Sonntag, 28. April 2013

Enteilen

Heute war mein mit dem Computer-Zeitalter stets in erster Reihe Schritt haltender, einziger Sohn zum Frühstück im Glashaus und sprach wieder einmal davon, wie meine Blogs eine größere Leserschaft erreichen könnten: Indem ich täglich poste und sie mit Facebook "verlinke" oder eines der zahlreichen Verknüpfungsangebote annehme, mit denen mich mein "Host" Google ungefragt versorgt. - Nein! Die Zahl meiner Follower sei einfach lächerlich, meint mein Lieblingssohn.

Mir hingegen gefällt die Überschaubarkeit meines "Leserzirkels". Ich finde es toll, dass ich die meisten der Leser persönlich kenne, dass sie mir lieber eine Mail schicken, als einen öffentlichen Kommentar zu posten. Oder, dass sie mich anrufen, um mich zu fragen, was ich mit einem vermeintlich "erfundenen" Begriff gemeint habe, obwohl der gar nicht von mir stammt und sogar längst in Wikipedia erläutert wurde; wie beispielsweise Entschleunigung.

Wer schreibt, der bleibt! Der alte Satz mag schon stimmen, wenn einer Angst hat in Vergessenheit zu geraten. Ich hätte eher Angst, wieder der alten Hektik zu verfallen, wenn ich aus Gefallsucht, ständig nach der Statistik schielte, die natürlich für die gefälligeren "Briefe von der Burg" tatsächlich doppelt so gut ausfällt. Sogar wenn ich seit Anfang Januar dort nichts mehr gepostet habe.

Wenn es für mein Geschreibsel überhaupt ein Credo gäbe, dann höchstens die Vorstellung, dass aus dem Kontrast zwischen der Berg-Einsamkeit auf der Burg und der urbanen Hektik des Glashauses ein persönliches Zeitdokument entsteht, dem man später etwas Zeitgeist entnehmen könnte.

Aber natürlich ist auch Eitelkeit im Spiel, wenn seit neuestem Zugriffe über die Google-Bilder-Datenbank erzeugt werden, weil meine Fotos und Gemälde, die ich  zu manchen Texten gepostet habe, automatisch dort gelandet sind (Suchbegriff "Bilder zu Briefe von der Burg"). Vielleicht überdauern die mich ja dort...

Aber jetzt zur Hauptsache:
Es wird ja immer gesagt, München sei die nördlichste Stadt Italiens. Und - obwohl es heute wieder nur acht Grad hat - war der vergangene Freitag hier mit 28 Grad der erste Sommertag. Und da habe ich in Vorbereitung auf den Wechsel nach Italien, gleichmal einen Entschleunigungsprobelauf  für die italienischen Momente im Leben  gemacht. 

Habe drei Stunden unter einer bereits zart ergrünten Kastanie im "Osterwald-Garten" Zeitung lesend und eine vorzügliche Flasche Würzburger "Stein" vertilgend beim Mittagessen verbracht (aufgeschäumte Bärlauch-Spargel-Creme gefolgt von einem frischen, krossen Saibling vom Grill mit Gemüse-Kartoffeln). Das ganze zu einer Qualität und einem Preis, der im Vergleich zu meinen Stammkneipen an der ligurischen Küste unschlagbar günstig war. Auch dass mich meine fränkische Stamm-Bedienung in der ganzen Zeit nicht einmal angesprochen hat, um den Umsatz noch zu verbessern, passte ins positive Abschlussbild meines Aufenthalts hier in der "Landeshauptstadt des Freistaates". Am Ende entschuldigte sie sich sogar, dass sie mich dann noch einmal aus Versehen eine Viertelstunde mit der Rechnung hatte warten lassen.

"Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich von nichts weniger habe als von der Eile", beruhigte ich sie. 
- Im Nachklang könnte das direkt  mein Leitsatz zur Entschleunigung werden.

Alos, ich enteile dann mal. Italien hat ja eine neue, Europa gewogene Regierung. Steine habe ich hier genug geworfen, und wenn Ihr - liebe Leser - mögt, lest ihr mich ab dem 5. Mai wieder auf



Dienstag, 23. April 2013

Die Freiheit nehmen wir uns!

Jetzt habe ich doch wieder den Verdacht, dass die vernetzte Seehofer-Administration das Betonen vom Freistaat-Status mit System angeordnet hat. Nicht nur die Klage gegen den Länderausgleich, den Bayern als es noch Geld aus dieser Quelle erwarten durfte, mit beschlossen hatte, sondern auch der Unisono-Duktus der Freistaat tragenden BR-Sender geben eindeutige Hinweise darauf. Aber geradezu perfide ist der Umgang mit dem Steuersünder Uli Hoeneß, der durch seine Tätigkeit für den FC Bayern München wohl mit einer Art General-Amnestie rechnen kann. Erstmal sagt der Landesvater nichts mehr.

Aber Seehofer sagte zuvor, als der Hoeneß-Skandal ruchbar wurde, er habe schon eine Zeit lang davon gewusst. Wieso? Bei einer Selbstanzeige wird gemeinhin noch unter der Wahrung der Anonymität ermittelt. Es sei denn, die Angelegenheit war schon zu Beginn so brisant und eigendynamisch so hoch angesiedelt, dass sie von Anfang an als Chefsache behandelt wurde.

Dann hat das aber mit Selbstanzeige nichts mehr zu tun, sondern ist Regieren nach Prinzregenten-Art - wie bei der Affäre um die Hypo Alpe Adria, bei der so lange der Deckel auf dem lange brodelnden Topf gehalten wurde, bis die bayrische Geld-Elite nicht nur ihr Geld, sonder auch einen satten Gewinn heraus geholt hatten. Der doofe Steuerzahler war ja als Helfer in der Not zur Stelle.

Wer beim Pokal-Halbfinale gesehen hat, wer bei Hoeneß in der Ehrenloge gesessen hat, versteht auch, dass der "FOCUS" nicht aus investigativer Recherche heraus die Story als erster hatte, sondern Intimfreund und FCB-Präsidiumsmitglied Helmut Markwort wird die nun folgende Vorwärtsstrategie von Anfang an  mit entwickelt haben.

Seit Januar schwelt die Geschichte, aber sie kommt in der Hochzeit des FC Bayern heraus. Der Fußball-Fan als solcher erwartet, dass der Rekordmeister liefert, und dann hat auch der Präsident seinen Anteil daran. Wer wird sich im Erfolg darüber aufregen, dass dieser Sieger-Typ, der auch noch schnell 37 Millionen für Mario Götze locker macht, ein doppelzüngiger Betrüger ist. Schon kündigt eine Fan-Initiative an, dass sie heute Abend beim Championsleague-Halbfinale Solidaritätsplakate  und Sympathie-Bekenntnisse für ihren Präsidenten hochhalten werden. Seltsames Rechtsempfinden des kleinen Mannes, der schon wegen Nichtigkeiten die Existenz bedrohend belangt wird. Gut, dass ich kein Sky habe, sonst müsste ich kotzen!

Mia san mia! Im möglichen Siegesrausch wird die "Landeshauptstadt des Freistaates" und darüber hinaus die Fan-Gemeinde Bundesweit also auch einem  Mann  zujubeln, der nach dem jetzigen Stand der Dinge eine fortgesetzte Straftat begangen und den Leuten den Biedermann nur vor gegaukelt hat. Die Freiheit nehmen sie sich!  Das gab es ja auch schon in der "Hauptstadt der Bewegung".

Ich kann mir hier noch die Freiheit nehmen, das zu posten. Fragt sich nur noch wie lange, wenn die Schreibende Zunft in der Landeshauptstadt des Freistaates, die früher mal schlicht München genannt wurde, mit Samt-Handschuhen an ihre Tastaturen geht und um den heißen Brei schreibt: Könnte ja sein, dass der Seehofer und der Söder das für ihren Uli schon richten. Und der Uli, der hat ein langes Gedächtnis.Dann läuft nix mehr mit Freikarten!


Sonntag, 21. April 2013

Etwas Frieden

Wie viel Horror verträgt der "Sapiens Digitalis" bei globaler Nachrichten-Lage in einer Woche?
Terror in Boston, Fabrik-Explosion in Texas, zwei Erdbeben im Iran und in China, unvermindertes gegenseitiges Abschlachten in Syrien, Unregierbarkeit meiner Zweitheimat, und dann erfährt man, dass der große Sportsmann, Wohltäter und Mäzen Uli Hoeneß genauso bei den Steuern bescheißt wie die meisten anderen Superreichen... 

Unsere Vorfahren haben vielleicht etwas kürzer gelebt, aber dafür dürfte ihr Alltag in Friedenszeiten zumindest mit deutlich weniger und verspäteten Informationen doch entschleunigter gewesen sein.

Ich weiß nicht, wie es meinen Lesern geht, aber mein Fell ist offenbar nicht mehr dick genug, um die Masse an schlechten Nachrichten einfach so weg zu stecken. Es ist wohl dem Alter geschuldet, dass einem die Tage immer blutiger vorkommen. Der Autor Wolf Wodraschek hat Ende der 1960er einen seiner damals noch vielversprechenden Essays mit "Früher begannen die Tage mit einer Schusswunde" betitelt. Heute müsste nach gebessert werden und dann hieße es:
"Heute beginnen die Tage mit mindestens einem Bomben-Anschlag".

Wieso schaffen wir doch so hervorragend ausgestatteten Menschen der informierten Gegenwart es nicht, einfach ein wenig Frieden zu erzeugen. Ja, ja, ich weiß schon Ihr Sprach-Puristen! Frieden herrscht entweder  oder es gibt ihn nicht, weil dieser ersehnenswerte Zustand eben nicht quantifizierbar ist.

Egal! Ich habe es heute so empfunden. Obwohl es gar nicht mal so warm war, und der Himmel grau, habe ich mich aufs Rad geschwungen und bin meine große Runde durch Olympia- und Petuel-Park gekurbelt. Vor drei Tagen herrschte zwar Sonnenschein, aber die Bäume waren noch kahl. Heute hingegen erlebte ich, wie die rosa Explosionen der Kirschblüten, die allenthalben über Nacht an dieser Runde aufgeplatzt waren, sogar das Grau und das Grauen des Tages vertrieben. Und ich erlebte mein ganz persönliches Hanami,  das Kirschblüten-Fest, wie das nur in unserem Multikulti-Stadtteil geht:

In einer Ecke des Petuel-Parks unter einer besonders schön blühenden Gruppe von Kirschbäumen hatten   sich japanische und deutsche Mütter mit ihren Kindern zu so einem traditionellen Picknick eingefunden. Alle Damen trugen zu diesem Anlass ihre Festtag-Kimonos und entsprechend kunstvoll hoch gesteckte Haare, was der Szene eine  besondere Authentizität verlieh.

Ich stieg vom Rad, und für einem Moment stand auch die Erde still. Etwas Frieden machte, dass mir Tränen in den Augen standen. Muss ich mich deswegen schämen?

Freitag, 19. April 2013

Nachrichten aus einer anderen Welt

Manchmal stelle ich mir vor, dass die Welt sich ändern könnte, wenn nur die Nachrichten sich änderten. Hier einige Leseproben:

Öl von Mahmud
Tel Aviv: Gestern wurde ein gewisser Mahmud Ahmadinedschad dabei beobachtet, wie er mit zwei barbusigen israelischen Schönheitsköniginnen am Strand vor Gan HaAsmaut in den Wellen plantschte. Anschließend hat er ihnen den Rücken eingeölt.

Fett-Allergie verhindert Schlimmeres
Hamburg: Es gibt doch noch Hoffnung für die SPD. Seine Leibärzte haben bei Peer Steinbrück eine akute Fett-Allergie festgestellt und ihm dringend angeraten, künftig einen weiten Bogen um jedes Fettnäpfchen zu machen.

UN für Abschreckung auf Waffen
NewYork: Nach dem Vorbild von abschreckenden Darstellungen auf Zigaretten-Packungen sollen jetzt nach Vorstellung der Vereinten Nationen auf allen Waffen exemplarische Verletzungen dargestellt sowie der Hinweis "Waffengebrauch tötet!" in entsprechender Größe eingraviert werden. Nur Nord-Korea hat der Resolution nicht zugestimmt.

Franziskus traut sich
Rom. Als Zeichen des Wandels im Zölibat wird Papst Franziskus noch in diesem Sommer im Petersdom die Trauung eines katholischen Priesters selbst übernehmen. Es soll sich bei dem historischen Paar um einen Jesuiten-Pater und eine evangelische Pastorin handeln, die sich bei einem "ökonomischen Hochamt" ineinander verliebt hatten.

Ramsauer will keinen Verkehr mehr
Berlin. Nach seinen jüngsten Schildbürger-Streichen hat Verkehrsminister Peter Ramsauer die Nase voll. Der gelernte Bäcker will nach der Bundestagswahl wieder zu seinen Ursprüngen zurück und kleinere Brötchen backen; am liebsten - so der CSU-Mann - bei "Brot für die Welt".

FDP will GEMA-Gebühren auf Steuersünder-CDs
Hannover: Die Partei der Besserverdienenden gibt ihren Kampf gegen den Ankauf von CDs mit Daten von Steuersündern (wie jüngst vom Bundesland Niedersachsen) nicht auf. Die Blaugelben wollen jetzt wegen des hohen Unterhaltswertes  der CDs das Bundesverfassungsgericht anrufen. Ihr Argument: Steuern zu hinterziehen und Einkommen zu verschleiern seien ja immerhin als künstlerische Leistungen zu werten. Das unterliege in jedem Fall dem Urheberschutz  und sei  zumindest in jedem einzelnen Fall GEMA-pflichtig.

Zicken-Krieg im Quoten-Tief
Bonn: Der parlamentarische Streit und das Scheitern der Quoten-Regelung für Frauen in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft habe nach Insidern auch etwas Gutes. Ein Sprecher des Industrie- und Handelstages: "Es herrscht allgemeines Aufatmen bei unseren Mitgliedern. Stellen sie sich vor, man hätte solche Frauen wie Schröder und von der Leyen nach den Wahlen in unseren Vorständen aufnehmen müssen. Da bleiben sie doch besser MinisterInnen!"

Mehr, wenn  die Welt sich nicht bald ändert... (oder wenn dem Blogger sonst nix einfällt - bald wieder hier)...

Dienstag, 16. April 2013

Post-Posts

In der vergangenen Woche hätte der Blogger eigentlich stündlich etwas zu schreiben gehabt. Aber dann ist ihm aufgefallen, dass seine Sichtweise der Dinge offenbar immer mehr zu einer Minderheiten-Meinung wird. Das Netz der Manipulation, in dem ja nicht nur er zappelt, wird offenbar nicht länger wahrgenommen oder es beengt die Mehrheit einfach nicht mehr.

Deshalb nur in Kürze, was ihn beschäftigt hat:

1.Putin
Ein ansonsten ausgeschlafener Fernsehjournalist wie WDR-Chefredakteur  Jörg Schönborn bittet Vladimir Putin vor der Eröffnung der Hannover-Messe zum ARD-Interview und wird vorgeführt wie ein Volontär beim ersten Kamera-Training. Daraus muss man zweierlei Erkenntnis gewinnen: Dass erstens die Ausbildung als KGB-Agent der des öffentlich rechtlichen Fernsehens in Deutschland haushoch überlegen ist. Und zweitens ist etwas passiert, was ja gerade vermieden werden sollte, dass einem der vermeintliche Diktator auf einmal als irgenwie sympathisch vermittelt wurde. Putins Antworten kamen so schnell und präzise, dass der Übersetzer nicht nur Mühe hatte, sondern auch noch verhöhnt wurde, als Putin mitten im Interview seinen Ohrenstöpsel für die Übersetzung der Fragen Schönborns herauszog. Eine Demonstration des fließend Deutsch sprechenden Russen, die Schönborn die wohl größte Niederlage des Deutschen Journalismus seit Claus Klebers ZDF-Interview mit Teherans ebenso glatter "Totalität" Mahmud Ahmadhinejad  bescherte...
Dass Putin ein cooler Hund ist, bewies er wenig später bei der Barbusen-Attacke der Femen-Damen während des Messe-Rundgangs mit Angela Merkel. In der Schrecksekunde, in der alle in der Begleitung ungehalten oder leicht erschreckt reagierten, grinste der Präsident und schaute wenig überrascht auf das, was ihm da an nackten Tatsachen präsentiert wurde. Wer sich die Aufzeichnung der Attacke ein paar Mal anschaut, bekommt die Gewissheit: Er war vorbereitet, weil er von der Attacke wusste.
Ein paar Zwischentöne in den aalglatten Putin-Antworten über den inneren Zustand Russlands erinnerten mich übrigens an die Tage als Gorbatchows humanistisch geprägte Glasnost-Regierung zu scheitern drohte und  der vermeintliche Retter Boris Jelzin auf dieser Schwächung  in der Folge seinen Neo-Zarismus aufbauen konnte. Die Geschichte wird die Nachfolge-Generationen vielleicht eines Tages lehren, dass Putin zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tun musste, um das Riesenreich zusammen zu halten.

2. Markus Wolfs Sohn
Auf wie viel realem Fundament die Paranoia von Johannes Goerz, dem Alter-Ego des Bloggers, frühzeitig basierte, kann im Posting vom 15. März 2011 unter dem Titel "Vom Netz" nachgelesen werden. Das Offshore-Leaks-Thema gibt nun gut zwei Jahrzehnte später eine Teilantwort auf die in diesem fiktiven Beitrag gestellte Frage, wohin die Stasi-Millionen und die Spitzen-Agenten des Netzwerkes verschwunden sind. Der Apfel fällt auch bei Meisterspionen nicht weit vom Stamm: Franz Thomas Alexander Wolf, Sohn der DDR-Intelligenz Markus Wolf,  ist als weltweiter Funds-Manager von 60 Milliarden aus dubiosen Quellen enttarnt. Das "Phantom" - wie er medienwirksam genannt wird - operiert unbehelligt von Gibraltar aus und versorgt neben russischen Oligarchen vermutlich auch die vielen untergetauchten Netzwerker...

3. Per Steinbrück
Selbst in der eigenen Partei wird er als Pannen-Peer verhohnepipelt. Dabei sind alle "Pannen" bislang aus dem Zusammenhang gerissene und in ihrer Bedeutung überhöhte Fragment-Zitate gewesen, die die Medien - allerdings unisono - mit dem Ziel vorsätzlicher Beschädigung aufgebauscht haben. Steinbrück hätte beim Programm-Parteitag zurück treten müssen, denn diese Beschädigungen und das schlechte Standing in den Medien wird er bis zur Wahl nicht mehr los. Was nicht sein Fehler ist, sondern der des gnadenlos schlechten Strategie-Managements der SPD. Das unter anderem auch nicht verhindert, dass die Regierung sich schamlos jeden Themas bemächtigt, das die Sozis bislang im Programm hatten. Jüngstes Beispiel zur Integration: Der getrennte Sportunterricht von muslimischen Mädchen und Buben, der nach Steinbrück zu empfehlen wäre gegenüber religiös bemäntelten Entschuldigungen, der körperlichen Ertüchtigung fern zu bleiben. Am lautesten krähten die Gockel vom Misthaufen der freistaatstragenden CSU-Presse. Ja haben denn alle vergessen, dass noch in den 1960er Jahren vom katholisch dogmatisierten Bayerischen Kultusministerium der getrennte Sportunterricht an gemischten Schulen in Bayern von der Volksschule an generell vorgeschrieben war? Der Blogger selbst erinnert sich noch gut daran, dass er die Klassen-Kameradinnen bis zur teilweise recht sehenswerten "mittleren Reife" nur bei den Bundes-Jugendspielen im ebenfalls vorgeschriebenen Gymnastik-Anzug zu sehen bekam...

4. Frauenquote
Der Blogger, der in der Frage selbst zwiespältig ist, aber sich gerade deshalb aus allen Richtungen informiert, möchte zu dem gestrigen, "wohlfaulen" Kompromiss der Regierungskoalition nur folgendes anmerken: In dem fünf minütigen Beitrag der ZDF-Tagesthemen hierzu  gab es jede Menge Stimmen aus den Reihen der Regierungsparteien, aber nicht ein Statement aus den anderen Lagern des Parlamentes, die dieses Thema ja so stark angeregt hatten, dass es in den Koalitionsfraktionen jede Menge Abweichler gegeben hätte.

Wie gesagt, das Netzwerk der Manipulation hat sich schon dort eingehakt, wo es am wenigsten vermutet wird. Also genau zuhören und hinsehen!

Dienstag, 9. April 2013

Mehr Licht!

So ist das nun einmal mit berühmten letzten Worten: Sie werden gerne in Zweifel gezogen, weil sie naturgemäß nur von Wenigen vernommen werden. Als unser Dichterfürst und Universalgenie Johann Wolfgang von Goethe sein betagtes Leben aushauchte, soll der, der dann sein "Mehr Licht!" als letzte Forderung kolportierte, gar nicht im Raum gewesen sein; sein Leibarzt Carl Vogel...

Der Blogger hingegen hat heutzutage den Vorteil, dass er sein letztes Seufzen schon mal posten kann. Da ich nicht plagiieren will, kann ich ja leider nicht nach "mehr Licht" verlangen, obwohl es meine Stimmung besser träfe, als das: "Jetzt reicht's mir aber!", das ich hier und heute vorsorglich und fürsorglich manifestieren möchte.

Ob es die Nachwelt letztlich interessiert oder nicht - gemeint ist mein - fürs Erste - letzter Aufenthalt hier in der Landeshauptstadt des Freistaates (München einfach nur München zu nennen, scheint ja langsam aus der Mode zu kommen). Im Glashaus eben, dessen gläserne Fronten seit vier Monaten nichts weiter vermögen, als das Alltagsgrau mit Regen und Schnee allenfalls in Schattierungen zu variieren. Selbst die Sommerzeit (was für ein Hohn!) konnte nicht für eine Aufhellung meiner Stimmung sorgen.

Um meine Aufbruchsstimmung zu dokumentieren, habe ich bei der Apotheke die Straße runter schon mal meinen Stapel Rezepte für den Halbjahresvorrat in Italien eingereicht. Der junge Apotheker, der noch von der Nachtbereitschaft übrig war und mein  Prozedere daher nicht kennt, fragte nur erstaunt: "Was haben sie denn vor?"

Der kam mir gerade recht:
"Ich gehe jetzt wieder nach Italien. Mir reicht's! Dreieinhalb Monate und dabei nur drei Tage ein Anflug von Sonnenschein! Das können auch der Seehofer und der Ude nicht mehr schön reden. Von wegen weißblau! Dann noch diese Saukälte, bei der man nicht radeln kann. Und wenn man dann radelt und eine rote Ampel überfährt, weil man nicht festfrieren will,  löhnt man auch noch 125 Euro und bekommt 'nen Punkt in Flensburg. Nee, mir reicht's jetzt aber!"

Der junge Apotheker, der ganz offensichtlich erhebliche Erfahrungen mit durchgeknallten Alten hat, entgegnete mir mit therapeutischer  Ruhe:
"Also, wenn ich die Möglichkeit hätte, ich wäre auch lieber in Italien. Wieso sind Sie denn nicht schon längst abgehauen?"

Ja, wieso eigentlich nicht? Ich könnte natürlich wieder die maroden Kau-Werkzeuge der Zweitbesten als Grund ins Feld führen, aber so ganz stimmt das natürlich nicht. Auf der Burg kostet das Überwintern bei vier Haufen von Kalorien fressenden Stockwerken  und meterdicken Trockenmauern, die rundum den Winterstürmen ausgesetzt sind einen halben Kleinwagen. Mit den Gaskosten für einen normal kalten Monat  in Ligurien heizen wir hier im Glashaus das ganze Jahr. Wie in diesem Winter Advent und Weihnachtstage dort zu verbringen, ist echter Luxus.

Heute, an einem Tag, der hier endlich mal heiter bis wolkig begann, warnt die Titelseite der Abendzeitung vor enormen Nachforderungen bei den Heizkosten. - Wenn die wüssten.

Dabei wär's in Zeiten des Klimawandels doch so einfach, nur diese eine, kleine Teil-Forderung nach Erderwärmung zu erfüllen:

"Mehr Licht!"

Samstag, 6. April 2013

Offshore

Ganz schnell, bevor vielleicht wieder ein anderes Thema in den Vordergrund rückt:
Das internationale Offshore-Leaks "investigativer Journalisten" lässt die Empörung so aufbrausen, dass man annehmen könnte, niemand habe schon früher davon gewusst. Dabei haben die Banker im Zusammenspiel mit den Reichen und Mächtigen schon immer verborgene Geldreserven geschaffen, um ihre und deren Macht zu erhalten. Die Welser und Fugger hatten allerdings noch keine Inseln dafür.

Wo bitteschön sind denn all die Ruhestand-Millionen geparkt worden, von denen die Drittwelt-Despoten ihre Luxusleben im Exil bestritten? Und wenn unser stets hinterher schlauer Wirtschaftsminister vorgibt, von der Existenz solcher Eilande nichts zu wissen, dann tut er das, um seinen für Entwicklungshilfe zuständigen Minister zu schützen, der fleißig unsere Steuergelder in diese Oasen pumpt.

Die Offshore-Leaks-Journalisten können zwar momentan im Helden-Nimbus erstrahlen, aber wenn sie weiter recherchieren, werden sie leider auch auf Kollegen treffen, die nur allzu willig als Steigbügelhalter für "Offshore-Finanzprodukte" fungiert haben. Denn ohne "spread the news" können auch die Banker kein "geheimes" Umfeld für ihre Investoren schaffen.

Dass das im Jahre 1980 nicht anders war, ist in der folgenden Episode aus dem Leben von Johannes Goerz nach zu lesen. Mein  mehr oder weniger fiktives Erzähl-Alter-Ego hatte nach der Geburt seines Christkindes auch so seine Existenz-Ängste:


   Was Johannes in der Weihnachtserzählung für seine Tochter mit der "Weichenstellung" zu einer sichereren  Existenz angedeutet hatte, war im Rückblick viel risikoreicher gewesen, als erwartet. Sein kleines Büro musste wachsen, weil es von großen Verlagen die komplette redaktionelle Geschäftsbesorgung von Zeitschriften übernehmen wollte. Ohne den Enthusiasmus der 80er und den naiven Glauben an seine vermeintlich unerschöpflichen Kräfte, hätte er so etwas nicht einmal andenken dürfen. Dass ihn das Arrangement ermöglichen würde, mehr bei seiner Familie zu sein, war ebenfalls eine riesige Illusion gewesen. Esther und Martha waren keine drei Tage zu Hause, da saß er einen Tag nach Neujahr schon wieder im Flieger nach Florida - den Rattenfänger Hark van Nytorf an seiner Seite...
  
