Freitag, 22. Mai 2020

Himmelfahrtskommando

Waren die Jünger das erste Himmelfahrtskommando?
Quelle:gifsnet
Komisch - obwohl wir ja eigentlich nur rudimentär religiös erzogen wurden - war ich als Kind überzeugt, dass Jesus ein paar Leute dabei hatte, die ihm beim Start zum Himmel geholfen haben. Beim Start des "Sputnik" am 4. Oktober 1957 war ich nämlich gerade einmal acht Jahre alt. Die Tatsache, dass der sowjetische "Wegbegleiter" mit einer Rakete in den Orbit geschossen wurde, überlagerte natürlich jede spirituelle Verknüpfung. Und Nachkriegskinder erfuhren in diesen Jahren bewusst von der anderen Bedeutung eines Himmelfahrtskommandos nichts. Hinzu kam, dass mein Vater alles andere als ein Mann war, der am Himmelfahrtstag mit dem Bollerwagen im Schlepp zum Besäufnis in den nahe gelegenen Stadtpark zog. So erlebten meine Schwestern und ich das auch in Hamburg übliche Gegröle an diesem Feiertag aus sicherer Distanz.

Quelle: de.cleanping
Ohne heilige Fleißbildchen und mit Nachsitzen für zu schnelles Sprechen wurde dem "preußischen" Protestanten-Lümmel aus dem Norden die mannigfaltigere katholische Feiertagskultur dann in Bayern noch von der Volksschule nachgereicht. Ich lernte die Freizeit dieser Tage zu schätzen, merkte aber da bereits unterbewusst, wie der Agnostiker in mir heranwuchs.

Was also brachte mich gestern dazu, diesem harmlosen Himmelfahrtskommando mit einem Biergarten-Besuch unter strengsten Korona-Auflagen beizuwohnen? Meine sehr fromme und von mir sehr geliebte Schwiegermutter starb am Himmelfahrtstag. Der wechselt zwar das Datum, ihre vier Kinder (nun alle weit in den 70ern) aber nehmen eben diesen als Gedenk-Tag her. Der wird seither nach dem Besuch am Familiengrab unter blühenden Kastanien im traditionellen Biergarten begangen. Da ich der einzig überlebende Schwiegersohn bin, ist mir das unter Auslassung des "Fried-Hofgangs" eine Ehrenpflicht. Denn anders als bei Ephraim Kishon war die Mutter der Fürsorglichsten aller Ehefrauen tatsächlich "die beste Schwiegermutter von allen", die in jeglicher Beziehung den bösen Klischees widersprach.

Wer wie ich mit der Biergarten-Kultur alt geworden ist, blieb aber trotz einiger "Halbe" ernüchtert. Wo sonst rummeliges Treiben animiert, mussten wir uns beim Betreten nicht nur eine Maske umbinden, sondern bekamen frisch desinfizierte, vorbestellte Tische in Sitzordnung zugewiesen. Meine Frau und ich durften - weil aus einem Haushalt - zwar nebeneinander sitzen und ihr Bruder uns gegenüber, aber die beiden übrigen Schwestern mussten im vorgeschriebenen Abstand am reservierten Nebentisch platz nehmen. Wir sind eben aus vier verschiedenen Haushalten gewesen. So verlangen das die Bedingungen für die Wiedereröffnung...

So ausgedünnt fehlte natürlich trotz aller belegter Tische irgendwie die Stimmung, und abbusseln durften wir uns natürlich auch nicht. Aber nach all der Isolation war das zumindest ein Anfang. Der investigative Geist in mir registrierte allerdings immer noch reichlich Gefahrenmomente für eine Ansteckung. Ob sich das Ganze im Nachhinein nicht doch noch als Himmelfahrtskommando erweist, wird sich während der Inkubationszeit zeigen...

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