Montag, 29. Februar 2016

Verlust-Ängste

Die Angst vor Verlust ist ein Ur-Instinkt. Er lässt uns Dinge tun, deren Abfolge wir noch nicht einmal unterbewusst wahrnehmen. Wir beschützen so die Unseren mitunter bis über die Schmerzgrenze hinaus, Aber die Ur-Angst birgt auch Schatten-Mächte, die uns gewaltbereit machen und für Logik und Argumente unzugänglich sind.

Eifersucht und Neid sind zwei ihrer ständige Weggefährten, aber auch Liebe und Erfolg:

Der Erfolgreiche fürchtet nichts mehr als das Ende der  Serie, die ihn reich und vielleicht auch berühmt gemacht hat. Der über alles Liebende hat Angst vor dem plötzlichen Erkalten seiner Passion,
Nicht wenige wollen Erfolg und Liebe ohne Limit und geraten dadurch in immer größere Probleme, weil sie im Eifer nicht merken, dass sie den Zenit überschreiten und als Ergebnis dieser Bemühungen genau das Gegenteil erreichen.

Auch unsere Gesellschaft geht ja nicht gerade schonend mit dem Scheitern um. Wenn ein Mächtiger stürzt, begleitet ihn oft klammheimliche Freude, und der Verlust der Liebe Anderer löst bei nicht so Geliebten eine gewisse Häme aus. Die "Lügenpresse" ist ja voll von solchen Geschichten...

Die Mainstreamer die vom Strom der Gezeiten an Ufern eines beständigen Lebens vorbei getrieben werden, suchen verzweifelt nach einem Halt. Der wird von Populisten eher abstrakt mit eingängigen Parolen aber ohne konkrete Lösungen versprochen. Ehe solchen Opfern das klar wird, werden sie in einem anderen Kanal noch schneller voran getrieben und geraten möglicher weise erneut in einen tödlichen Strudel.

Die Flüchtlinge und der Terror sind dabei nur Katalysatoren eines Zeitgeistes, der nicht erst seit kurzem umgeschwenkt ist, Er tat das im Laufe der Geschichte immer wieder mit verheerendem Blutvergießen als Folge.

Wenn der Kuh zu wohl ist, geht sie aufs Eis, vergisst die Ur-Ängste vor tiefem Wasser. Wenn es auf dünnem Eis zu viele Kühe werden, bekommt man sie aber nicht mehr herunter. Sie brechen ein und ertrinken.

Wen macht man verantwortlich? Meist den Hüter, aber selten den Antreiber...

Wieso rechnet eigentlich keiner nach? Alle Zahlen sind ohne Interpretation und Manipulation verfügbar. Die Antwort ist einfach. Die meisten Mitläufer sind zu dumm oder zu faul, sich selbst ein Bild von der Verteilung zu machen. Da fällt einem gleich der böse Begriff vom leicht lenkbaren Stimmvieh wieder ein. Wahlen stehen ja unmittelbar bevor.

Aber machen wir uns nichts vor! Das Deutsche Problem ist ja ein globales. Wenn Europa an seinen Urängsten dem Neid auf den Nachbarn, der Eifersucht und der angeblichen Vor- und Fürsorge für die eigenen Völker scheitert, dann wird auch die Demokratie, wie wir sie bisher kannten, nachhaltig beschädigt..

Wer Ur-Ängste stimuliert, darf sich nicht wundern, wenn Schatten-Mächte uns ins Verderben führen.

P.S.: Der Blogger hat auch mit Ur-Ängsten zu kämpfen. Denen, den jeder Autor unterliegt: Dass ihn keiner mehr lesen mag. Ich weiß, dass ich zwischendrin mal etwas Erheiterndes hätte schreiben müssen. Aber allein! Mir fiel nichts ein!