  Nachdem die auf zehn Tage angelegte Produktion nach der Hälfte der Zeit schon im Kasten war, ließ ihn der alte Fuchs wie ein Dompteur wieder einmal durch den Krokodil-Rahmen (benannt nach dem Markentier einer damals noch exklusiven Sportmode) springen. Er wolle auf den Bahamas noch ein paar einflussreiche Verlagsmanager und Finanziers treffen, das sei doch auch für seine zukünftige Firma nicht uninteressant. Die Spesen für sich müsse er allerdings selber tragen.
  Sie charterten von Miami aus - da wegen des Wochenendes alle Flüge nach Nassau ausgebucht  waren  - eine zweimotorige Beachcraft Commander mit VIP-Service und logierten im Ocean-Club auf Paradise Island. Für den nächsten Nachmittag hatte van Nytorf - der selbst grundsätzlich keinen Sport trieb - schon für Johannes eine Art Tennis-Turnier mit den "wichtigen Leuten" arrangiert. Er hatte so eine Ahnung, dass van Nytorf ihn gewissermaßen als eine Art Pausen-Clown zum Mitkommen überredet hatte.
  Tagsüber trieb er sich am Strand herum, scherzte mit dem durchwegs schwarzen Personal am Beach, zeigte ihnen seine Kartentricks und umschmeichelte die Mädchen vom House-Keeping, denn er war ja kleidungsmäßig weder auf den Sport noch auf die "'Social Evenings" eingestellt. Der ebenfalls schwarze Proshop-Manager stattete ihn leihweise und kostenlos  aus, als hätte er ein Major Tournament zu bestreiten, und seine Anziehsachen waren in Rekordzeit aus der Reinigung; mit einer Hibiskus-Blühte und einem handgeschriebenen Gruß von "Marcy"
  Johannes wurde schon auf dem Centercourt erwartet. Man wollte ein Doppel "best of three" spielen. Johannes machte sich keine Vorstellung davon, was Nytorf in Unkenntnis über seine Spielstärke hatte verlauten lassen. Die beiden Verlagsmanager waren bereits in den Fünfzigern. Der Privat-Banker - an die vierzig - machte einen extrem fitten Eindruck. Die Paarungen wurden nicht nach Spielstärke, sondern nach Alter festgelegt. Johannes spielte also als Jüngster mit dem etwas älteren Verlagsmanager.
  Schon beim Einschlagen war klar, dass das nach dem äußeren Anschein ein echtes Trigger-Game werden würde. Johannes war nicht nur der mit Abstand schwächste Spieler auf dem Court, sondern auch der ahnungsloseste, denn es wurde beiläufig darum gezockt, wer am Abend das Dinner im Café Martinique zahlen würde. Johannes überlegte kurz wie er seine so junge Familie vor dem sicheren Hungertod bewahren könnte. Denn abgesehen davon, dass der Ocean-Club und der private Charter weit über seine Verhältnisse gewesen waren, würde ihm selbst die Hälfte des Dinners für die Fünf im damals teuersten Restaurant der Bahamas den Rest geben. Er verfluchte Nytorf insgeheim und dann sogar halblaut als jener mit den Damen seiner Geschäftsfreunde - gewissermaßen als exklusives Publikum - auf der Tribüne Platz nahm. Für die würde das Dinner also mit bezahlt - obwohl keine der Damen die "Misses" von einem seiner Mitspieler war, wie ihm Nytorf später mit viel sagendem Blick  zuraunte.
   Die beiden Älteren spielten die elegante klassische amerikanische Technik, während der Banker und Johannes besonders auf Sandplatz schon Vertreter der Topspin-Generation waren. Da beide Rechtshänder waren, spielten sie auch rechts auf der Vorhandseite, was automatisch zu einer Pokerpartie führte. Beide zogen mit voller Kraft ihre Schläge so durch, dass sie nach hohem Bogenflug sehr diagonal hinter der Höhe der T-Linie aufsprangen ohne, dass die Spieler am Netz eine Chance zum Eingreifen hatten. Der Rückschläger wurde zudem noch sehr weit aus dem Feld getrieben. Es war also reine Nervensache, wer die Punkte machte. Da Johannes - schon wegen seines kaum zu bremsenden Temperamentes - eine derartige Löffelei verabscheute, aber auch ein schönes Spiel wollte, verteilte er stets als erster die Bälle. Und damit machte die Gegenseite Punkt um Punkt. Bei Johannes wuchs also mit der drohenden Niederlage auch der Druck des finanziellen Desasters. Dass er wegen seines sicheren und harten Aufschlages keines seiner Aufschlagspiele abgab, war dabei nur ein schwacher Trost. 6:4  ging der erste Satz verloren, und den zweiten konnten sie sich unter diesen Vorzeichen eigentlich sparen, denn die Überlegenheit der anderen war größer als das nüchterne  Resultate verriet...
  Doch Johannes hatte die Rechnung ohne das Knowhow und den Ehrgeiz seines Partners Burt gemacht. Später sollte er erfahren, dass jener jahrelang in den Top Ten der US-College-Rankings war und sehr erfolgreich in seiner Freizeit ein Teeny-Team coachte. Burt schickte Johannes auf die linke Seite (wo im Doppel eigentlich die entscheidenden Punkte gemacht werden) und verlangte  von ihm - komme, was wolle - die dichte Position am Netz nur als Rückschläger und beim Service aufzugeben, den Rest würde er erledigen. Johannes hatte Burt zunächst im Verdacht, er wolle nach dem Herumstehen im ersten Satz nur noch ein wenig Action und Spaß.
  Da Pete, der Privat-Banker, der deutlich stärkste Spieler auf dem Platz war, dachte er siegesgewiss gar nicht daran, auf diese taktische Maßnahme zu reagieren. Das Diagonal-Duell lief nun aber komplett anders ab. Burt blieb provozierend bei den Topspinbällen kurz hinter der T-Linie und slicete sie aus über Schulterhöhe mit tödlicher Sicherheit extrem kurz hinter das Netz, wo Pete nur noch unter aber nicht mehr über den Ball kam. Das öffnete für den einigermaßen sicheren Volleyspieler Johannes einen großen Vektor im gegnerischen Feld - zumal Dennis, Petes Partner, naturgemäß nicht mehr der Schnellste war.
  Die Rückhand von Johannes war kurz vor lausig. Auf dem langsamen Sandplatz blieb ihm eigentlich nur der Slice, wenn er nicht viele unerzwungene Fehler in Kauf nehmen wollte. Der Slice kaschierte allerdings eine Horrorwaffe, der sich Johannes meist aus Verlegenheit bediente. Durch seine starken Handgelenke konnte er, ohne Schaden zu nehmen, einen aus voller Wucht geschlagenen Cross ansatzlos in einen wie tot hinters Netz stürzenden Stop verwandeln.
  Nachdem sie den zweiten Satz überraschend mit 6:3 für sich entschieden hatten, lagen sie im vierten bereits mit 2:4 zurück, als ausgerechnet so ein Schlag von Johannes die Vorentscheidung brachte. Er war gerade noch mit Mühe an einen Ball heran gerutscht, als er sich instinktiv entschloss, das locker hängende Handgelenk beim Schlag extrem zu winkeln. Für Dennis, dessen harten Schlag von der Grundlinie er damit konterte, telegraphierte dieser Stop Unerreichbarkeit. Nicht aber für Pete, der aufgrund der veränderten "Machtverhältnisse" offenbar zunehmend unter Strom stand. Er startete mit geballter Energie hoch zu einem Sprint, der tief abgebremst werden musste. Das trockene Plopp eines Muskelfaser-Risses schallte sogar zu den Barbie-Puppen auf der Tribüne hoch, die darob in dieses klassisch hysterische Cheerleader-Gekreische aus den einschlägig bekannten Girlie-Filmen ausbrachen.
  Dennis und Johannes boten sofort einen Abbruch der Partie an, aber Pete war so voller Adrenalin, dass er nach ein paar mal heftigem und schmerzverzerrtem  Auftreten Anstalten machte, sein Service wieder aufzunehmen. Dennis zog den total verschwitzten Johannes ganz dicht an sich heran und raunte ihm zu:
  "No mercy! Keine Gnade! Er hätte aufgeben können."
  Wann immer Johannes aus Mitleid mit seinem schmerzverzerrten Gegenspieler Bälle ohne Killerinstinkt spielte oder unterbewusst nicht so hart auf Pete servierte, wiederholte Dennis diese ultimativen Sätze. Bis sie den Entscheidungssatz mit 6:4 für sich entschieden hatten. Johannes fühlte sch einerseits nicht wohl mit diesem ungerechten Sieg, andererseits war er jedoch erleichtert, dass der Kelch des Zahlenmüssens an ihm vorüber gegangen war. Er nahm sich dennoch vor, am Abend auf Kosten der Verlierer Langusten und Champagner bis zum Abwinken zu vertilgen...
  Was man von den "US-Boys" wirklich lernen konnte, war die Grandezza, mit der selbst eine Niederlage als Anlass zum stilvollen Feiern genommen wurde. Nach dem Duschen trafen sich alle schon im "Social Dress" für den Abend zu Cocktails und Hors D'Oeuvre am Pool des Sporting Clubs, wobei Pete mit seinem lädierten Oberschenkel den Mitleidbonus der Barbies einstrich und Hark van Nytorf mit seinem "Langley-Amerikanisch" den Medien-Macker mimte. Johannes hatte begriffen , dass er sich in einer Art Testlauf befand. Van Nytorf wollte die deutsche Lizenz für eines der härteren US-Männermagazine, mit der die beiden Verlagsmanager dealten. Der Offshore-Banker sollte dem Plot konditionell und steuertechnisch den Rücken frei halten und der "Hals-und-Beinbruch-Reporter" musste als möglicher repräsentativer Blattmacher abgeklopft werden.
  Dass dabei seine polyglotte Erfahrung nicht auf den Prüfstand geraten sollte, offenbarte ein Dialog mit Pete, dem "Finanz-Genie", den er später gerne als für die Reagan-Aera politisch signifikanten Unterhaltungsbeitrag beisteuern würde. 1980 strebte der Afghanistan-Konflikt einem neuen blutigen Höhepunkt zu, und die Amerikaner hatten Angst, stärker involviert zu werden:
  "Horrible, what the Russians do in Afghanistan!" Konstatierte Pete.
  Johannes bestätigte und betrauerte die frühere Sicherheitslage, in dem er erzählte wie seine pensionierten Eltern zu Beginn der Siebziger die ganze Strecke von Europa auf den Indischen Subkontinent noch mit ihrem VW-Campmobil abgereist waren, und wie er selbst einige Jahre zuvor geplant hatte, auf den Spuren von  Micheners  "Karawanen der Nacht" die Strecke Kabul-Kaiberpass als Erlebnis-Reportage auf dem Pferderücken zurückzulegen. Pete nickte wissend und interessiert dazu und fragte dann allen Ernstes:
"Besides. Where is this damn' Afghanistan. Must be somewhere near Italy!"
  Als die anderen ihn zwischen Gänseleber und Languste inmitten all der kristallenen "Lüsternheit" des Café Martinique am abend ohne Vorwarnung fragten, wie denn sein finanzieller Anteil an einem möglichen Deal aussehen könnte, wusste Johannes endgültig, dass er auf der falschen Veranstaltung war, und er beschloss - dessen Netzwerk hin oder her - nie wieder mit  oder für Hark van Nytorf zu arbeiten.
  Er gab vor, zu wenig von dem zu verstehen, was sie ihm zur Finanzierung über einen Fonds aus "Luftaktien" vorschlugen und bat souverän um Bedenk- und Beratungszeit "with my guys at home". Was sich für die anderen wie ein Beraterstab anhören mochte, war ein drei Wochen altes Mädchen und eine Managerin, die sich gerade entschlossen hatte, voll in ihrer neuen Mutterrolle aufzugehen. Er wusste wie deren Antwort ausfallen würde.
  Später waren sie noch hinüber gegangen ins Casino vom Britannia Beach um die After-Dinner-Show zu sehen. Zu den Tickets gab es große bahamesische Münzen als "Spielgeld" für die im Foyer aufgestellten Slotmachines. Johannes warf seine lustlos und ohne Interesse in die nächstbeste. Die letzte Münze holte mit drei Siebenern einen kleinen Jackpot von 777 US-Dollar. Er nahm das als ein Zeichen - niemals mehr vabanque zu spielen.
  Am nächsten Morgen rief van Nytorf ganz ungehalten vom Pool aus an, wo er denn bliebe:
  "Ich krieg hier nix! Du hast doch gesagt, deine Wäsche sei innerhalb von zwei Stunden zurück gewesen. Ich warte jetzt schon zwei Tage, und zum Lunch wollen sie mir auch nichts servieren  Die fragen immer: 'Where is the big man?' und meinen, ich solle auf dich warten. Zahlst du denen extra dickes Trinkgeld oder was?"
  Johannes verzichtete darauf, dem Älteren eine Belehrung zu erteilen. Wer mit mehr Wodka als Blut in den Adern so laut in einem Hotel voller schwarzem Personal von "Bimbos" und den "Negern als beste Freunde des Menschen" spricht und das noch für witzig hält, musste vermutlich froh sein, wenn er trotz der "fashionable ambience" ohne zufälligen Unfall davon käme...

Dennoch.  Für van Nytorf und sein neues Magazin schrieb er in der Folge (trotz seines Vorsatzes, dies nicht mehr zu tun) einige erotische Kurzgeschichten. Eine davon wurde sogar in die zwölf Sprachen der anderen Lizenznehmer übersetzt und eröffneten Johannes ein kleines "weiteres Feld". Van Nytorf verlor innerhalb der nächsten drei Jahre mit dem Blatt fast die Hälfte seines Vermögens.  Dennis und Burt sah er nie wieder, aber Pete sollte seinem Leben dreizehn Jahre später eine erneute Wende geben...

Freitag, 5. April 2013

Frühaufsteher

Früher hat mich das Schlaf-Loch, in das ich jede Nacht - egal ob Sommer- oder Winterzeit - so gegen fünf Uhr früh gerate, sehr beunruhigt. Dann habe ich Probleme gewälzt, bin vom Hundertsten ins Tausendste geraten, oder es wurde gleich der kommende Arbeitstag durch geackert. Seit ich morgens ausschlafen könnte, hat dieses Schlaflosigkeit an Schrecken verloren. Manchmal fühle ich mich in diesen frühen Morgenstunden bereits frisch genug,  dass ich mir eine Art Unterhaltungsprogramm gönne,indem ich mich an unsere Fensterfront setze und auf die noch ruhige Kreuzung hinunter schaue:

In dem großen Taxi-Unternehmen schräg gegenüber, kehren die Fahrzeuge eines nach dem anderen von der Nachtschicht zurück. Nach einem ausgeklügelten System werden die Wagen unter dem Überbau eingeparkt und die Fahrer entweder von einem guten Geist mit dem Auto  abgeholt oder schlurfen  müde zur Bus-Haltestelle.

Als sei der Dienstschluss der Taxler ein geheimes Zeichen, gehen dann kurz nacheinander in der Bäckerei direkt gegenüber und in der Metzgerei auf der anderen Straßenseite die Lichter an. Beide sind gleich beim Öffnen derart frequentiert, dass schon ein gewisser Vorlauf notwendig ist, um die Auslagen mitsamt den Brotzeit-Angeboten zu bestücken.

Für mich wäre ein Berufsleben als Frühaufsteher undenkbar gewesen. Wenn ich ehrlich bin, war das späte Anfangen ausschlaggebend  für meine Berufswahl. Die drei Jahre, in denen ich als Lehrling um 7 Uhr 30 auf Pünktlichkeit kontrolliert im Verlag zu erscheinen hatte, waren mir ein Graus, der mich heute noch schaudern lässt. Dass ich später die Nächte vor den Abgabe-Terminen wie im Klischee mit Whisky uns Unmengen von Zigaretten durch geschrieben habe, empfand ich hingegen als natürliche Auswirkung meines speziellen Bio-Rhythmus. Was für ein Privileg, dass ich den so ausleben konnte!

Heute, nachdem ich als täglicher Kunde die beiden griechischen Schwestern kenne, die im Franchise die Filiale einer vor Jahresfrist noch wegen mangelnder Hygiene von der Schließung bedrohten Großbäckerei führen, ist mein Respekt vor den Frühaufstehern grenzenlos. Auch das Metzger-Ehepaar, mit den drei Damen Stammpersonal nötigt mir mit seinem Fleiß Respekt ab. Denn neben dem klassischen Wurst- und Fleischwaren-Angebot versorgen sie unser Umfeld nicht nur mit Brotzeit, sondern die wachsende Single-Kultur mit abwechslungsreichen, frisch zubereiteten, warmen Mahlzeiten. Und das zu Preisen, bei denen man allenfalls von einem bescheidenen Gewinn ausgehen kann.

