Noch in diesem Monat passiert es: Die Gesamtzahl der Zugriffe auf meine Blogs wird die 200.000 überschreiten. Die Zuwachsraten der gelesenen Seiten im ersten Halbjahr liegen bereits bei über 10 Prozent. Dafür herzlichen Dank liebe Leserinnen und Leser! Das ermutigt mich, weiter zu machen, so lange meine Texte noch halbwegs Sinn machen
Wenn ich in den Blog-Statistiken sehe, dass Leserinnen und Leser aktuell uralte Posts anklicken, bin ich immer neugierig, was die dazu antreibt und was ich da so geschrieben habe. Aber der Neugier weicht oft beschämte Betroffenheit, wenn ich die ganzen Tipp- und Interpunktionsfehler sehe, die mir vor dem Veröffentlichen durch die Lappen gegangen sind. Ich war im Redigieren anderer Texte oft der Retter, aber als Schlussredakteur wäre ich der totale Versager gewesen...
Für ihn,, der im dritten Anlauf mein Vater werden sollte, war sie in ihren Briefen so voller Leidenschaft entbrannt, dass sie auf Interpunktion wohl keine Rücksicht nahm. Jedenfalls fühlte sich mein in mancher Hinsicht recht pedantische, spätere Erzeuger bemüßigt, ihr in seiner Antwort alle ihre Interpunktions-Fehler vorzuhalten. Jeder heutige Teenager hätte vermutlich den "alten Sack" in die Wüste geschickt. Meine Mutter reagierte so, dass jedem bald klar wurde, wer in dieser Beziehung die Hosen anhaben würde. Nach säuselig, ironischem Anhimmeln in der Anrede lieferte sie im nächsten Brief nichts als Zeilen voller Punkte, Kommata, Ausrufe- und Fragezeichen mit dem abschließenden Hinweis: "Zur freien Verfügung in meinen nächsten Briefen".
Die Story wurde immer wieder gerne am sonntäglichen Frühstückstisch ausgegraben, vor allem, wenn ich in Deutsch wegen mangelhafter Interpunktion mal wieder nur ein Ausreichend oder gar Ungenügend nach Hause gebracht hatte.
Bei meiner Lehre zum Verlagsbuchhändler wurde ich in der "Herstellung" beim Umbrechen der oft körperlangen Druckfahnen mit Typometer und hartem Bleistift eigentlich derart in die Mangel genommen, dass die geforderte Sorgfalt und Vorgehensweise für den Rest meines Berufslebens hätte ausreichen müssen: Einfache Krimis und Unterhaltungs-Literatur waren leicht zu umbrechen.
Als Schusterjungen bezeichnet man die alleinstehende erste Zeile eines neuen Absatzes, der auf die nächste Seile umgebrochen wird. Im Bild gelb hervorgehoben. |
Damit ich "Hurenkinder" und "Schusterjungen" am Seitenkopf beziehungsweise -Fuß vermied, strich ich Wörter oder fügte welche hinzu, um die Absätze aus- oder einzutreiben. Aber bei Klassikern und Autoren, die die Unversehrtheit und Manuskript-Treue verlangten, ging das natürlich nicht. Ausgerechnet wegen einer Taschenbuch-Neuauflage meines geliebten Friedrich Nitzsche und seinem "Also sprach Zarathustra" wäre meine Lehre fast beendet gewesen: Weil ich kühn in einem seiner Aphorismen einen eindeutigen Bezugsfehler korrigiert hatte, um einen Absatz zu vermeiden...
In solchen Umbrüchen waren Korrekturzeichen eben verräterisch, und der Herstellungsleiter zog mir die Ohren lang, als er mich fragte, was ich unter werksgetreu verstünde...
Alfred Andersch 1914 - 1980: Im Schweizer "Exil" Nachbar von Golo Mann und Max Frisch |
Aber die "Seelenverwandtschaft" zu Arno Schmidt beanspruche ich gerade erst heute im Alter, Nämlich aus einer wie für mich geschaffenen Erläuterung zu seiner Etym-Theorie.
Arno Schmidt 1914 - 1979: Auf dem Cover seiner Erzählung "Kühe in Halbtrauer" |
Er behauptete, Schriftsteller in höherem Alter könnten zu dieser Sprache des Unbewussten Zugang erlangen und sie gestalten, weil das Über-Ich geschwächt sei – das Es könne wegen der einsetzenden Impotenz seine Triebansprüche ja ohnehin nicht mehr umsetzen. Aus dieser Konstellation ergebe sich eine zusätzliche vierte Instanz seelischen Geschehens: den genialen Schriftsteller, der über die Etyms* die Sprache des Unbewussten beherrsche und der Reflexion des Ichs zugänglich mache.[5(Zitat aus Wikipedia)
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Arno_Schmidt&oldformat=true#Etym-Theorie
*Etym: Englisch für Abbreviation
Abbreviation: Oder - warum nicht auf Deutsch? - Verkürzung
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