Donnerstag, 25. Februar 2016

Vom Witze reißen in trauriger Zeit

Mein Großvater mütterlicherseits, der die Hölle des Grabenkrieges zwar nicht im 100-Jahre-Jubiläums-Verdun, sondern am Chemin des Dames 1917 ohne PTBS überlebte, sprach mit seinem einzigen Enkel nie über seine Erlebnisse oder die ausgestandenen Ängste.

Mein Musiklehrer am Gymnasium, den wir liebevoll Opa Heim nannten, hingegen hatte, als wir mit dem Chor "O Haupt voll Blut und Wunden" einstudierten, einen Ausbruch an Erinnerungen, den ich nie vergessen habe:

 Er erzählte,dass einer seiner Kameraden im Graben die Feuerpausen damit überbrückte, dass er nonstop aus seinem schier unendlichen Repertoire Witze erzählte. Wenn das Bombardement wieder begann, und die Franzosen so gut wie aussichtslos gegen den Höhenrücken anrannten, gab er an Heim ab, der stets die neunte Strophe dieses Liedes von Paul Gerhardt und Johann Crüger mit Inbrunst anstimmte:

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.


Heim musste auch im Zweiten Weltkrieg noch einmal ran, Auch er hatte kein PTBS, weil ihm seine Musik wohl über alles hinweg half. Sein Kamerad, der Witze-Erzähler, hingegen hatte es nicht geschafft. Heim erlebte, wie er direkt neben ihm getroffen wurde und im Todeskampf in Embrio-Haltung nach seiner Mutter rief...

Mein Leben verlief bislang ohne Gewalt und derlei Schrecknisse. Dafür bin ich unendlich dankbar. Wenn ich mir es vergegenwärtige, so boten die letzten drei Jahre die schrecklichsten Momente meines Daseins. Obwohl ich ja das "gute Leben" ungestört weiter leben konnte, macht mir die Hilflosigkeit und das Unverständnis für die Eskalation schwer zu schaffen.

Mein Lieblings-Beispiel für politischen Irrsinn ist die Absage unseres Faschings und Karnevals, als Papa Bush im fernen Irak den ersten Öl-Krieg entfachte. Als im nah gelegenen Balkan wenig Später der Genozid begann, wollte hingegen keiner auf die Narreteien verzichten. 

Schon immer war ich auf der Seite der Narren in schweren Zeiten. Es ist auch kein Wunder, dass das Kabarett in diesen Tagen zur Höchstform aufläuft. Charlie Hebdo dokumentiert den Überlebenswillen des politischen Witzes zwar eher, aber auch das berühmte "Derblecken" am Nokherberg war gestern ein gutes Beispiel, die Politiker, die den Schaden anrichten, mit Spott zu übergießen. Mitunter waren die aber diesmal noch nicht einmal in der Lage gequält zu lachen.

Wenn es mit dem Rechtsruck in diesem und anderen Ländern so weitergeht, fürchten die "Derblecker", wird ihnen bald der Garaus gemacht.

Wie meinte Comedian Michael Mittermeier am Dienstag zum Studio-Publikum der ZDF-Satiere-Sendung "Die Anstalt" so in etwa:

"Ihr könnt dann noch backen, malen und Hosen verkaufen, aber was machen wir Kabarettisten im Berufsverbot?"

Herrlich naiv, der junge Mann! Bei einer denkbaren Achse Putin-Trump-Erdogan-Orban bliebe ja kaum mehr ein Weg ins Exil. Da ist ja die Tendenz zum Kopf-Abschlagen wahrscheinlicher...

Montag, 22. Februar 2016

Deuxit

Was die Briten können, könnten wir doch schon lange - ja, ja wenn wir nicht den Horror-Ballast unserer Geschichte mitschleppten.

