmal fühle ich mich in diesen frühen Morgenstunden bereits frisch genug,  dass ich mir eine Art Unterhaltungsprogramm gönne,indem ich mich an unsere Fensterfront setze und auf die noch ruhige Kreuzung hinunter schaue:

In dem großen Taxi-Unternehmen schräg gegenüber, kehren die Fahrzeuge eines nach dem anderen von der Nachtschicht zurück. Nach einem ausgeklügelten System werden die Wagen unter dem Überbau eingeparkt und die Fahrer entweder von einem guten Geist mit dem Auto  abgeholt oder schlurfen  müde zur Bus-Haltestelle.

Als sei der Dienstschluss der Taxler ein geheimes Zeichen, gehen dann kurz nacheinander in der Bäckerei direkt gegenüber und in der Metzgerei auf der anderen Straßenseite die Lichter an. Beide sind gleich beim Öffnen derart frequentiert, dass schon ein gewisser Vorlauf notwendig ist, um die Auslagen mitsamt den Brotzeit-Angeboten zu bestücken.

Für mich wäre ein Berufsleben als Frühaufsteher undenkbar gewesen. Wenn ich ehrlich bin, war das späte Anfangen ausschlaggebend  für meine Berufswahl. Die drei Jahre, in denen ich als Lehrling um 7 Uhr 30 auf Pünktlichkeit kontrolliert im Verlag zu erscheinen hatte, waren mir ein Graus, der mich heute noch schaudern lässt. Dass ich später die Nächte vor den Abgabe-Terminen wie im Klischee mit Whisky uns Unmengen von Zigaretten durch geschrieben habe, empfand ich hingegen als natürliche Auswirkung meines speziellen Bio-Rhythmus. Was für ein Privileg, dass ich den so ausleben konnte!

Heute, nachdem ich als täglicher Kunde die beiden griechischen Schwestern kenne, die im Franchise die Filiale einer vor Jahresfrist noch wegen mangelnder Hygiene von der Schließung bedrohten Großbäckerei führen, ist mein Respekt vor den Frühaufstehern grenzenlos. Auch das Metzger-Ehepaar, mit den drei Damen Stammpersonal nötigt mir mit seinem Fleiß Respekt ab. Denn neben dem klassischen Wurst- und Fleischwaren-Angebot versorgen sie unser Umfeld nicht nur mit Brotzeit, sondern die wachsende Single-Kultur mit abwechslungsreichen, frisch zubereiteten, warmen Mahlzeiten. Und das zu Preisen, bei denen man allenfalls von einem bescheidenen Gewinn ausgehen kann.

Über diese Frühaufsteher-Gesellschaft, zu denen ja auch die Werksangehörigen der Frühschicht des großen Autobauers am Südende unserer Nebenstraße zu zählen sind - oder die Radler, die gleichgültig bei welchen Witterungsverhältnissen in Richtung Innenstadt zu ihren Jobs unterwegs sind, habe ich mein Leben lang nicht eigens nachdenken müssen. Aber jetzt, da ich sie entspannt beobachten könnte, bereitet sie mir kurioser Weise ein schlechtes Gewissen. Allenfalls durch meinen im Alter von Jahr zu Jahr schrumpfenden Konsum, kann ich noch dazu beitragen, dass ihr unerschütterlicher Dienst am Funktionieren unseres Gemeinwesens die verdiente Job-Sicherheit erfährt...

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