Montag, 25. Januar 2021

Von Pfützen-Platschern, Laub-Lokomotiven und Schnee-Stapfern

 Wir, die wir ohne sonderliche Pflichten im Glashaus sitzen und nach Steinen suchen, weil wir sie entgegen des Sprichwortes andauernd schmeißen wollen, erfahren von den tatsächlichen, alltäglichen Dramen ja nur das, was die Medien berichten. Das Leben in der Pandemie ficht uns nicht an, weil wir stur daheim bleiben und bei den wenigen Begegnungen sogar in der Familie auf Abstand gehen. Aber was wissen wir denn wirklich? Bei den aktuellen Problemen können wir doch derzeit nur durch Geschichten aus zweiter Hand mitreden.

Quelle: freeimages.com

Wenn ich hier in diesem so kinderreichen Stadtteil Münchens meine Morgenmedizin schlucke, schaue ich schon lange nicht mehr auf das morgendliche Gewimmel der Kleinen und Kleinsten, das sich an unserer Kreuzung scheidet. Die Schulen im Westen und Osten und die Kindergärten oder Kitas jenseits der nächsten Kreuzung sind ja geschlossen. Nur ein paar Tage konnte ich sie nach unserer Rückkehr noch ahnungslos durch Pfützen platschen oder durch Laubberge pflügen sehen, die die Hausmeister hier mit ihren Bläsern zusammengeschoben haben. Nun in einem Winter, der auch in der Großstadt mal wieder seiner Jahreszeit gerecht wird, sehe ich nur sehr mutige Eltern - meist mit mehreren Kindern - samt Schlitten zum Rodelberg im Luitpoldpark ziehen. Es darf davon ausgegangen werden, dass dort eine kontraproduktive "Gemengelage" stattfindet, in der man sich dann doch wieder gefährlich nahe kommt. Aber was sollen denn zum Beispiel die Arbeitslosen Eltern sonst schon groß unternehmen, um mal den Deckel vom sozialen Gebrodel in der Isolation der eigenen vier Wände zu lüften?

Quelle: abenteuer.freundschaft.de

Weltweit erheben Soziologen schon mahnend den Finger, es könne durch die erforderlichen Maßnahmen zu einer "Generation Covid" kommen: mit Lernschwächen, zwischenmenschlichen Defiziten und Mangel an Empathie. Mein Enkel zum Beispiel hat nun seit bald einem Jahr nicht mehr mit anderen Kindern spielen dürfen. Zwar hat er dadurch sprachlich aufgeholt und benimmt sich manierlich. Aber wie wird es ihm dann mit anderen Kindern ergehen, sollten die Kitas wieder öffnen und seine Mutter sich dann tatsächlich wieder so sicher fühlen, ihn hinzubringen... 

Bei dem gestatteten Besuch nur einer Person fragte ihn seine Großmutter neulich, ob ihm das Spielen mit anderen nicht fehle? Er antwortete ohne zu zögern: "Du bist doch da Oma!" Niedlich, aber irgendwie bedenklich, wenn ich an meine Kindheit denke, in der ich oft auf Geschäftsreisen meiner Mutter mangels anderer Lösungen quasi als Einzelkind mitgenommen wurde. Wenn dann auch mein heiß geliebter Großvater mit ihr unterwegs war, gab es die Horror-Tage allein mit meiner Großmutter.

Momente, die fehlen
Gerontologen haben festgestellt, dass Männer meines Alters zunehmend an plötzlicher Rührseligkeit aus nüchternem Anlass leiden. Mir geht es tatsächlich so, wenn ich nette Kinder sehe. Nur kleine Hunde lösen noch größere Wasserfälle aus. Sozial-Psychologen haben natürlich auch für dieses spezielle Symptom eine Antwort: Kleine Kinder und kleine Hunde lösen in alten Männer-Hirnen einen "Flashback" zur eigenen Kindheit aus. Als Wildfang, den keiner hüten wollte und der jeden erdenklichen Blödsinn für eine Glanztat hielt, hatte ich in der Retrospektive wohl eine Mega-Kindheit. Die wünsche ich auch meinem Enkel, obwohl es in meiner Generation nach dem Krieg ja bis vor kurzem immer aufwärts ging. Vielleicht hat ja das möglichst baldige Ende der Pandemie für meinen Enkel einen ähnlich Effekt...



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