Sonntag, 21. April 2013

Etwas Frieden

Wie viel Horror verträgt der "Sapiens Digitalis" bei globaler Nachrichten-Lage in einer Woche?
Terror in Boston, Fabrik-Explosion in Texas, zwei Erdbeben im Iran und in China, unvermindertes gegenseitiges Abschlachten in Syrien, Unregierbarkeit meiner Zweitheimat, und dann erfährt man, dass der große Sportsmann, Wohltäter und Mäzen Uli Hoeneß genauso bei den Steuern bescheißt wie die meisten anderen Superreichen... 

Unsere Vorfahren haben vielleicht etwas kürzer gelebt, aber dafür dürfte ihr Alltag in Friedenszeiten zumindest mit deutlich weniger und verspäteten Informationen doch entschleunigter gewesen sein.

Ich weiß nicht, wie es meinen Lesern geht, aber mein Fell ist offenbar nicht mehr dick genug, um die Masse an schlechten Nachrichten einfach so weg zu stecken. Es ist wohl dem Alter geschuldet, dass einem die Tage immer blutiger vorkommen. Der Autor Wolf Wodraschek hat Ende der 1960er einen seiner damals noch vielversprechenden Essays mit "Früher begannen die Tage mit einer Schusswunde" betitelt. Heute müsste nach gebessert werden und dann hieße es:
"Heute beginnen die Tage mit mindestens einem Bomben-Anschlag".

Wieso schaffen wir doch so hervorragend ausgestatteten Menschen der informierten Gegenwart es nicht, einfach ein wenig Frieden zu erzeugen. Ja, ja, ich weiß schon Ihr Sprach-Puristen! Frieden herrscht entweder  oder es gibt ihn nicht, weil dieser ersehnenswerte Zustand eben nicht quantifizierbar ist.

Egal! Ich habe es heute so empfunden. Obwohl es gar nicht mal so warm war, und der Himmel grau, habe ich mich aufs Rad geschwungen und bin meine große Runde durch Olympia- und Petuel-Park gekurbelt. Vor drei Tagen herrschte zwar Sonnenschein, aber die Bäume waren noch kahl. Heute hingegen erlebte ich, wie die rosa Explosionen der Kirschblüten, die allenthalben über Nacht an dieser Runde aufgeplatzt waren, sogar das Grau und das Grauen des Tages vertrieben. Und ich erlebte mein ganz persönliches Hanami,  das Kirschblüten-Fest, wie das nur in unserem Multikulti-Stadtteil geht:

In einer Ecke des Petuel-Parks unter einer besonders schön blühenden Gruppe von Kirschbäumen hatten   sich japanische und deutsche Mütter mit ihren Kindern zu so einem traditionellen Picknick eingefunden. Alle Damen trugen zu diesem Anlass ihre Festtag-Kimonos und entsprechend kunstvoll hoch gesteckte Haare, was der Szene eine  besondere Authentizität verlieh.

Ich stieg vom Rad, und für einem Moment stand auch die Erde still. Etwas Frieden machte, dass mir Tränen in den Augen standen. Muss ich mich deswegen schämen?

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