Dienstag, 9. Februar 2016

Moment-Aufnahme

Während draußen PEGIDA-Prols Parolen plärren und die Alternativen Fuzzys Deutschlands ihre eigene Gesellschaft destabilisieren wollen, ist unser zentrales Nerven-System, die Gesundheits-Fürsorge, dank Multikulti längst solidarisch - zumindest in den Ballungszentren.

Eine internistische Notaufnahme in einer Münchner Groß-Klinik vergangene Woche;

Das hätten sich die Schreihälse draußen mal anschauen sollen! Eine kurvige schwarze Schönheit mit leuchtfarbenen Fingernägeln, bei denen man sich fragt, wie sie die Tastatur bedienen kann, nimmt mit großer Gelassenheit in gaumigem Deutsch die Patienten ins System. Fast alle Plätze im Warteraum sind belegt, und man muss gar nicht nachzählen, um zu sehen, dass die meisten Notfälle nicht deutschstämmig sind.

Die Schmerzen machen sie alle gleich: Ob das nun ein tätowierter Punk vom Balkan mit Neymar-Frisur ist oder eine offensichtlich wohlhabende Familie aus dem arabischen Raum (Vater, Mutter in Burka, Tochter mit Kopftuch, Enkelin und philippinisches Hausmädchen unverschleiert). Ein jemenitischer Geschäftsmann sitzt neben einem alten türkischen Ehepaar. Dazwischen eine Deutsche mittleren Alters. Eine junge Frau erklärt einem älteren Herrn aus dem Magreb, wie der Wasserspender funktioniert. Irgendwie können sich alle miteinander verständigen. Die, die den Ablauf kennen, versuchen zu erläutern, wieso die meisten erst von den Notfall-Ärzten untersucht werden müssen.

Gegen nachmittag bin ich der Letzte, weil ich noch zum dritten mal Blut abgenommen bekomme und ein weiteres Mal zum Röntgen muss. Man hat auch noch kein Bett für mich. Die Klinik ist gerammelt voll, aber jeder geht leise und freundlich miteinander um.

Als ich auf der Station bin, macht eine junge slowakische Ärztin die Anamnese, So lange sie medizinische Dinge erläutert, ist ihr Deutsch perfekt, sobald sie auf Privat-Modus geht, redet sie putzig wie der legendäre Läufer Emil  Zatopek, indem sie Verben und Deklinationen einfach weglässt. Beim Ultraschall wird ein hoch aufgeschossener, junger Arzt  mit sehr dunkler Hautfarbe eingewiesen. Sein Deutsch ist akzentfrei.

Das gesamte Pflege-Personal hat einen sogenannten Migrations-Hintergrund. Die Schwestern stammen aus allen Teilen Deutschlands, unter den Schwestern-Schülerinnen sind viele Neu-Deutsche in erster Generation. Bei dem zum teil im wahrsten Sinne des Wortes "beschissenen" Job kommt keiner jemals ein Wort des Unmuts über die Lippen. Ich bin voller Bewunderung.

Kapiert das denn keiner da draußen? Muss man erst krank werden, um Integration zu verspüren?
Was wäre denn, wenn eine andere Regierung, die alle nach Hause schicken würde? Einen nahezu fünfzig prozentiger Aderlass würde das System gar nicht verkraften. Oder dürfen dann nur die bleiben, die von Nutzen sind? Ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Verlust. Denn das System, das ja zu den besten der Welt zählt, stabilisiert sich auch durch die vielen Bar-Zahler aus dem Ausland, die dieser Reputation folgen.

Längst ist rund um die großen Kliniken kaum noch Wohnraum zu bekommen, weil Vermieter es lukrativer finden, durch Agenturen zu Höchstpreisen an den Familien-Anhang der Patienten tage- und wochenweise möbliert zu vermieten...

Ja, und in dieser Situation funktionieren auch Dinge, die daheim gar nicht gehen, aber Erkenntnisse fördern:

Der arabische Pfleger Benjamin wird von den Schwestern gebeten, eine junge Araberin mental auf das MRT vorzubereiten und eine Kanüle zu legen. Dazu muss er sie anfassen und mit ihr reden... Es sind viele junge Araberinnen als Patientinnen auf der Station, und Benjamin ist ein bildschöner junger Mann.

Dass die sprachliche Integration auch auf rein deutscher Ebene angestrebt wird erfahre ich täglich durch eine Krankenschwester, die ganz deutlich hörbar aus dem hohen Norden stammt, aber wegen meines Namens verfällt sie jedesmal in ein recht lustig klingendes Bayrisch.

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