Montag, 18. Mai 2020

Totano total


Wer in diesen Tagen keinen Lagerkoller erleiden will, dem empfehle ich zur Befeuerung der Partnerschaft kreatives Kochen als täglich neue Überraschung. Gestern ist es mir gelungen, die fürsorglichste Ehefrau von allen als Belohnung für ihren mutigen Einsatz an der Corona-Front mal wieder so richtig zum Jauchzen zu bringen.

Nachdem der letzte Post ja von meiner Sehnsucht nach Italien handelte, ließ mich der Gedanke nicht mehr los, mal mediterranes Flair auf den Tisch zu zaubern. Denn endlich gelangen wieder frische Meeresfrüchte aus dem Mittelmeer in die nördlichste Hauptstadt Italiens: Monaco di Bavaria.

Soll keiner behaupten, der Spruch "liebe geht durch den Magen" habe keine Berechtigung. Allerdings hätte ich meinen Schwiegersohn auch ohne seine meisterlichen Fähigkeiten am Herd fest in meine Herz geschlossen. Er hat während der Isolation, in der er ja den Kochlöffel nur zu Hause schwingen darf seine Familie nicht nur bekocht, sondern meiner Tochter im Home-Office den Rücken bei der Betreuung unseres Enkels frei gehalten. In sofern hat die Korona-Krise aber auch zur Intensivierung der Vater-Sohn-Beziehung beigetragen, die ja wegen der Schichten des Souschefs vom gerade erst eröffneten Gourmet-Restaurant "MONA" eher sporadisch war.

Eine kleine Schwärmerei des Opas über frische Totani wie wir sie einst am Strand in Elba hatten im telegram an meine Tochter,  und schon lieferte der Schwiegersohn, der zum Frischemarkt ja nur über die Straße muss. Das Monster, das er vor die Tür stellte, hatte aber weder mit den Kleinen, die ich im umido für die Pasta schmore, noch für die mittelgroßen Braunen zum Grillen zu  tun. Der 800-Gramm-Oschi passte gerade noch geputzt in unsere größte Reine. Aber damit forderte er mich alten Smutje erst recht heraus:

Vorbemerkung: Von allen Speise-Mollusken riecht der Totano - selbst wenn er direkt aus dem Meer kommt - am intensivsten. Dafür mundet er aber auch köstlicher als das andere "Weichgummi mit Fischgeschmack". Meinem Riesen-Exemplar hätte ich gerne das passende Deo verpasst. Mehr riecht eben auch mehr nach Meer! Da musste ich eben einfach durch. Und es war auch gut, dass ich mich rechtzeitig an die knirschende letzte Pasta "Totani in umido" erinnerte, bei der ich mich auf das Putzen des Fischhändlers verlassen hatte. Ich unterzog unser Abendessen also einem ausgiebigen Bad unter fließendem, heißen Wasser - und hatte einen kleinen Strand im Spülbecken. Auch vergessen die Putzer - wie in  diesem Fall -  gerne die lange chitinartige Versteifung des Balgs oder Bauchsacks heraus zu ziehen. Hier war sie gut zwanzig Zentimeter lang...

Totano ripieno in umido

Gefüllter Pfeilkalamar im eigenen Saft geschmort und übergrillt
Entweder als Hauptgang für zwei bis drei Personen, oder als Vorspeise für vier bis fünf Personen


Zutaten:
1 Totano ca. 800g gründlich geputzt
6 festkochende kleine Kartoffeln geschält und gewürfelt
1 große Karotte geschält und gleichgroß gewürfelt wie die Kartoffeln
1 Esslöffel gezupfte, frische Estragon-Blätter
1 Esslöffel gezupfte, frische, glatte Petersilie
1 Esslöffel fein gehackter, frischer Knoblauch
3 bis 4 getrocknete Peperoncini zerbröselt -- je nach gewünschter Schärfe
12 entkernte Oliven halbiert
1 gestrichener Esslöffel Meersalz
2 Esslöffel Tomatenmark
1 Glas Wein und die gleiche Menge bestes Olivenöl

Zubereitung:
Die Kartoffeln und Karotten mit den Kräutern, den Gewürzen samt Öl und Tomatenmark gründlich und geschmeidig vermengen, bis sie eine löffelbare Füllung ergeben.
Dann schon in der  Reine den Bauchsack vom Totano damit fest stopfend und prall mit einem Esslöffel füllen.
Schließlich den Balg mit den anhängenden Fühlern und Kopf-Tentakel "verschließen". Achtung: Im Kopf könnte noch der "Schnabel" stecken. Das Kugelige Umfeld fest drücken, dann kommt er raus...
Das Tier mit dem gestopften Balg oben in die Reine legen, den Deckel drauf und bei 90 Grad Umluft zunächst etwa eine Stunde im Ofen schmoren bis der Balg dort, wo die "Korsett-Stage" war, aufgerissen ist. Dann das Offene mit dem Wein und dem Öl übergießen und nun bei 100 Grad eine weitere Stunde mit geschlossenem Deckel schmoren lassen.
Bis kurz vor dem Grillen ohne Deckel bei geöffnetem Ofen ausdampfen lassen. Den Sud mit einer Kelle in ein Extra-Gefäß weitgehend abschöpfen und bereit halten.

Jetzt wird es etwas kompliziert und verlangt Geschick:
Mit Bratwender und Kochlöffel den Totano in der Reine vorsichtig wegen der Füllung auf die offene Seite drehen und ohne Deckel bei 250 Grad von oben für 20 Minuten bei leicht geöffneter Ofen-Tür  den"Rücken" grillen.
Danach wieder vorsichtig wenden, damit die Füllung nicht heraus rutscht, und mit dem abgeschöpften Sud wieder angießen. Lieber portionsweise: Der "umido" muss beim Servieren nach etwa einer halben Stunde Übergrillen dicklich, reichlich für alle aber auch noch geschmeidig sein.

Noch ein Tipp: Die "Seitenflügel" zum Steuern, die dem Pfeilkalamar seinen Namen gaben, werden nach dem Grillen abgefallen sein.  Siehe auch mein Foto. Sie sind unansehnlich ausgedörrt. Deshalb sollte sich der Koch immer großzügig für sie opfern. In Wahrheit sind sie eine knusperige Köstlichkeit...

Buon Appetito!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen