Donnerstag, 14. März 2013

Jetzt also ein Jesuit als Papst


Zum neuen Papst Franziskus I, dem ersten Jesuiten auf dem Stuhl Petri, stellten sich gestern Abend spontan Erinnerungen an meine Zeit auf einem privaten Gymnasiums ein. Das ist 50 Jahre her, aber der Einfluss von Jesuiten und Salesianern, die begeisterte und zum Teil begeisternde Lehrer waren, wirkt ja immer noch nach. Ob im Sinne Don Boscos beim Sport oder des heiligen Franziskus von Assisi - was präzises Lehren und persönlich gelebte Bescheidenheit anging - waren das tolle Lehrer. Aber man durfte ihnen nicht auf den Leim gehen, denn sie waren doch in erster Linie Agenten ihres Glaubens, was auch protestantische Schüler zu spüren bekamen. Vor allem wenn sie intelligent genug waren ihr Doppelspiel zu durchschauen.

Franziskus I hat genau das Alter, das auch meine diversen Lehrer-Patres - so sie noch am Leben sind - heute haben dürften. Er wurde also auf gleiche Art als dem Papst und Dogmatismus treuer Rekruteur des Katholizismus trainiert. BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb sprach gestern daher live auch bezeichnend und entlarvend vom Kandidaten für die Wachstumsmärkte des Katholizismus...

Das muss nicht die schlechteste Eigenschaft sein, aber man sollte die Erwartungen an den neuen Papst in puncto Reformen nicht zu hoch schrauben. Es ist ja auch eine Frage, wie viel Zeit dem 76jährigen bleibt.

Ich habe meinem erzählerischen Alter Ego Johannes Goerz vor Jahren bereits ein Erlebnis in seinen fiktiven Lebenslauf geschrieben, das in etwa exemplarisch die Einstellung der Jesuiten in den 1960ern wiedergibt.

 Seine Jahre als Reisender zwischen den Welten des Islam, des Buddhismus, des Hinduismus, die Begegnungen mit den verschiedensten Natur-Religionen und letztendlich jener unfassbare Schrecken und Terror, der im Namen fanatischer Gläubigkeit auf Andersdenkende ausgeübt wird, verhinderten zwar, dass Johannes Atheist wurde, aber sie führten gleichzeitig zu einem überwiegend hilflosen Agnostizismus. Er lehnte gemäß Thomas Henry Huxley alle transzendentalen Fragen ab, aber er war trotz allem tolerant genug die Frage - hätte man sie ihm gestellt - nach der Existenz Gottes mit "ich weiß es nicht" zu beantworten.
  Da sich dann aber Geschehnisse im Laufe seines Lebens abnorm gehäuft hatten, die das Einwirken und Vorhandensein einer höheren Macht denkbar machten, gefiel ihm die Vorstellung von einer Art mathematischer Gesetzmäßigkeit - einer empirischen "Formel Gott" also.
  So lange er jung und zornig war, überwogen bei Johannes jedoch die Antithesen.
  Sein Englischlehrer stellte so eine dar: 
  Gawlicek, den sie in Anlehnung an sein Fach Pater Knoblauch nannten - war ein Jesuit und exemplarischer Agent Gottes. Er beschiß beim Billard und Tischtennis, er war den Mädchen in der gemischten Klasse gegenüber  geringschätzig („lange Haare, kurzer Verstand“), er rauchte Pfeife im Unterricht und ließ mit ihrer Hilfe aus den Köpfen Unwissender symbolisch seinen Tabak-Qualm aufsteigen, in dem er ihn den Delinquenten unappetitlicher Weise in die Haare hauchte. Vor allem aber war der Mann mit dem Kollar im inquisitorisch schwarzen Anzug nicht nur ein gegenüber der Menschenliebe Intoleranter, sondern auch ein unverbesserlicher Antisemit. In beiläufigen Kommentaren wie auch durch aktives Handeln. Das bekam drastisch der jüdische Mitschüler Charly Padlowski (wie der Pater polnischer Abstammung) zu spüren:
  Zu jener Zeit, in der der braune Schrecken gerade mal etwas mehr als Charlys Knabenalter her war - hingen noch Kreuze in den Klassenzimmern, und das bayerische Kultusministerium schrieb ein ökumenisches Schulgebet vor. Wenn es in den ersten Stunden Englisch gab, wurde dieses Gebet in einer Übersetzung gesprochen. Charly, dessen Familie Holocaust-Überlebender den Glauben nicht einmal praktizierte, demonstrierte seine Toleranz, in dem er den englischen Text zwar wie eine "Lesson" mitsprach, aber die Hände nicht zum Gebet faltete. Gawlicek, damals als Klassenlehrer noch neu, packte Padlowski im Zorn seines allein vertretenden Gottes mitten im ersten Gebet  und setzte ihn mit den Worten vor die Tür:
  "Wenn du nicht beten kannst, hast du auch hier drinnen so lange nichts zu suchen!"
  Die Klasse war erschrocken im Gebet verstummt, aber außer Johannes und natürlich Charly war wohl die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges niemandem bewusst geworden. Noch bevor er überhaupt über Konsequenzen nachdenken konnte, war Johannes hinter den beiden her und krähte mit seiner Stimmbruch-Stimme so laut, dass es übers Treppenhaus in alle Klassenzimmer gellte: "Ja, isses schon wieder so weit? Ja, isses schon wieder so weit? Ja, isses schon wieder so weit?"
  Erst sollte Johannes in der Folge einen Direktoratsarrest wegen "Insubordination" bekommen. Doch wurde der ausgerechnet vom Direktor selbst abgeschmettert. Dann verschlechterten sich die Englisch-Noten von Charly und Johannes dramatisch. Das wiederum hinderte die beiden nicht daran zur Jahres-Abschluss-Feier die einschlägige Szene aus dem "Kaufmann von Venedig" in Shakespeares Original-Englisch darzubieten. Was ihnen "standing ovations" einbrachte.

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