Mittwoch, 12. Februar 2020

26 hat es nicht mehr geschafft

Am Anfang meines Lebens als Schreiberling war ich darauf angewiesen, alles zu schreiben, was meinen Kontostand absicherte. Wenn einer sagte: "Du, wir brauchen von dem oder dem in einer halben Stunde einen Nachruf." Dann habe ich das mit den paar Informations-Brocken, die man mir dafür hinwarf, einfühlsam über wildfremde Verstorbene von weniger wichtiger Prominenz erledigt. Dreißig Zeilen zu je dreißig Anschlägen bei fünfzig Pfennig pro Zeile, das war damals in ein paar Minuten mehr als der doppelte Stundenlohn eines Normal-Verdieners...

Später im Leben ging es dann immer häufiger um "Nachrufwürdige", die ich beruflich begleitet oder  gar persönlich näher gekannt habe. Da habe ich dann um einiges länger ringend darüber gesessen, ohne an eine Honorar zu denken...

Aber nun der lange und dann kurze Abschied von 26 war in besonderer Weise nicht nur schmerzhaft, sondern erinnerte mich im Zeitraffer, was wir seit Kindesbeinen erlebt und durchgestanden haben. Er kam aus der zweiten Reihe, aber als er sich eingepasst hatte, war es sein fester Halt auf den ich mich verlassen konnte. Ach was haben wir Flaschen geöffnet, Nüsse geknackt und Schalentiere zerlegt. Wenn es Gelegenheiten gab, in denen wir die Zähne zusammenbeißen mussten, war er unerschütterlich beeindruckend. Selbst auf einer australischen Krokodil-Farm, wo der Gast einen Preis gewann, wenn er am nächsten an die Biss-Kraft eines Jährlings heran reichte...

Vor etwas über einem Jahr begann 26 zu schwächeln und vertrug sich nicht mehr mit seinen Nachbarn. Obwohl er ja fast ein Jahrzehnt jünger war, wackelte er schon viel stärker als ich. Dennoch wollte ich mich einfach nicht von ihm trennen. Ich nahm ihn noch einmal mit nach Italien, feierte die Familien-Feste und Weihnachten mit ihm. Aber trotz der guten Vorsätze für das neue Jahr und natürlich Lacalut machte er nicht mehr richtig mit. Die Ärzte wollten ihm dann auch keine weitere Chance geben, weil er auf einmal sein Umfeld wahllos angegriffen hatte und aus der Reihe tanzte.

Gestern dann sein Ende: Drei, vier Stiche mit der Spritze und dann wurde er ruck zuck eliminiert.
Ein immer noch schmerzhafter Abschied, aber nix für ungut!

RIP mein alter Backenzahn!

Und Entschuldigung bei allen lieben Leserinnen und Leser mit einer Zahnarzt-Phobie! Mein noch von Schmerz-Tropfen umnebeltes Hirn fand diesen Nachruf wichtig aber auch komisch...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen