Montag, 20. Januar 2020

Google-Dödel

Zu den wichtigsten Kämpfen des Alters gehört bei all den nachlassenden körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Aufstand gegen das totale Vertrotteln. Da man  auf der Zielgeraden im Überleben und bei aller Partnerschaft doch irgendwie allein ist, sucht sich jeder eigene Wege und nutzt das Ehegespons dabei auch frecher Weise als Versuchskaninchen.

Die mittlerweile allerallerbeste Ehefrau von allen beginnt ihren Tag mit den schwersten am Markt erhältlichen Sudokus; ich - auf der Suche nach Themen - mit diversen Nachrichten-Portalen. Dann schreibe ich mindestens eine Stunde wie Thomas Mann. Das Basteln an einem Thema - so denke ich zumindest - hält mich immer noch geistig fit und besänftigt meine immer heftiger werdende Wut auf den Zustand dieser Welt. Nach diesem Auftakt kommen wir zu einem mit intensivem Austausch gewürzten Brunch. Dann trennen sich unsere Wege.

Die Allerallerbeste kommt zwischen den Aufgaben als Versorgungskraft für ihren schwächelnden Bruder, dem Einspringen als Baby-Sitter für unseren Enkel und der intensiven Pflege der übrig gebliebenen sozialen Kontakte bis abends kaum zur Ruhe. Da sie ja auch noch Chauffeuse ist, weil ich nicht mehr fahre, ist sie auch für das Einkaufen jenseits unserer Kreuzung zuständig. Indes - mit ein wenig schlechten Gewissen - mutiere ich zum Stubenhocker und bereite mich aber durch Vorbesprechungen auf die Herausforderungen des Abends vor.

Eingangs erwähnte ich ja schon den Effekt des Versuchskaninchens: Meine Frau hatte zuerst ihren Infarkt, deshalb verliefen meine beiden wohl glimpflicher. Dann hat sie ihre Augen lasern lassen und neue Linsen für beide bekommen. Das ganze mit einem Ergebnis, das mich absolut darin bestärkt, lieber von Jahr zu Jahr schlechter zu sehen, als mich diesem Drama selbst aus zusetzten. Unsere wenigen gemeinsamen Fernseh-Abende (ich nutze ja lieber die Streaming-Dienste) werden nämlich zunehmend komplizierter.

Markante Stimmen: Bayrisch und...
Denn entweder sie guckt nicht richtig hin, oder die OP hat ihr als Neben-Effekt eine Art Prosopagnosie also eine Gesichtsblindheit beschert. Die macht sich bei ihrer Soko-Sucht am Vorabend noch nicht so bemerkbar, weil sie da ja das Personal mit den markanten Stimmen seit Jahren kennt. Aber wenn es im Abendprogramm ausnahmsweise mal wirklich einen gemeinsam sehenswerten neuen Film gibt, muss ich ihr immer wieder die Handlung erklären, weil sie die Personen und ihre Dialoge nicht mehr richtig zuordnet. Das machte mir eigentlich nicht viel aus. Ist ja ein Liebesdienst. Aber dann wird das Zusehen dadurch zusätzlich derart erschwert, dass sie Schauspieler und Aktricen erkennt, die gar nicht mitspielen - aber eben darauf beharrt, dass sie recht hat.

...Wienerisch versteht sie noch.
Beim Kluftinger wirds dann schon
schwierig...
Fotos: ZDF
Liebe Leidensgenossen! Das schlimmste an der Gegenwart sind Handys oder Tablets, die neben dem Fernseh-Sessel liegen. Was macht der liebe Ehemann? Er wird zum Google-Dödel. Gibt die tatsächlichen Darsteller ein, zeiht sie groß und ruft zum Abgleich die verwechselten auf. Hält beides seinem geliebten Schatz ganz nah vor die Augen, damit die auch wirklich ihren Irrtum erkennt.

Bei öffentlichrechtlichen Produktionen geht das ja oft noch schadlos. Da sind solche Längen drin, dass man ihr anschließend, die Handlung weiter vermitteln kann. Wehe aber, wenn ein Thriller schnell geschnitten ist...

Dann schaue ich mir eben den Rest, den meine "Frau fürs Leben" meist eh verschläft, im Stream an.

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