Aber! Auf Erpressungsversuche muss man ja grundsätzlich nicht im europarechtlichen Sinne justiziabel antworten, Ich bin ein emotionaler Mensch, was unsere Kanzlerin ja glücklicher Weise nicht ist. Deshalb würde ich der Frau, die niemals meine politische Wahl war und auch nicht sein würde, wenn sie denn reüssierte,  mit allem Respekt vor ihrer Haltung folgendes empfehlen:

Wenn die männliche Kollegen Sie alle wegen ihrer "Cojones" hassen, und jetzt ihr Mütchen an Ihnen kühlen. weil sie sich das vorher nicht getraut haben, dann verhalten Sie sich doch einfach auch mal erpresserisch!

Die Polen wollen zurück, die Ungarn wollen auch die Wende ins Totalitäre und all die anderen Ost-Staaten einschließlich Österreich nehmen zwar gerne Geld von der EU, in der Deutschland der größte Nettozahler ist, aber tun wollen sie bei der Herausforderung an die Gemeinschaft und ihrem Erhalt nichts!

Ich bin stolz zu einer Nation zu gehören, die trotz der erschreckenden Mob-Tendenzen in den eigenen Grenzen eben nicht nur aus staatlichem Egoismus handelt, wie dies seit neuestem auch die Franzosen und Briten tun.

Drohen Sie an - Frau Kanzlerin - sämtliche Zahlungen am die EU sofort einzustellen. Drohen Sie - wie die Briten - an, bei nicht Erfüllung Ihrer Forderungen, sofort über den "Deuxit" abstimmen zu lassen, Bei der derzeitigen Stimmungslage in unserem Land könnte es sofort eine Mehrheit hierfür geben.

Machen Sie einfach auch für eine Zeit die Grenzen dicht und die Grenzkontrollen schärfer als die der Nassauer-Staaten. Nicht nur Seehofer würde es freuen. Und lassen Sie den Schmusekurs mit den Türken, die gerade die NATO in eine Zerreißprobe zwingen, die schnurstracks in einen erneuten Weltenbrand führen könnte

Wir - das Volk - stopfen uns einfach Stöpsel in die Ohren und schalten die Computer aus. Und wenn die Ostländer dann wieder in Putins Arme zurück streben, werden sie an der totalitären Brust des Russen verdorren und letztlich verhungern, weil die Welt sich  im globalen wirtschaftlichen Reigen weiter dreht, bei dem die dann alle nicht mehr mit tanzen können.

 - Und dann fliehen sie wieder alle und werden jammern: Ja so haben wir das ja alles nicht gewollt. Das waren die bösen Politiker, die wir gewählt haben...

Wie gesagt, ich bin ja nur ein emotionaler, alter Mann und kann mir solche  Ausbrüche vielleicht gerade noch leisten. Wie lange noch, fragt sich?

Ich bin vor allem so wütend, weil ihr Idioten meinem gelebten und geliebten europäischen Traum aus dummen Machtkalkül heraus das angetan habt!

Freitag, 19. Februar 2016

Mütter-Macht gegen Glucken-Generation

Als die Oregon-Pionierin Catherine Seger am Ziel ihrer Träume war, hatte sie ihre Eltern und alle sechs Geschwister auf dem langen Trail nach Westen verloren. Das war in den 1840ern der Preis, den es zu zahlen galt, um die USA groß zu machen. Catherine heiratete einen Pfarrer und gebar ihm acht Kinder. die wesentliche Rollen in dem neuen Bundesstaat spielen sollten.

Die Pioniere machten sich damals ohne Rücksicht auf das eigene Leben wie selbstverständlich auf, weil sie sich ein besseres Leben im Westen versprachen...

Wenn ich jetzt von den vielen ohne Begleitung der Eltern, geflohenen. minderjährigen Kindern in unseren Auffanglagern lese, möchte ich mir gar nicht weiter vorstellen, was die durchgemacht haben, um hier auf Leute zu treffen, die gegebenen Falles auf sie schießen ließen.