Über diese Frühaufsteher-Gesellschaft, zu denen ja auch die Werksangehörigen der Frühschicht des großen Autobauers am Südende unserer Nebenstraße zu zählen sind - oder die Radler, die gleichgültig bei welchen Witterungsverhältnissen in Richtung Innenstadt zu ihren Jobs unterwegs sind, habe ich mein Leben lang nicht eigens nachdenken müssen. Aber jetzt, da ich sie entspannt beobachten könnte, bereitet sie mir kurioser Weise ein schlechtes Gewissen. Allenfalls durch meinen im Alter von Jahr zu Jahr schrumpfenden Konsum, kann ich noch dazu beitragen, dass ihr unerschütterlicher Dienst am Funktionieren unseres Gemeinwesens die verdiente Job-Sicherheit erfährt...

Montag, 1. April 2013

Das etwas andere TV-Duell

Meine Frau weigert sich strikt, meine Blogs zu lesen. Aber es ist ihr natürlich zu Ohren gekommen, dass ich sie gelegentlich  als "Zweitbeste" auftreten lasse. Sie akzeptiert zwar diese Anspielung auf Ephraim Kishon zähneknirschend, ist aber auch beleidigt, dass ich mir für sie so eine zurücksetzende Umschreibung statt einer etwas  kreativeren Schmeichelei habe einfallen lassen. Im Prinzip ist sie davon überzeugt, dass ich mich über sie nur  lustig mache und klickt deshalb meine Blogs nicht an. Dabei würde ich so etwas Despektierliches doch nie und nimmer machen - oder?

Was mich beim heutigen Post retten wird, ist ihr eingeschränktes Erinnerungsvermögen, das übrigens keine Auswirkung des fortschreitenden Alters, sondern unser lebenslanger Begleiter ist. Ihre Vergesslichkeit war schon als Twen so ausgeprägt, dass ich spaßeshalber Bekannten folgende Geschichte über unser morgendliches Aufwachen auftischte:

Sie blinzelt mich verschlafen an und dann fragt sie:"Wie hast du denn geschlafen ... äh ... äh?"

Gut, mittlerweile - weil sie ja doch schlau ist - sagt sie routiniert  Spatzl, Schätzchen oder Mäuschen, wenn sie meinen Namen über Nacht vergessen hat, aber dafür werden ihrer Erinnerungslücken auf anderen Gebieten immer drastischer.

Seit die neuen Fernseh- und Rundfunk-Gebühren gelten, regt sie sich - wie ich meine - zu Recht auf. Wie das Oster-Wochenende bestätigt: Wiederholungen, Wiederholungen, Massenmörder-Filme statt dem Anlass entsprechenden erbaulichen Werken. Richtig gute Filme gibt es bei den "Öffentlich-Rechtlichen" ja offenbar nur noch nach Mitternacht...

Gestern nach dem üppigen Osterbrunch, das sich von unserer Tochter ausgerichtet bis spät nachmittags hinzog, blieb zum Verdauen nur noch die Glotze, und es gab tatsächlich keine Alternative zu Til Schweigers "Kokowääh", dem einzigen Film, den wir mehr oder weniger zurecht noch nicht gesehen hatten.

Bevor es jedoch so weit war, entspann sich zwischen der Zweitbesten und mir ein TV-Duell der etwas anderen Art.
Sie: "Das ist doch ungeheuerlich! Bei diesen enormen Gebühren an Feiertagen dann nur Wiederholungen!"
Ich: "Was regst du dich auf? Bei deiner Vergesslichkeit merkst du doch gar nicht, ob du einen Film schon gesehen hast..."
Sie: Was ist mit dem Tatort auf den ERSTEN? Den habe ich bestimmt noch nicht gesehen. Der ist wenigstens ohne Werbung."
Ich: "Klar, kennst du den. Das ist der mit der Frau Burda und dem schwulen Fußballer! Den haben wir zusammen gesehen."
Sie:" Dann eben den Tatort auf EinsFestival."
Ich:"Den haben wir doch vergangene Woche auf einem der Dritten geguckt: Der durchgeknallte Vater, der glaubt,die Postbotin hätte seinen Sohn überfahren."
Sie:"Kenn ich nicht. Da habe ich bestimmt die Küche gemacht."
Ich:"Ganz sicher nicht! Du hast dich nämlich tierisch darüber aufgeregt, wie der besessene Taxler das Handy der Postbotin orten und unbehelligt mit der Waffe ins Kommissariat eindringen konnte. Überwachungsstaat und so. Erinnerst du dich jetzt?"
Sie:"Nö, aber dann eben doch den Schweiger."

Eine kurze Weile schmunzelten wir über Schweigers wirklich süße Tochter und freundeten uns sogar mit dem Genuschel der Protagonisten an, dann kam schon die erste ewig lange Unterbrechung durch Werbung.
"Where ist the Message?", fragt die Zweitbeste bei einem Spot, in dem drei junge, gelbschwarz gekleidete Männer in einem Auto sitzen und sich wahnsinnig über ihren Dialog freuen.
"Das ist der Trainer des zweimaligen Deutschen Fußballmeisters mit zwei seiner Spieler, die in einem Auto ihres Sponsors sitzen Soll ich dir jetzt auch noch alle Witze in den Werbespots erklären?"
Sie:"Ich gucke keinen Fußball und kenne diesen Klops, Kopp nicht - oder wie der sonst noch heißt . Ich erkenn' ja auch den Jogi Löw nur, weil MAOAM so einen Spot hat, in dem ein Bub den so gut nachmacht. Zapp lieber mal! Die Werbung ist immer so laut. Sollte die nicht von den Dezibel her angepasst werden?"

Was soll ich weiter erzählen? Letztendlich zappten wir zwischen nicht weniger als fünf Filmen bis zwei Uhr nachts (Sommerzeit). Die meisten davon hatten wir mindestens schon mehrmals gesehen, aber so erschienen sie wie neu: Bruce Willis im Schneetreiben und ausnahmsweise nicht im T-Shirt wurde diesmal im Abmurxen von dem sonst so netten Liam Neeson übertroffen, während Inspector Barnaby gewohnt betulich seinem Handwerk nachging, dazwischen sorgte sich ohne viel Blutvergießen eine schwedische Inspektorin um ihre Freundin während Morgan Freeman den österlichen Leichenberg noch durch Agelina Jolie toppen ließ. Den Rest habe ich ermattet mit Schlafpausen überbrückt.

Kein Wunder, dass sich die Zweitbeste nie an eindeutige Handlungen erinnern kann.