"Ich werde dich mores lehren" drohte mein Vater mit dem großen Latinum, wenn ich wieder mal etwas ausgefressen hatte. Aber bei anderen Gelegenheiten zitierte er auch diesen Spruch:
"Alles ist schlechter geworden, nur eins ist besser geworden, die Moral ist schlechter geworden..."
Als Jurist und Staatsbeamter hielt er den moralischen Standard hoch. Als Privatmensch hingegen ließ er gerne die Zügel schleifen und lehrte uns Kinder, dass es eine Doppel-Moral gäbe, die gerne von Moral-Aposteln angewendet wird, die es selbst mir ihr nicht so ernst meinten.
Als Kriegsdienst-Verweigerer schrieb ich in der Begründung, dass das Wort Kampf-Moral in den zwei Weltkriegen eine Knute des Kommandos in der Etappe war. Dass die Moral der Gefallenen in einem Unrechts-Krieg schon immer missbraucht worden sei. Die Verweigerung aus politischen Gründen war damals eher heikel - so heikel, dass mein Vater vom Ministerium angeschrieben wurde, mich umzustimmen. Er hatte die Moral, darauf hin zu weisen, dass sein Sohn durchaus ein Recht auf eine eigene Meinung habe.
Seither ist vieles passiert. Die "Gewissens-Kommission" vor der man damals zur Prüfung hatte antreten müssen, war meiner Wut dialektisch nicht gewachsen. Vermutlich wurde ich anerkannt, weil man der Bundeswehr einen so renitenten Wehrpflichtigen ersparen wollte. Heute gibt es in Deutschland weder Wehr- noch den Ersatzdienst, aber eine marode Verteidigung. Dabei droht ja gerade wieder der nächste kalte Krieg.
Weil die einstige Moral schlechter geworden ist, wurde ich Zeuge, wie dieses Land neue moralische Standards erreichte, wieder vereinigt wurde, die Meinungsfreiheit pluralisierte und alle sexuellen Beschränkungen für Erwachsene untereinander aufhob. Beim Weg zum geeinten Europa wurde Deutschland gewissermaßen zur moralischen Messlatte.
Da in der Gegenwart nun allenthalben unsere Moral auf den Prüfstand gehoben wird, kommt es aber immer häufiger zu staatlichen Akten der Doppelmoral. Das liegt an diversen Staatsführern, und wie sie neuerdings mit Recht und Unrecht umgehen.
Zwei Beispiele:
Für einen dubiosen Agenten-Mord mit bislang nicht ausreichenden Indizien, wird eine Nation bereits vorverurteilt, die sich mit der Annektion der Krim und der Auslösung eines endlosen bewaffneten Konflikts in der Ukraine beweisbar schon viel früher schurkisch verhalten hat.
In dubio pro reo gilt aber in Staaten mit unterschiedlicher Moral genau so wenig wie die Unschulds-Vermutung. Darob ist jetzt eine US-Administration empört, die vor anderthalb Jahren diesen Schurken-Staat noch als Steigbügelhalter für die Machtergreifung genutzt hatte.
Gegen alles Völkerrecht dringt ein Nato-Partner wegen eines etnischen Konflikts in eine Land ein, dass sich gerade nicht wehren kann. Tausende werden vertrieben, tausende sind in beiden Konflikten schon umgekommen, ohne dass es wegen Dreien, die noch gar nicht tot sind, zu einem derartigen Schulterschluss der Westmächte gekommen wäre.
Und die Moral von der Geschicht?
Moral ist für die Schwachen nicht!
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