Aber ich stelle mir auch vor, dass diese jungen Flüchtlinge durch ihre Feuertaufen - wenn sie denn bleiben dürfen - einst eine Stärke für unsere sich erneuernde Gesellschaft mitbringen. Auch die überlebenden Waisen des Zweiten Weltkrieges haben ja die Härte mitgebracht, aus den Trümmern, in denen meine Frau (Berlin) und ich (Hamburg) noch waghalsig und so gut wie unbeaufsichtigt gespielt haben, das Wirtschaftswunder zu schaffen.

Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang Frank Baers Roman "Die Magermilchbande" oder die "Zündschnüre" des als Liedermacher bekannteren Franz Josef  Degenhardt.

Ein alter Aberglaube suggeriert ja, dass in  kriegerischen Zeiten mehr Kinder - vor allem Buben geboren werden. Ob sich das in Zeiten, da auch Frauen zum Militär gehen, gleichgeschlechtlich auswirkt, ist abzuwarten. Jedenfalls verzeichnet München zum vierten Mal in Folge ein bis zu vier prozentiges Wachstum der Geburten-Rate. 2015 wurden in der Landeshauptstadt 17.143 Kinder geboren: 8.739 Buben und 8.404 Mädchen.

Hier im Multikulti-Viertel gewinnt man zwar eher den Eindruck, wir verdankten den Zuwachs, gesettelten Familien mit Migrations-Hintergrund, aber aufs Stadtgebiet verteilt ist er auch dem Nachhol-Bedarf der  einheimischen DINK-Pärchen (Double Income No Kids) zu verdanken, Die selbstbestimmten Frauen über dreißig - gefördert durch Programme,,die offenbar greifen - entschließen sich nun häufiger, ehe die Uhr abläuft, Kinder zu bekommen; mit oder ohne Trauschein.

Die eingebürgerten Mütter bekommen ihre Kinder traditionell zwischen zwanzig und dreißig.
Da unter den Menschen, die ich von Kindes Beinen habe heranwachsen sehen, gerade ein Baby-Boom ausgebrochen ist, von dem ich auch betroffen bin, beobachte ich besonders scharf und vergleiche:

Meine Eltern haben uns noch enormen Freilauf gelassen, was dazu führte, dass ich mir auf Schutthalden nicht nur die Oberlippe aufgerissen, sondern auch ein Brett samt Nagel durch Schuh und Fuß getreten habe. Zweimal wäre ich fast ertrunken und einmal habe ich mir eine Platzwunde geholt, weil ich mit meinem Tretroller auf abschüssiger Straße einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen wollte. Als ich mit der Britischen Parade zu Queens Geburtstag bis zum Hamburger Stadtpark mit marschierte, merkten das meine Eltern erst, als ich nicht zum Essen kam. Von den Untaten der  nur jeweils um etwas mehr als ein Jahr getrennten Geschwisterschaft meiner Frau möchte ich gar nicht erst anfangen...

Wir beaufsichtigten unsere Kinder dann schon strenger. Deshalb kamen sie mit jeweils nur einer heftigeren Blessur davon, aber sie wurden ja auch lange zum Kindergarten und später zur Schule gebracht.

Die Mütter-Generation -.heute durch Regeln für Spielplätze, Umwelt und Verkehr unterstützt, aber auch durch drastische Thematisierung in den Medien verunsichert - erscheint mir mitunter übervorsichtig, um nicht zu sagen gluckenhaft.

Was also wird in ein, zwei Jahrzehnten passieren, wenn die derart in Watte gepackten Kids auf die treffen, die nicht nur den Krieg, sondern danach eine dramatische Flucht überlebt haben? Denen die Macht der Mütter gefehlt hat?

Auch hier müssen die Integrations-Konzepte ansetzen.

Mittwoch, 17. Februar 2016

Superchat

Über die Frage, ob ich ein Familien-Mensch bin, gehen die Meinungen sehr auseinander. Dem inneren Kern - bestehend aus meiner Ehefrau, meiner Tochter, deren Lebensgefährten samt Enkel und meinem Sohn -  bin ich oft zu fürsorglich mit meinen "Wenn- der -Topf- aber ein-Loch hat"- Ängsten. Komisch, früher war ich nicht so!

Wie dem auch sei, sie kommen immer gerne zum Sonntags-Brunch, das in lockerer Folge ohne jeglichen "Zwang" stattfindet. Auch zum Essen ins Restaurant gehen wir gerne im Familien-Verband - selbst wenn ich nicht mehr immer zahle,,,

Der alte Spruch "More than six is a crowd" bewahrheitet sich dann rund um unseren Tisch. Man kommt einfach mehr zum Reden, als bei den sonstigen Ereignissen im erweiterten Großfamilien-Verbund. Denen bleibe ich immer häufiger fern, weil sie in unserer München-Zeit geradezu wie ein Festspiel-Kalender anmuten, Kaum eine Woche ohne Geburtstag oder sonst einen Anlass. Mir kommt es so vor, dass je häufiger sich die Leute sehen, desto weniger sind sie bereit, über die zurück liegenden Intervalle zu reden. Es sei denn es geht um Todesfälle oder Krankheiten. Beide sind aber keine Lieblings-Themen von mir.

Nun wäre es Angeberei zu behaupten, bei unserem Family-Talk ginge es immer um Substanzielles, aber immerhin wird alles sehr lebhaft ausdiskutiert - auch wenn der Argumentation manchmal nur sehr schwer zu folgen ist, weil traditionell alle auf einmal reden und dabei immer lauter werden...

Beim letzten Brunch war mein Sohn, der sowieso nur selten aus der Haut fährt (aber dann richtig), verdächtig ruhig. Er tippte irgendetwas in unsere Smartphones ein, als seien wir gar nicht vorhanden.

In einer Erschöpfungspause teilte er uns mit, dass er zwischenzeitlich einen Family-Superchat eingerichtet hätte. Da könnten wir gleichzeitig alles eintippen und in Ruhe nachlesen, was die anderen eigentlich gemeint hätten. Da könnte dann auch der schöne Brunch mehr zum Essen, Genießen und "Chillen" genutzt werden...

Meine Computer und Smartphones hassende Frau hat ja zu Weihnachten ein "Fire" bekommen und kann sich da nun auch nicht mehr ausschließen. Jedenfalls waren wir begeistert über die tägliche Kommunikation, zumal wir nun auch dauernd zeitgleich neue Fotos vom Werdegang unseres zwei Monate alten Enkels bekommen...

Natürlich wird auch noch heftig telefoniert, aber im Superchat ist das dann eben Print und nachhaltig,
Was die Kids aber nicht berücksichtigt haben, ist, dass es ein gewisses Generations-Gefälle bei der Geschwindigkeit des Eintippens gibt. Oft sind schon vier Fragen gestellt, bevor einer von uns eine Antwort gegeben hat, Da meine Frau sowieso nie gleich nachschaut. aber in Hörweite ist,  piept es bei uns oft ganz schön - und auf die Dauer  auch nervend.

Besser so, als oft wochenlanges Schweigen in unserer Generation.

"Modern Family" eben!



Samstag, 13. Februar 2016

Wenn das Böse beginnt, uns zu beherrschen

Man mag ihn wegen mancher Selbst-Entlarvung kritisch betrachten, aber unter einem Aspekt ist er nicht zu verachten; YouTube speichert jederzeit abrufbar und auch erbarmungslos, was die Machthungrigen unserer Tage auf ihrem Weg nach oben so alles ungefiltert ablassen.

Gerade habe ich mir die Waterboarding-Aussagen des US-Präsidentschafts-Kandidaten Donald Trump und die geäußerten, KZ-ähnlichen Vorhaben von Marie Le Pen noch einmal angesehen. Auch ohne perfekte Sprachkenntnisse vermitteln Mimik und Körpersprache den Eindruck, als seien alle auf die  gleiche Agitatoren-Schule gegangen. Die Standbilder, die vor allem von Trump im Umlauf sind, vermitteln meist nur ein lächerlich machendes Bild des bösen Hetzers, Tatsächlich kommen die Hetzer mit ihrem Gedankengut aber sprachlich begabt und von lässiger Souveränität  bei ihren Mitläufern begeisternd rüber; ganz wie das sorgenvolle Mitmenschen auch auf der Straße anspricht. Das gilt meist auch für Frauke Petri von der AFD.

Böses Gedankengut selbstbewusst vorgetragen scheint das schleichende Gift dieser Tage zu sein, und es ist dabei genau so penetrierend wie einst die vor dem Spiegel und Kameras einstudierten Posen von Adolf Hitler. Wir dürfen dabei aber eines nicht vergessen: Auch Hitler kam über demokratische Mechanismen an die Macht - wie Putin, Erdogan, Orban und wie das polnische Marionetten-Kabinett.

Die rechtsstaatliche Demokratie - so scheint es aktuell - ist immer noch anfällig für das Böse. Das war schon in der Vergangenheit in vielen Staaten der Welt so, und es scheint in einer Zeit der boomenden sozialen Medien noch akuter zu werden.

Nachrichten wurden und werden allenthalben gefälscht oder durch geschicktes Umgewichten manipuliert. Man denke nur an die eigenhändig von Bismarck gekürzte "Emser Depesche"...

Heute gelangt Gefälschtes gleich millionenfach in die Welt und dadurch auch nur schwer überprüfbar in die traditionellen Medien. Die Mär von der angeblich entführten Deutsch-Russin in Berlin war sofort als Beleg für die unhaltbaren Zustände in Merkel-Deutschland weltweit in den Medien. Und das mobilisierte auch Putins Propaganda-Maschinerie im alten Maskirovka-Stil des KGB. Ehe der Spuk aufgeklärt und viel zu spät zurück gerudert wurde, hat sich das als Meinung fest gesetzt.

Am erschreckendsten finde ich aber, was die permanente Nachrichtenlage moderiert und interpretiert bei uns Normal-Bürgern anrichtet. Beinahe täglich erlebe ich, wie sich die Meinungen in meinem einst überwiegend liberalen Bekanntenkreis zunehmend radikalisieren. Das Bürgertum aus der Mitte driftet mit unmerkbar injizierten Parolen zur AFD, Deren Umfrage-Werte, werden vermutlich bei den kommenden Landtagswahlen noch übertroffen. Denn in Horst Seehofers plumpen Demontage-Versuchen an der Kanzlerin haben die Zuläufer auch noch einen willfährigen Helfer.

Stellt sich die Frage: Wer hat etwas von diesem offenbar weltweiten Trend zur Beschädigung demokratischer Verhältnisse?

Die Sicherheits-Konferenz in München wird sie gewiss nicht beantworten.

Donnerstag, 11. Februar 2016

Die Mechanismen der Gefolgschaft

Händchen falten,Köpfchen senken und nur an das Schöne denken. Ja, so könnten wir uns verhalten - wir, die Generation, der nicht nur die "Gnade der späten Geburt" widerfahren ist, sondern die obendrein den Rekord von sieben Jahrzehnten ohne Krieg auf eigenem Boden erleben durfte...

Aber dürfen wir das? Sich sonnen im Erreichten?
Doch! Was haben wir nicht alles geschafft. Aus Trümmern zum Wirtschaftswunder, im Kalten Krieg wacker die Zähne zusammen gebissen, die erste Terrorismus-Welle überstanden, die Wiedervereinigung gestemmt und der Europäischen Union mit wesentlichen Impulsen zu einem erstaunlichen Start verholfen...

Jetzt kommen allenthalben Populisten und Einpeitscher und wollen unter dem Vorwand einer Flüchtlingskrise in wenigen Monaten alles zerstören, was so viel Mühe und Geld gekostet hat.

Wer, wenn nicht wir, die Alten, die noch ansatzweise die Mechanismen der Gefolgschaft in Erinnerung haben, erläutert den Jungen, nach welchen immer wiederkehrenden Impulsen das ganze abläuft.

Manchmal frage ich mich in diesem Zusammenhang, ob nicht insgeheim schon eine Art Zensur ausgeübt wird.
Anders ist es nicht zu verstehen, wieso der Film "Experimenter" von 2015 noch nicht in unsere Kinos gelangt ist, obwohl er ansonsten fast überall auf der Welt schon läuft. Probleme mit einer deutschen Fassung? Oder passt es gerade nicht zur Situation.

Der Film schildert kurios inszeniert die auf den ersten Blick absurden Versuchsreihen des amerikanischen Sozial-Psychologen Stanley Milgram. Er hat zu Beginn der 1960er nachgewiesen, dass in jedem Menschen das Zeug zum Folter-Knecht steckt, wenn nur ein anderer Anweisungen gibt und die Verantwortung übernimmt. Im jüdischen Amerika kam es gar nicht gut an, dass der Jude Milgram auch Vertreter des "geschundenen Volkes" als Probanden hatte. Weil sie genauso agierten wie die Majorität, argwöhnten die Gegner Milgrams, er wolle damit das kollektive Verhalten der Deutschen während der Nazi-Herrschaft in Schutz nehmen.

Die anderen im Film gezeigten Experimente waren so absurd einfach, dass man sie jederzeit einmal selber versuchen kann. Beispielsweise an einer belebten Ecke stur an einen Punkt am Himmel starren, oder in einem vollen Bus aufstehen, um laut ein Lied zu singen.

Wenige Impulse reichen, um mit den Mechanismen der Gefolgschaft im Prinzip vorhandene Zivilcourage auszuhebeln: Wenn eine vorbereitete Gruppe in sich einen Probanden zum Mitmachen umpolen möchte, braucht sie eigentlich nur eines zu machen: Eine Zeit lang mit dem Probanden einer Meinung zu sein, um dann nach und nach kollektiv andere widersprüchliche Gedanken einzubringen.
Der Proband wird denen Zustimmen, nur um nicht plötzlich Außenseiter zu sein.
Im Volkspalast sitzen geblieben zu sein, wenn alle aufsprangen, um mit gestrecktem Arm Heil zu schreien, wäre einem Selbstmord gleich gekommen...

Leider ist Milgram nur 51 Jahre alt geworden. Aber seine Experimente wurden bis in dieses Jahrtausend auch von europäischen Wissenschaftler wiederholt. Mit identischen Ergebnissen.

Man sollte also nicht gleich mitlaufen. Gerade in Zeiten der anonym übers Handy ausgelösten "Flashmobs" ist es ratsam, mal die Gefolgschaft zu verweigern. Außenseiter heimsen im übrigen die größten Gewinne ein.

Morgen beginnt wieder die sogenannte Sicherheits-Konferenz in München. Großkopferte tagen in diesen Tagen wozu? Um sich selbst in Sicherheit zu wiegen? Um an der Sicherheit zu verdienen? Um die aktuelle Unsicherheit zu bagatellisieren?

Außenseiter aufgepasst!

Dienstag, 9. Februar 2016

Moment-Aufnahme

Während draußen PEGIDA-Prols Parolen plärren und die Alternativen Fuzzys Deutschlands ihre eigene Gesellschaft destabilisieren wollen, ist unser zentrales Nerven-System, die Gesundheits-Fürsorge, dank Multikulti längst solidarisch - zumindest in den Ballungszentren.

