Der Glaube versetzt Berge: Diese oft so dahin gesagte Floskel muss in Zeiten selbstmörderischen Bombenterrors unbedingt überdacht werden. Noch so ein Spruch ist: Wer's glaubt wird selig!
Die Katholische Kirche würde sich diese Art Glaube - also physische Kraft durchs Gebet und im unbedingten Gehorsam Erlangung von Seelenheil - für seine Schäfchen wünschen. Aber wenn selbst die den Glauben verlieren, die ihm gegenüber aufgeschlossen sind, dann wird es dringlich, den Glauben leichter zugänglich zu machen.
Genau das wäre die Aufgabe des zurück getretenen Benedikt XVI gewesen, mit der er ein großer Papst hätte werden können.
Ganz sicher werde ich mich nicht in die Reihe jener stellen, die sein Pontifikat nun rückblickend gewichten wollen. Das steht mir als Agnostiker gar nicht zu, und dazu reicht mein Wissen auch nicht. Aber ich werde immer noch umgetrieben von dem, was er in der Heiligen Nacht wenige Tage vor der Ankündigung seines so Aufsehen erregenden Rücktritts zum Ausdruck gebracht hat. Dass nämlich die übersteigerte Interpretation von Glaubensinhalten immer wieder zu Ausbrüchen der Gewalt führte...
Ganz sicher hat er dabei weniger an die Gräuel-Taten in der katholischen Kirchengeschichte gedacht, weder Kreuzzüge, Inquisition, Autodafes, Exorzismus oder den gerade wieder aufkeimenden Konflikt auf der irischen Insel gemeint, sondern wollte wohl eher auf den arabischen Frühling mit seinen islamistischen Konfrontationen verweisen.
Da bin ich ihm wohl erst einmal flüchtig auf den Leim gegangen und hatte ihm zunächst Altersmilde unterstellt. Auch wenn er angeschlagen war, der "Ratzi" hat auch im Abgang seiner Worte kein zufälliges "Geschmäckle" hinterlassen. "Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis" - so der offizielle Titel der Glaubenskongregation, der der Kardinal Ratzinger vorstand, bevor er zum Papst gewählt wurde, ist eine Institution, die in der weltlichen Politik die Zentrale für Dialektik und Doktrin wäre; die die Lehre - mag sie noch so revisionsbedürftig sein - erbittert verteidigt und Strategien entwickelt um Reformatoren um jeden Preis abzuhalten. Der protestantische Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf unterstellt in einem Beitrag für die Süddeutschen Zeitung vom 1. März 2013 sogar, Benedikt XVI hätte sein Papstamt einem Denken unterworfen, das der Theologe Joseph Ratzinger entwickelt habe.
Ich interpretiere das so, dass der Papst also gar keine Chance gehabt hätte, sich aus diesem Korsett seines eigenen Starrsinns zu befreien, um Brücken zu anderen Religionen oder zu anders denkenden Menschen der Gegenwart zu bauen. Dem hoch intelligenten Kirchen-Wissenschaftler muss man aus meiner Sicht deshalb wahrlich in der Rolle eines Chef-Ideologen sehen, wie sie Gott sei Dank (!?) mit dem real existiert habenden Kommunismus untergegangen sind.
Historisch gesehen kann man allen Chef-Ideologen jedoch ein infinitesimales Verhältnis zum Fundament ihres Denkens unterstellen. Ein Fundament, das gar nicht mal auf Wahrheit beruhen musste - Hauptsache die felsenfeste Überzeugung, die dem Volk mitunter sogar eingebleut werden musste, war nur bedrohlich genug.
Martin Heidegger hatte dieser Art Gleichschalterei und Unterdrückung des Individuums durch Kommunisten und Faschistenn schon in den unruhigen 1920ern seine Überlegungen über das "Man" entgegen gehalten (Man nehme! Man mache! Man denke! etc.). Dem Kirchen-Historiker Ratzinger hätte es gut angestanden sich mit derartigen Gedanken auseinander zu setzen. Dann hätte er als Papst Benedikt XVI einen seiner ebenso einseitig denkenden Vorgänger, nämlich Pius XII, niemals selig sprechen dürfen. Der hatte wider besseren Wissens zum Faschismus und dem Holocaust geschwiegen.
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