Freitag, 14. März 2025

Wenn das gute Amerika immer mehr zur Fiktion wird

 Können Streaming-Serien zu Gradmessern der veränderten sozialen Realität werden? Das ist eine Frage, die ich mir als "Binge-Watcher" täglich aufs neue stelle. 

Auf der einen Seite die Renaissance der epischen Pferde-Opern wie "1883", "Horizon" und "Yellowstone", die mit ihren Gewalt-Exzessen Verständnis dafür schaffen sollen, dass das "Land Of The Free" eben so ist wie es ist. Weil es ja einst nur mit Blood, Sweat and Tears und der systematischen Verdrängung seiner Ureinwohner besiedelt werden konnte. Dass der Pioniergeist der Migration aus allen Teilen der Erde nur mit dem über Bord Werfen von ethischen und rechtlichen Regeln der "alten Heimat" gelingen konnte. Dass Lynchjustiz und Landnahme durch die Bewaffneten gegen die unbewaffneten Schwachen posthum unterschwellig wohl zu rechtfertigen sei.

Bei über fünfzig Prozent der US-Citizens scheint sich diese Denke über Generationen nicht nur festgesetzt, sondern  auch durch die Ära Trump  wieder verstärkt zu haben: Soll heißen, trumpscher Tonus suggeriert. Ich kann für meine Zwecke Gesetze brechen, oder mir Rechte ohne Zustimmung anderer nehmen und sie bei Gegenwehr mit Waffengewalt durchsetzen. Wie soll ein POTUS, der gegenüber der Weltgemeinschaft Gelüste auf Grönland, den Gaza-Streifen und den Nachbarn Kanada äußert, denn innerhalb seines Riesenreiches dann noch verhindern können, dass sich jeder nimmt, was ihm Begehr ist. Was ist Staatsschutz noch wert, wenn er die, die er durch seine Hetz-Tiraden und Lügen aufgestachelt hat, das Capitol stürmen, durch wieder erlangte Macht begnadigt? Das ist Sanktionierung von Staatsterrorismus.

Quelle: Handelsblatt
Die Gewalttäter, die das Capitol stürmten,
wurden vom Aufhetzer Trump
präsidial als Patrioten begnadigt

Auf der anderen Seite "streamen" die Verschwörungs-Serien rund ums Weiße Haus, in denen gut vernetzte Schurken mit Zutritt zum Oval Office minutiöse Intrigen planen, um ihre Vorstellungen von der richtigen (meist martialischen) Weltherrschafts-Politik durchzusetzen. Da fallen mir vorrangig aus der Vor-Trump-Zeit "House of Cards" und "Designated Survivor" ein. Aber unter allen heldenhaften Gut-Menschen, die die "Verschurkung" der USA verhindern, sticht aktuell doch gerade der 81jährige Robert De Niro mit Rollen hervor, die ihn als "Elder Statesman*" Sätze sprechen lassen, die Hoffnung auf ein anderes, ein gutes Amerika wecken sollen. Einem kleinen Sicherheits-Beamten (Angel Has Fallen) oder einem Normalbürger, der durch Zufall in so einen Komplott gerät wie in "Staatsfeind Nummer Eins" bleibt allein die Action. Die Rollen von De Niro in "Amsterdam" oder "Zero Day" lassen den "Elder Statesman" im Sinne intellektueller Waffen Sätze von geradezu philosophischer Tragweite als eine Botschaft an  die Gegenwart und für eine hoffentlich vom Trumpismus befreite Zukunft sprechen. Es kann doch wohl kein Zufall sein, dass Netflix sein Release von "Zero Day" ausgerechnet im Februar 2025 gewählt hat, in dem Trumps Macht-Blähungen in einem riesigen, stinkigen Furz die ganze Welt verpestet haben. Wir Normalos kommen ja da aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. Da ist die mimische Perfektion des "Altstars" wirklich ein wirkungsvolles Trostpflaster.

Quelle: Fernsehserien
Wenn Influencer, Social-Media-Unternehmer und Hacker-Gruppen
mit Intriganten im Weißen Haus die schwache Präsidentin
durch einen Cyber-Angriff auf die gesamte Infrastruktur des Landes
schwächen will, hilft nur noch der wortgewaltige "Elder Statesman" mit 
seinen analogen Tricks 

Ich will hier ja keine Werbung für Streaming-Dienste machen, aber es ist nun einmal eine unverblümte Tatsache, dass sie in Serien-Länge Nischen schließen, die das große Kino monothematisch oft nicht versorgen kann. Natürlich sind diese unterschwelligen Botschaften meist genauso Fiktion wie übliche Science-Fiction-Plots. Da dürfen wir uns nichts vormachen. "Edel sei der Mensch und amerikanisch!" funktioniert eben in alle Richtungen. Genau wie die Legitimation jeweiliger Denkweisen. Es ist aber in dieser momentan so verwirrenden Welt zumindest ein wenig beruhigend, wie sich das gute, "amerikanische Gedankengut der Demokratie" immer noch in beachtlichen Sätzen manifestieren lässt,

*Politiker, der nach seinem Ausscheiden aus einem hohen Staatsamt aufgrund seiner im Amt erworbenen Verdienste als über den Parteien stehende Persönlichkeit mit großer Erfahrung angesehen wird und dessen kompetente Ratschläge gerne von anderen eingeholt werden Quelle DWDS

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