Eine internistische Notaufnahme in einer Münchner Groß-Klinik vergangene Woche;

Das hätten sich die Schreihälse draußen mal anschauen sollen! Eine kurvige schwarze Schönheit mit leuchtfarbenen Fingernägeln, bei denen man sich fragt, wie sie die Tastatur bedienen kann, nimmt mit großer Gelassenheit in gaumigem Deutsch die Patienten ins System. Fast alle Plätze im Warteraum sind belegt, und man muss gar nicht nachzählen, um zu sehen, dass die meisten Notfälle nicht deutschstämmig sind.

Die Schmerzen machen sie alle gleich: Ob das nun ein tätowierter Punk vom Balkan mit Neymar-Frisur ist oder eine offensichtlich wohlhabende Familie aus dem arabischen Raum (Vater, Mutter in Burka, Tochter mit Kopftuch, Enkelin und philippinisches Hausmädchen unverschleiert). Ein jemenitischer Geschäftsmann sitzt neben einem alten türkischen Ehepaar. Dazwischen eine Deutsche mittleren Alters. Eine junge Frau erklärt einem älteren Herrn aus dem Magreb, wie der Wasserspender funktioniert. Irgendwie können sich alle miteinander verständigen. Die, die den Ablauf kennen, versuchen zu erläutern, wieso die meisten erst von den Notfall-Ärzten untersucht werden müssen.

Gegen nachmittag bin ich der Letzte, weil ich noch zum dritten mal Blut abgenommen bekomme und ein weiteres Mal zum Röntgen muss. Man hat auch noch kein Bett für mich. Die Klinik ist gerammelt voll, aber jeder geht leise und freundlich miteinander um.

Als ich auf der Station bin, macht eine junge slowakische Ärztin die Anamnese, So lange sie medizinische Dinge erläutert, ist ihr Deutsch perfekt, sobald sie auf Privat-Modus geht, redet sie putzig wie der legendäre Läufer Emil  Zatopek, indem sie Verben und Deklinationen einfach weglässt. Beim Ultraschall wird ein hoch aufgeschossener, junger Arzt  mit sehr dunkler Hautfarbe eingewiesen. Sein Deutsch ist akzentfrei.

Das gesamte Pflege-Personal hat einen sogenannten Migrations-Hintergrund. Die Schwestern stammen aus allen Teilen Deutschlands, unter den Schwestern-Schülerinnen sind viele Neu-Deutsche in erster Generation. Bei dem zum teil im wahrsten Sinne des Wortes "beschissenen" Job kommt keiner jemals ein Wort des Unmuts über die Lippen. Ich bin voller Bewunderung.

Kapiert das denn keiner da draußen? Muss man erst krank werden, um Integration zu verspüren?
Was wäre denn, wenn eine andere Regierung, die alle nach Hause schicken würde? Einen nahezu fünfzig prozentiger Aderlass würde das System gar nicht verkraften. Oder dürfen dann nur die bleiben, die von Nutzen sind? Ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Verlust. Denn das System, das ja zu den besten der Welt zählt, stabilisiert sich auch durch die vielen Bar-Zahler aus dem Ausland, die dieser Reputation folgen.

Längst ist rund um die großen Kliniken kaum noch Wohnraum zu bekommen, weil Vermieter es lukrativer finden, durch Agenturen zu Höchstpreisen an den Familien-Anhang der Patienten tage- und wochenweise möbliert zu vermieten...

Ja, und in dieser Situation funktionieren auch Dinge, die daheim gar nicht gehen, aber Erkenntnisse fördern:

Der arabische Pfleger Benjamin wird von den Schwestern gebeten, eine junge Araberin mental auf das MRT vorzubereiten und eine Kanüle zu legen. Dazu muss er sie anfassen und mit ihr reden... Es sind viele junge Araberinnen als Patientinnen auf der Station, und Benjamin ist ein bildschöner junger Mann.

Dass die sprachliche Integration auch auf rein deutscher Ebene angestrebt wird erfahre ich täglich durch eine Krankenschwester, die ganz deutlich hörbar aus dem hohen Norden stammt, aber wegen meines Namens verfällt sie jedesmal in ein recht lustig klingendes Bayrisch.